„Dies ist meine Lehre“ – Die Entwicklung der mormonischen Theologie

Charles R. Harrell

Übersetzung des Epilogs des Buches, „This Is My Doctrine“ The Development of Mormon Theology von Charles R. Harrell, herausgegeben von Greg Kofford Books, 2011.

Deutsche Version von Folkhard Konietz. Der Übersetzer übernimmt die Verantwortung für die Übersetzung des Textes.

EPILOG

Obwohl sich die mormonische Theologie in vielfältiger Weise von anderen unterscheidet, so teilt sie doch das gleiche Erbe der Veränderung und der kulturellen Anpassung, welche für das frühe Christentum und der frühen israelischen Religion charakteristisch war. Judaismus, Christentum und Mormonismus, erschienen in Reihenfolge als inspirierte, neue Darlegungen der vorhergehenden theologischen Traditionen, jede von den zeitgenössischen Ideologien leihend (Konvergenz-Stadium) und die eigenen eigentümlichen Erweiterungen hinzufügend (Differentiationsstadium). Anfangs adoptierte der Mormonismus insbesondere evangelikale Lehren des frühen neunzehnten Jahrhunderts und begann bald selbst Lehren einzuführen, die nicht nur eigen waren, sondern in einigen Fällen von den orthodoxen Christen verachtet wurden.

James Faulconer, BYU Professor der Philosophie

Im Lichte der langen Geschichte theologischer Veränderungen und der Adaption der Heiligen Schriften, welche bis in die Zeit des Alten Testaments zurückreichen, wäre es naiv anzunehmen, dass alle Knackpunkte der Glaubenslehre ausgearbeitet sind und wir das endgültige Wort Gottes, was alle maßgeblichen Doktrinen anbelangt, besitzen. Gerade die Idee der fortlaufenden Offenbarungen widerspricht dem Prinzip einer theologischen Endgültigkeit. Gemäß der Aussage des BYU Professors James Faulconer: „Da die Heiligen der Letzten Tage auf fortlaufenden Offenbarungen beharren, können sie keine theologische Dogmatik besitzen, die mehr ist als provisorisch und heuristisch, denn eine Theologie, die behauptet mehr als das zu sein, kann durch neue Offenbarungen getrumpft werden“ [1]. Diese Tatsache ergänzend ist zu sagen, dass Offenbarungen immer durch endliche und fehlbare Menschen vermittelt werden, und so naturgemäß unvollkommen sind und immer ein Objekt der Revision sein werden. In Anbetracht einer so offenen Theologie, liegt Blake Ostler mit seiner Behauptung richtig, dass wenn es um Religion geht: „es keine endgültige und ein für alle Male gültige Aussage über die Wahrheit gibt“ [2] .

Beständig – Doch – Flexibel – im Glauben

Wie beständig und flexibel sollten die Heiligen der Letzten Tage sein im Festhalten der Lehren, die von der Kirche gelehrt werden, wenn sie im Lichte der nicht abgeschlossenen und dynamischen Natur der mormonischen Theologie gesehen werden? Können die Mitglieder die Kirchenführer trotz ihrer Unvollkommenheit und trotz der Veränderungen in ihren Aussagen bestätigen und ihre Lehren als das Wort Gottes annehmen? Bedenkt man, dass Brigham Youngs „Adam-Gott Doktrin“ nicht nur aufgegeben wurde, sondern als Irrlehre etikettiert wurde (siehe Kap.7), dass die Vielehe – zu einer Zeit als unerlässlich für die Erhöhung betrachtet wurde – nicht länger als Bedingung erachtet wird (siehe Kap.15), dass die Lehre, die Schwarzen wären in der Präexistenz weniger edel gewesen – was heute als volkstümlich abgelehnt wird (siehe Kap.17)- und das eine Menge anderer Lehren auf ähnliche Weise geändert, zurückgenommen oder verworfen wurden, so liefern doch diese Beispiele mit Sicherheit genügend Präzedenzfälle um eine flexiblere Haltung den Lehren der Kirche gegenüber zu rechtfertigen. Dies schließt jedoch nicht aus, dass man den Kirchenführern seine Unterstützung nicht zukommen lassen kann, oder sich nicht sorgfältig den Zielen der Kirche verschreiben kann. Der

