Generalkonferenz-Kommentar: „Elder Oaks, was wir brauchen ist mehr Liebe – keine Bekräftigung von Proklamationen und Richtlinien, die Kinder Gottes ausgrenzen“

Nachdem ich mich dem wieder mehr öffnen kann, habe mir die Samstagvormittag-Versammlung der Generalkonferenz angeschaut. Freute mich auf die geistige Erbauung. Diese kam auch, und zwar mehr als ich mir erhofft hatte, bis dann Elder Oaks an die Reihe kam…

Uchtdorf

Erste Ansprache: Uchtdorf spricht wirklich aufbauend und versöhnlich. Die Worte sind für mich nicht nur inspirierend, sondern für bisherige Kirchenstandards so inklusiv, dass ich meinen Ohren kaum traue und etwas ungeduldig andere im Raum bitte, leise zu sein, damit ich nichts davon verpasse. Uchtdorf erwähnt bedeutende Charaktere in der Entstehung der Kirche, wie z.B. Martin Harris, Oliver Cowdery und Thomas B. Marsh. Er lobt ihren Glauben, aber räumt auch ein, dass sie menschlich und somit fehlerbehaftet waren. Dennoch nutzt er diese Beispiele um zu mahnen, Menschen nicht zu verurteilen, welche der Kirche den Rücken kehren! Das sind wirklich tolle Worte von einer mormonischen Ersten Präsidentschaft, sehr heilend für Mitglieder wie mich, die bereits eine Glaubenskrise durchgemacht haben. So etwas hatte ich in meiner über 30-jährigen Zeit als Kirchenmitglied noch nie von einer Generalautorität in der Konferenz vernommen. Lediglich Uchtdorf selbst bot bereits vor Jahren mal einen ähnlichen Beitrag.

Oaks

Dann wurde nach einer weiteren schönen Ansprache von Schwester Oscarson die Zeit an Dallin H. Oaks übergeben: Ich habe absolut nichts gegen ihn persönlich, aber mein Gefühl der Inspiration wandelte sich schnell in einen anderen Eindruck.

Nach einigen Worten wurde sehr schnell deutlich, dass Oaks in seiner Ansprache zur Familienproklamation seine Autoritätsposition gebraucht, um im Namen Gottes Hardliner-Positionen gegenüber homosexuellen Kindern Gottes zu bekräftigen, die sich für eine Ehe entscheiden.

Hier die entsprechende Stelle in seiner Ansprache:

Da die unhinterfragte Verbreitung dieser Positionen von obersten Kirchenautoritäten aus meiner Sicht bereits so viel Leid angerichtet haben, möchte ich als Mitglied, aber vor allem als Christ, nicht still sein.

Ich persönlich kenne Menschen in Utah, die in einer homosexuellen Ehe leben. Sie sind mir kostbare Freunde. An ihrem Esstisch verspüre ich von Ihnen und ihren Kindern die gleiche christliche Nächstenliebe und Fürsorge, wie von vielen anderen mormonischen Familien auch. Ich verspüre einen Geist christlicher Liebe und habe keinesfalls den Eindruck, dass Gott diese Menschen bestraft, weil sie sich für eine Partnerschaft entschieden haben. Es ist unvorstellbar für mich, welchen Vorurteilen diese meine Freunde sich in ihrem mormonisch geprägten Umfeld gegenüber sehen, obwohl sie in ihrer Entscheidung für die Ehe ihrem Gewissen und innerer Führung gefolgt sind.

Anstatt nach allem, was in den letzten Jahren passiert ist, weichere Töne anzustoßen, bekräftigte Oaks die harten Töne und sowohl die Familienproklamation als auch indirekt die von vielen als diskriminierend wahrgenommene neue Handbuch-Richtlinie von 2015. Der friedliche Geist, der mich bei den vorigen Ansprachen inspiriert hatte, war wie weggeblasen. Ich versuchte mich von der Ansprache abzulenken und schaute kurz auf mein Smartphone, wo ich dann aus einem Salt Lake Tribune Artikel erfuhr, dass die Kirche diesen Monat einem Bäcker in seinem Rechtsstreit vor dem Bundesverfassungsgericht der Vereinigten Staaten beigestanden war. Dieser hatte sich geweigert, einem homosexuellen Paar eine Hochzeitstorte zu backen.