Robert L. Millet, BYU Professor

BYU Professor der Religion, Robert L. Millet rät: „Wir können mit unserem ganzen Herzen die Propheten und Apostel unterstützen ohne daran zu glauben, dass sie vollkommen sind, oder dass alles, was sie sagen exakt das ist, was Gott gesagt oder getan haben möchte“ [3]

Es sollte beachtet werden: Was die Kirche von ihren Mitgliedern für die Tempelwürdigkeit zu glauben erwartet, ist eher wenig, was bedeutet, dass die eher grundsätzlichen Aussagen (1) ob Gott existiert (2) Jesus unser Erlöser ist und (3) die Kirche wiederhergestellt wurde und fortfährt von einem lebenden Propheten geführt zu werden, von Bedeutung sind. Jenseits dieser Kernaussagen des Glaubensbekenntnisses haben die Heiligen einen Ermessensspielraum bezüglich dessen, was sie glauben können  bzw. zu glauben im Stande sind. Die Maxime der frühen Heiligen der Letzten Tage lautete: „In den Grundlagen Einheit, im Nicht-Grundsätzlichen Freiheit und in allen anderen Dingen Nächstenliebe“. Dieses Motto, welches sich großer Popularität innerhalb der Wiederhersteller in den Tagen Joseph Smiths erfreute, wird Peter Meiderlin, einem irisch-lutheranischen Theologen zugeschrieben, der ein Pastor in Augsburg während des frühen 17. Jahrhunderts war. (Siehe Hans Rollman, „ In Essentials Unity: The Pre-history of a Restoration Movement Slogan“)

Unterschiedliche Ansichten oder Zurückhaltung gegenüber dem Status Quo der nicht grundsätzlichen Lehre gegenüber,  und die unkritische Annahme aller populären LDS Lehren, ist nicht mehr ein Hinweis auf ein schwaches oder unterentwickeltes, sondern Zeichen eines mündigen Zeugnisses.

Bieten die Schriften genügend Standfestigkeit?

Wenn tatsächlich viele Passagen, die dazu gebraucht wurden, um heutige LDS Lehren zu untermauern, eine andere Bedeutung in ihrem ursprünglichen Kontext haben, welchen Einfluss hat dies auf die Aussagekraft dieser Lehren? Bedeutet das, dass sie gegenstandslos sind und daher trügerisch, oder könnte das andeuten, dass wir nicht immer erwarten können für alle Lehren, die in der Kirche gelehrt werden, eine Begründung in den Schriften zu finden?

Doktrinen können mit Sicherheit wahr sein, ohne unbedingt durch die Schriften bestätigt zu werden. Beispielsweise lehren selbst die LDS Schriften, dass das Bezeugen des Heiligen Geistes die einzige, unanfechtbare Bestätigung der Wahrheit darstellt (Moroni 10:5). Um ganz sicher zu gehen, Lehre und Bündnisse 50:17-20 stellt fest, dass eine Bestätigung, welche auf irgendeinem anderen Wege erlangt wird, „ist [es] nicht von Gott“. Für viele Heilige ist die rationale Anziehungskraft oder der rationale Nachklang, der ausschlaggebende Beweis für den Wahrheitsinhalt der mormonischen Lehre („Wahrheit ist Vernunft“ )[4].  Andere wiederum haben die mormonische Lehre wegen der anerkennenswerten Früchte „ an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“ (Matthäus 7:20) umschlungen[5].

Zusammenfassend bedeutet das: Die Abwesenheit oder sogar Ablehnung einer Glaubensansicht in den Schriften bedeutet noch nicht, dass diese Ansicht falsch sein muss. Deswegen sollte der aus den Schriften untermauerte Wahrheitsanspruch der mormonischen Lehre, als sekundäre, nicht als primäre Rechtfertigung des HLT-Glaubens gesehen werden.

Interessanterweise denken heutzutage viele Bibelforscher darüber nach, ob es überhaupt erstrebenswert ist, Lehren anzunehmen, nur weil sie in der Bibel zu finden sind [6]. Sie argumentieren, dass die Lehren des Alten und Neuen Testaments zum Teil die kulturellen Paradigmen der damaligen Zeit reflektieren oder ihnen angepasst wurden. Wenn das zutrifft, so folgern sie, warum sollte sich jemand mehr seinem oder ihrem Glauben, der Denkmodelle imitiert und nicht mehr richtig in die heutigen aufgeklärten Paradigmen passt, verpflichtet fühlen? Mit seiner Betonung auf fortlaufende Offenbarungen hat der Mormonismus einen eingebauten Mechanismus für die Neudefinition der Lehre in einer sich ändernden Zeit.

Die Krise der doktrinären Exklusivität

Seit der Gründung haben viele Mormonen einen Ausschließlichkeitsstand gegenüber anderen Glaubensrichtungen eingenommen. Sie haben anderen Religionen einen Teil der Wahrheit (mit Irrtümern durchwoben) zugestanden, jedoch behauptet, dass nur der Mormonismus die volle und unverfälschte Wahrheit besitzt. Dies hat manchmal zu Empfindungen und Wahrnehmungen der doktrinären Überlegenheit und Elitarismus unter den Heiligen der Letzten Tage geführt [7]. Doch wenn die mormonische Theologie sich stets entwickelt und zum Teil das unvollkommene Verständnis derer wieder spiegelt, die sie kundtun, ist der Fehlschluss der theologischen Exklusivität offensichtlich. Es ist nichts Abwegiges daran, zu verkünden die eigene Kirche wäre die „wahre“ Kirche in dem Sinne, dass sie von Gott genehmigt oder von ihm sogar geführt wird, doch folgt nicht unbedingt daraus, dass die gesamte, in dieser Theologie gelehrte Lehre ipso facto, die absolute Wahrheit ist. Selbst wenn der Mormonismus mehr der korrekten Teile des theologischen Puzzles besitzt als andere Religionen, so rechtfertigt dies mit Sicherheit nicht eine theologische Exklusivität oder gar Überlegenheitsgefühle.

Eine ähnliche exklusive Gesinnung wird manchmal in Bezug auf die Spiritualität gesehen. Viele Heilige der Letzten Tage haben den Eindruck, sie alleine haben die „Gabe“ des Heiligen Geistes, denn schließlich können nur Träger des Melchisedekischen Priestertums diese Gabe spenden. Demzufolge nehmen die Mitglieder an, dass sie – oder mindestens sollten sie – geistiger sein als Nicht-Heilige der Letzten Tage. Diejenigen Heiligen, die mit anderen gläubigen Christen zu tun haben, erkennen sehr schnell, dass es sehr viele gute Menschen gibt, die nicht nur vorbildlich in ihrem christlichen Leben sind, sondern auch vergleichbare geistige Erlebnisse haben. Nach Aussage einer in den USA 2002 durchgeführten Umfrage haben 90 % aller Christen die gleiche Art spiritueller Erlebnisse wie die, die typischer Weise von Heiligen der Letzten Tage berichtet werdenn [8]. Der BYU Professor Roger Keller, ehemaliger presbyterianischer Geistlicher, hat beobachtet: „Der Heilige Geist, den ich kannte ehe ich ein Heiliger der Letzten Tage wurde, ist der gleiche, den ich als Heiliger der Letzten Tage kenne. Und das Erleben ist nicht anders“. [9] Die Ansicht, die Heiligen haben eine spirituelle Überlegenheit denen anderen Glaubens gegenüber, stellt er widerlegend fest: „Unter unseren evangelikalisch-pfingstlichen [ Evangelical Pentacostal ] Brüdern und Schwestern, finden wir die gleichen geistigen Gaben wie unter uns“.[10]