Nach der wunderbaren Einführung durch Präsident Uchtdorf und Schwester Oscarson fühlte ich mich plötzlich wie in einer anderen Kirche. Mein Wunsch, weiter Generalkonferenz anzuschauen, war nun erstmal verflogen und ich zog mich zurück, um meine Gefühle und Gedanken zu verarbeiten.

Gott fordert von uns, für die Grundsätze der Nächstenliebe und die Verteidigung christlicher Grundsätze einzutreten. Außerdem werden wir ja in der Kirche belehrt, dass Fragen durchaus erwünscht sind: Daher folgen nun meine Fragen an Elder Oaks.

Fragen

  1. Wie kann eine Kirche, die sich so sehr für einen christlichen Umgang miteinander einsetzt, so abweisend mit Kindern Gottes in ihren eigenen Reihen umgehen, die sich für eine homosexuelle Ehe entscheiden?
  2. Ist unsere Kirchenführung angesichts der vielen revidierten und fehlerhaften Positionen zum Thema Homosexualität in der Vergangenheit wirklich die Instanz, die Gottes Sichtweise homosexueller Paare verkünden sollte? Wäre vielleicht angesichts eklatanter Fehleinschätzungen (die viel Schaden angerichtet haben) mehr Demut und Zurückhaltung angebracht?
  3. Sind die Grabenkämpfe gegenüber homosexuellen Paaren, z.B. der erwähnte Einsatz für einen Bäcker vor dem Bundesverfassungsgericht, die Art christlichen Engagements, die sich Jesus Christus von seiner Kirche heutzutage wünscht?

Manchmal finden Diskussionen der im Blog genannten Themen auch in unserer Facebook-Gruppe statt, zu der ich Leser herzlich einlade.

Analyse

Hier noch eine tiefergehende Analyse der Worte von Elder Oaks durch Bill Reel, ehemaliger HLT-Bischof und Betreiber der Webseite mormondiscussionpodcast.org: (Habe seine Worte  ins Deutsche übersetzt)

„Elder Oaks hat diese Woche eine Ansprache gehalten, die für mich einige Fragen aufwirft. Hier sind die Dinge, die er zu sagen schien, und meine Fragen dazu. Elder Oaks selbst hat gesagt, dass „Fragen geehrt werden“ und ich hoffe, dass auch meine Fragen ernst genommen werden. Auch Elder Ballard sagte, dass die Tage vorbei sind, wo wir einfach nur Zeugnis geben und auf Fragen und Bedenken nicht weiter eingehen. Ich hoffe also, dass meine Fragen geehrt werden. Ich hoffe auch, dass Sie für den Fall dass die Fragen nicht beantwortet werden können, in Betracht ziehen dass es etwas Ungereimtes an der von Oaks vorgeschriebenen Lehre geben könnte. Ich bin offen dafür, Elder Oaks missverstanden zu haben und ich bin offen für Evangeliums-Antworten, die von biblischen Prinzipien und Lehre getragen werden.

Mir scheint es, dass er Folgendes gelehrt hat:
1.) Es ist unsere Lehre, dass ein Mann, der mit einer Frau legal und rechtmäßig verheiratet ist, die einzig angemessene Ehe im Evangelium ist.

Frage: Wie bringen wir dieses Konzept mit der Tatsache in Einklang, dass Joseph Smith, Brigham Young, John Taylor und Wilford Woodruff alle illegal und unrechtmäßig mit ihren Frauen verheiratet waren?

2.) Dass die Ehe seit Tausenden von Jahren zwischen einem Mann und einer Frau besteht.

Frage: Wie können wir eine solche Definition ernst nehmen, wenn die Kirche selbst die traditionelle Definition der Ehe gebrochen hat, aber die Menschen anweist, in die Polygamie einzutreten und so weit zu gehen, dass man nur dann zum Heil gelangt, wenn man der Welt und ihren Gesetzen ungehorsam ist und in die Polygamie eintritt?

3.) Elder Oaks schien als Lehre vorzuschreiben, dass das Geschlecht ewig ist.

Wie erklären wir intersexuelle Individuen, welche sowohl männliche als auch weibliche  Genitalien haben, wie erklären wir das Androgen-Sensitivitäts-Syndrom […] War eine Intersex-Person gleichzeitig männlich und weiblich im vorsterblichen Leben? Haben sie dann beide Genitalien im Leben nach dem Tod? Wird ein XY-Chromosom-Mann, der sich als Frau präsentiert, im Jenseits ein Mann oder eine Frau sein?