James Fowler, Emory University

Die Aussage ist die, dass die Lehre wie auch die spirituellen Erlebnisse, nicht der LDS Kirche entspringen müssen, um legitim zu sein oder eine theologische Wertigkeit zu besitzen. Es ist einiges, was die Mormonen aus den theologischen Erkenntnissen derer anderen Glaubens lernen können. Wie die BYU Professoren der Religion, Robert L. Millet und Lloyd D. Newell feststellten: „Wir brauchen uns nur mit Menschen anderer religiöser Glaubensrichtungen bekannt zu machen um die Güte und Wahrheit, die sie besitzen, zu begreifen. Es wäre offensichtlich arrogant anzunehmen, dass Heilige der Letzten Tage die einzige Menschengruppe auf der Erde wären, um die sich unser Vater im Himmel kümmert oder seinen Willen und seine Absichten kundzutun sucht“. [11] In seinem Werk, Stages of Faith, hat der protestantische Gelehrte James Fowler mehrere Ebenen der Glaubensreise herausgearbeitet, die Menschen erreichen können. Er definierte den mündigen Glauben als einen, in dem der einzelne Mensch in der Lage ist, jenseits seiner vertrauten Traditionen zu schauen und aufmerksam einer größeren Wirklichkeit zu lauschen, was auch immer ihre Botschaft sei. Menschen dieser Ebene charakterisiert er als solche, die sich der pluralistischen und dem Menschen zugewandten Natur der Religion, gewahr sind. Gemäß Fowler akzeptiert der Mensch dieser Ebene das Bewusstseins: „als axiomatisch, dass die Wahrheit multidimensionaler und naturgemäß zusammenhängender ist, als die meisten Theorien oder Berichte über die Wahrheit erfassen können“.  In Bezug auf Religion weiß so jemand, dass die Symbole, Geschichten, Lehren und Liturgien, die der eigenen oder anderen Tradition entspringen, zwangsläufig unvollständig sind und durch die Erfahrungen einer bestimmten Gruppe mit Gott begrenzt werden“.[12]  Ein mündiger Glaube akzeptiert die Souveränität Gottes im Universum und erkennt gleichzeitig an, dass niemand den Heiligen Gral der absoluten und unfehlbaren Wahrheit besitzt. Er bewegt einen dazu, sich mehr mit Gottes universeller Liebe und seinem Innewohnen in dieser Welt, als mit den theologischen Dogmen zu identifizieren. Solche Menschen sehen den Beweis für Gottes Wirken an vielen Fronten und erkennen, dass es „aber nur den einen Gott[ gibt ]:  Er bewirkt alles in allen“ ( 1. Korinther 12:6)

Die Zukunft der mormonischen Theologie

Im Lichte der einstweiligen Natur der mormonischen Theologie fragt man sich, wie und auf welcher Stufe sie ihre Entwicklung fortfahren wird. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts hat sich die doktrinäre LDS Orthodoxie nur sehr langsam in Richtung der mehr kulturell anerkannten Normen verschoben. Bestimmte radikale Lehren der Vergangenheit sind am Wegesrand liegen geblieben und es existieren Hinweise, dass andere bezeichnende Lehren an den Rand gedrängt werden. In einem Interview des Time Magazine von 1997, marginalisierte Präsident Gordon B. Hinckley die Lehre, dass Gott und der Vater einst ein Mensch war, indem er sagte: „Mir ist nicht bekannt, dass wir das lehren. Mir ist nicht bekannt, dass wir es hervor heben“.[13] Vergleichen Sie diese Aussage mit der kühnen Erklärung von Joseph Smith: „Es ist das erste Prinzip [ des Evangeliums ] zu verstehen…, dass er [ Gott ] einst ein Mensch war, wie wir“. [14]