4.) Elder Oaks schien die Familien-Proklamation als Lehre vorzuschreiben, an der die Treue eines späteren Heiligen gemessen wird.

[…] Ein Heiliger des Letzten Tages kann nicht an jeder Aussage eines Kirchenführers gemessen werden, noch kann eine Person irgendeine Lehre als Test für ihre Glaubenstreue vorgeschrieben werden, ohne dass diese Lehre zur gemeinsamen Zustimmung vorgelegt wird. Zum Beispiel steht im Handbuch für Studenten der Lehre und Bündnisse:“ Nicht nur werden die Amtsträger der Kirche einvernehmlich unterstützt, sondern dasselbe Prinzip gilt auch für die Annahme neuer Richtinien, wichtige Entscheidungen, die Annahme neuer Schriften und andere Dinge, die das Leben der Heiligen beeinflussen“. Die Proklamation an die Welt ist nie einvernehmlich vorgelegt worden, noch wurde sie heilig gesprochen. Keine Lehre, die nicht durch kanonisierte und akzeptierte Schrift bestätigt wird, kann als absoluter Maßstab für Glaubenstreue gelten. Beachten Sie, dass die Kirche selbst erst vor einigen Jahren diese Art von Interpretation in Bezug auf die Familienproklamation verhindert hat und sogar die Worte eines Kirchenführers änderte, um einer solchen Deutung vorzubeugen.

Im Oktober 2010 erklärte Präsident Packer auf der Generalkonferenz:

Vor fünfzehn Jahren, als die Welt in Aufruhr geriet, gaben die Erste Präsidentschaft und das Kollegium der Zwölf Apostel „Die Familie: Eine Verkündigung an die Welt“ heraus, die fünfte Proklamation in der Geschichte der Kirche. Es qualifiziert sich nach der Definition als Offenbarung und würde gut tun, dass die Mitglieder der Gemeinde es lesen und befolgen.“

In der veröffentlichten Version heißt es nun:

Vor fünfzehn Jahren, als die Welt in Aufruhr geriet, gaben die Erste Präsidentschaft und das Kollegium der Zwölf Apostel „Die Familie: Eine Verkündigung an die Welt“ heraus, die fünfte Verkündigung in der Geschichte der Kirche. Es ist ein Leitfaden, der den Mitgliedern der Kirche nützen kann wenn sie ihn befolgen.“

Denken Sie auch daran: „Alles, was wir in dieser Kirche lehren, sollte in den Schriften festgeschrieben sein. Es sollte in der Heiligen Schrift stehen. Wir sollten unsere Texte aus den Schriften auswählen. Wenn wir die Wahrheit messen wollen, sollten wir sie an den vier Standardwerken messen, unabhängig davon, wer sie schreibt. Wenn es nicht in den Standardwerken ist, können wir wohl davon ausgehen, dass es sich um Spekulation handelt, um die persönliche Meinung des Menschen; und wenn sie dem widerspricht, was in den Schriften steht, ist es nicht wahr. Dies ist der Maßstab, an dem wir die ganze Wahrheit messen („Mit den Schriften in unseren Gemeindeaufträgen,“Improvement Era, Jan. 1969,13“).

Betrachten Sie auch: „In der Kirche bezieht sich der Kanon auf die maßgebliche Sammlung heiliger Bibelbücher, bekannt als Standardwerke, die von der Kirche formal angenommen und angenommen und als verbindlich für die Mitglieder angesehen werden.“

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A. Glumann
A. Glumann
5 Jahre her

Ich teile die Meinung, dass man gleichgeschlechtliche Verbindungen nicht mit einer Ehe gleichsetzen sollte. Es ist eine Privatangelegenheit der Beteiligten mit wenig gesellschaftlicher Relevanz. Das sieht bei einer Ehe, aus der Kinder hervorgehen können, schon anders aus.
Auch sollte man einem selbständigen Handwerker nicht vorschreiben, welche ARbeiten er annehmen muss. Wenn er sich dies Geschäft entgehen ließ, aus welchen Gründen auch immer, sollte dies sein gutes REcht sein.
Bei der Frage der ewigen Gültigkeit des jeweiligen GEschlechts wirft die Existenz von Zwittern allerdings echte Probleme auf, vor deren Beantwortung sich die Kirche bisher gedrückt hat. Sie zieht es vor, von diesem Phänomen nichts zu wissen. Das ist intellektuell schon unehrlich