Obwohl es sehr unwahrscheinlich ist, dass die gegenwärtige LDS Lehre grundlegende Änderungen erfährt, werden feine Änderungen der Betonung (Akzentuierung) und der Interpretation unzweifelhaft die Art, wie sie verstanden werden, beeinflussen (so wie in der Vergangenheit ), insbesondere, da mehr metaphorische  Bedeutungen zum Tragen kommen. Betrachten sie zum Beispiel, was gemeint sein könnte, wenn man sagt, dass Gott ein persönliches Wesen ist, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist, dass Joseph Smith ein Prophet war und das Buch Mormon das Wort Gottes ist. Jede dieser Aussagen kann buchstäblich oder in variierenden Abstufungen, bildlich verstanden werden. Ist Gott in dem Sinne ein persönliches Wesen, als das er einen dem Menschen ähnlichen Körper, sogar seine Eigenschaften und Veranlagungen besitzt, oder ist er ein persönliches Wesen, weil er Menschen auf einer persönlichen Ebene begegnet? Ist Jesus Christus der Sohn Gottes, weil er tatsächlich sein gezeugter Nachwuchs im Fleische ist, oder weil er Qualitäten annahm, die man mit Gott in Verbindung bringen kann und wie Paulus lehrte, er als Sohn Gottes erachtet wurde? War Joseph Smith in einem stereotypischen Sinne ein Prophet, der die vollständigen Absichten und den vollständigen Willen Gottes kundtat, oder im Sinne, wie es scheinbar bei den alten Propheten war, dass sie das Wort Gottes so verkündeten, wie sie es „bewegt“ durch den Heiligen Geist, empfingen? Ist das Buch Mormon im buchstäblichen und unfehlbaren Sinne das Wort Gottes, oder ist es in dem Sinne Gottes Wort, in dem es göttliche Züge trägt, und einen dazu inspiriert, Christus ähnlicher zu werden? Können diese mehr bildlichen Erwiderungen auf diese Fragen dennoch den mormonischen Glauben legitimieren?

Jenseits der Theologie

Eine letzte, doch nicht weniger wesentliche Frage für die Heiligen der Letzten Tage, hat mit der Bedeutung der Theologie in Bezug auf andere Aspekte des Mormonismus zu tun. Ist zum Beispiel die Theologie höher einzustufen als eine aktive, religiöse Lebensweise? Die theologischen Angelegenheiten sind eher kontemplativ (betrachtend), wogegen christliches Leben transformativ (umformend, verändernd) ist. Die Überbetonung der Lehre kann zu Uneinigkeit und Absonderung führen, Anteil nehmender christlicher Dienst löst konfessionelle Barrieren auf und führt Menschen verschiedenen Glaubens in hilfreichen Aktionen zusammen. Interessanterweise hat Jesus keine systematisierte Theologie hinterlassen, sondern es wurde über ihn gesagt, „wie dieser umherzog, und Gutes tat“ ( Apg.10:38 ). Er sagte seinen Aposteln, sie würden daran erkannt werden, dass „ihr einander liebt“ ( Johannes 13:35), und nicht an ihrer theologischen Erhabenheit. Viele Heilige der Letzten Tage würden dem zustimmen, dass das Festhalten an den grundlegenden Prinzipien der Liebe, der Integrität und des Glaubens an Gott bedeutsamer ist, als zu glauben, man besäße die richtigen theologischen Lehren. Apostel James E. Talmage verlautbarte: „ehrliche Absichten, Integrität der Seele, persönliche Reinheit, Freiheit des Gewissens, Bereitschaft allen Menschen, selbst den Feinden, Gutes zu tun, reine Nächstenliebe – dies sind einige der Früchte, an denen die Religion Christi erkannt werden soll – die übersteigen in ihrer Bedeutung bei weitem die  Ausgestaltung der Dogmen und die Artikulation der Theorien“ [15].  Es ist wahr, dass die eigene Theologie einen vernünftigen Rahmen für das Ausgestalten eines christlichen Lebens schafft, doch ist es nicht die Theologie, die uns zu Heiligen macht.
Als der BYU Professor der Religion, Roger Keller zu einer, aus verschiedenen christlichen Gemeinschaften bestehender Zuhörerschaft sprach, merkte er an:

Roger Keller, BYU Professor

„Nicht eine unserer Theologien wird je einen Menschen erretten. Nicht eine unserer Theologien kann je ein Leben verändern. Alles, was sie tun können, ist das Werk des Einen an den wir alle glauben, zu erklären, und das auch nur sehr ärmlich“.[16]  Für viele liegt die besondere Bedeutung religiöser Ideologie in ihrer Fähigkeit dem Leben einen Sinn zu geben, in Prüfungen zu stützen und zur Liebe und Mitgefühl zu inspirieren. Die Religionshistorikerin Karen Armstrong stellt fest: „Trotz ihrer Jenseitigkeit ist die Religion sehr pragmatisch“, und „es ist viel wichtiger, dass eine bestimmte Vorstellung von Gott funktioniert, als das sie logisch oder bedeutsam klingt“ [17]. Unabhängig davon, wie man die mormonische Theologie sehen möchte, wird sie aus einem Grund fortfahren lebhaft und umsetzbar zu bleiben: sie funktioniert.

[1] James E. Faulconer, “ Rethinking Theology: The Shadow of the Apocalypse,” 179

[2] Blake T. Ostler, Exploring Mormon Thought: The Attributes of God, 69

[3] Robert L. Millet, „ What Do We Really Believe? Identifying Doctrinal Parameters within Mormonism”, 268

[4] In seiner Forschung über frühe mormonische Bekehrte merkte Steven Harper an: „auf die Frage, was es denn in der mormonischen Theologie sei, was sie zur Bekehrung veranlasste, findet man bei den Schreibern häufig den Begriff > vernünftig < und seine Entsprechungen“. Steven Harper, „Infallible Proofs, Both Human and Devine: The Persuasiveness of Mormonism for Early Converts,” 101.

[5] Der wegweisende amerikanische Psychologe und Philosoph William James behauptete, dass Pragmatismus den einzig verlässlichen Weg darstellt, um die „Wahrhaftigkeit“ religiöser Glaubenssätze zu evaluieren, „ An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen, nicht an ihren Ursprüngen“. William James, The Varieties of Religious Experience: A Study in Human Nature, 24.

[6] Euan Cameron bezeichnet das Unvermögen den Zeitpunkt in der Geschichte als die Lehre noch rein und unmittelbar war, zu fixieren, als das „ historische Problem“ der Christenheit. Euan Cameron, Interpreting Christian History: The Challenge of the Churches` Past, 164.

[7] Eric-Jon K. Marlow; „ The Only True Church: Boldness without Overbearance,” 27.

[8] Jeffry L. Sheler, “ Faith in America”, 40 f

[9] Roger R.Keller, “ The Apostasy”.

[10] Ibid.

[11] Robert L. Millet and Lloyd D. Newell, Draw Near unto Me, 9.

[12] James W. Fowler, Stages of Faith, 186. Fowler stellt fest, dass die Kraft dieses Stadiums von der: „ Fähigkeit in seiner oder ihrer Gruppe zu sein und ihre kraftvolle Bedeutung zu verstehen, gleichzeitig anerkennend, dass sie nur eine relative, unvollständige Sicht der überragenden Wahrheit ist. Die Gefahr kommt aus Richtung der lähmenden Passivität oder Untätigkeit, die der Ursprung für eine Selbstgefälligkeit oder für einen zynischen Rückzug ( Ausstieg ), entsprechend dem widersprüchlichen Verstehen der Wahrheit, ist“ (198).

[13] David Van Biema, “Kingdom Come“, 56.

[14] Andrew F. Ehat and Lyndon W. Cook, The Words of Joseph Smith, 344.

[15] James E. Talmage, Articles of Faith, 389

[16] Roger R. Keller,“ Jesus Christ: Priest, King, and Prophet,” 346.

[17] Karen Armstrong, A History of God: The 4000 – Year Quest of Judaism, Christianity, and Islam, xxi.

 

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