Viele Eltern in der Kirche, die täglich darum kämpfen, ihren vergleichsweise selbstbewussten „Millenial-Nachwuchs“ zu erziehen, finden den Fokus auf Gehorsam, der den Kindern in der PV vermittelt wird, intuitiv hilfreich und erleichternd.
Auch ich bin Papa und wünsche mir, dass unsere Kinder auch einfach mal vertrauen, dass es gut und richtig ist wenn wir sagen: Mach jetzt bitte Deine Hausaufgaben fertig, du bist dran mit Küche aufräumen, bitte lern vor dem Zocken erst Dein Klavier, etc.
Und dennoch fühlt es sich für mich kurz gegriffen an, wenn wir den Kindern in der PV vermitteln, dass Jesus immer gehorsam, nett und freundlich war. Dieses Bild von Jesus ist eine Bubble, die bei genauerem Hinsehen zerplatzen wird und später im Erwachsenenalter den unangenehmen Eindruck religiösen Brainwashings hinterlassen kann, insbesondere weil wir dieses Prinzip kirchenkulturell ja nicht nur für Gehorsam ggü. den Eltern oder Gehorsam ggü. „Gott“ verwenden, sondern in der Folge auch sehr stark auf Gehorsam ggü. dem Propheten, dem Bischof und der institutionellen Autorität ummmünzen.
Jesus wurde aber nicht gekreuzigt, weil er immer lieb, freundlich und gehorsam war. Er wurde gekreuzigt, weil er in manchen Situationen – z.B. bei religiös-institutionellem Machtmissbrauch – vor allem mutig, unangepasst und rebellisch war.
Ich glaube nicht, dass Rebellion und Unangepasstheit der Fokus von „Erziehung“ sein sollte, und fühle die Relevanz des biblischen Wortes „Du sollst Mutter und Vater ehren, damit Du lange lebest“ aber bin überzeugt: manche von uns treiben diese Gehorsams-Sache zu weit und verlieren das Endziel aus dem Auge: Dass Kinder irgendwann dahin kommen, auf ihre eigene innere Autorität vertrauen zu lernen und nicht mehr von externer Kirchenautorität abhängig sind.
Was sich dann aktuell wie Erleichterung bei der Erziehungsarbeit anfühlt, kann uns später um die Ohren fliegen wenn einige Kinder sich zunehmend vom ihnen vermittelten Glauben entfremdet fühlen, oder – was wohl noch schlimmer ist: von ihren „religiösen“ Eltern. Leider beobachte ich nicht gerade selten.
Gibt es weitere Gedanken oder eigene Erfahrungen dazu?
Idealerweise folgt man Regeln, weil man versteht, warum sie gut sind. Noch idealer ist es, wenn Regeln ueberfluessig werden, weil man ohne zu denken das Richtige tut. Ich glaube, dass es viele Menschen gibt, fuer die Regeln wichtig sind. – Als Orientierungshilfe, sozusagen. Andere Menschen wiederum, muessen ausprobieren was gut und falsch ist und Erfahrungswerte sammeln. Von den Propheten selbst kam die Ansage, nicht zu glauben, was sie uns erzaehlen, sondern eigenstaendig zu erkennen und zu erfahren, was davon wahr ist. Ich bin kein Vater, aber waere ich einer, wuerde ich versuchen meinen Kindern beizubringen alle Regeln stets zu hinterfragen.
Ich finde diese Gehorsam- Sache verstörend. Bei Kindern und bei Erwachsenen. Dass zb der Prophet ( mit oder ohne Anführungszeichen) sooft den Gehorsam als eine der wichtigsten Tugenden einfordert irritiert mich und hinterlässt bei mir ein Sekten- Gefühl
Ah, genau mein Thema! »wir treiben diese Gehorsams-Sache häufig zu weit und verlieren das Endziel aus dem Auge: Dass Kinder irgendwann dahin kommen, auf ihre eigene innere Autorität vertrauen zu lernen.« Dem würde ich mich anschließen. Aber: Diese Debatte ist sehr heikel und man ist sich spätestens seit den 68ern sehr uneinig darüber, was eine ›gute‹ Erziehung ist. Bei der Diskussion merkt man, wie sehr Vorstellungen von Erziehung einem Konservativismus anhängen – das lese ich mitunter auch aus deinen Überlegungen heraus, Guido – das soll kein Vorwurf sein, es liegt in der Sache selbst begründet. Wir, die ›ältere‹ Generation, haben ein berechtigtes Interesse daran, dass die ›jüngere‹ Generation nicht alles umschmeißt, was schon da ist an Konventionen, Normen, etc. Gleichzeitig kann es aber auch nicht in unserem gemeinsamen Interesse liegen, dass alles so bleibt wie es sowieso schon ist, denn die Welt, in der wir leben, ist alles andere als ›richtig‹ eingerichtet. Adorno hat das so treffend auf den Punkt gebracht, wenn er in seiner Minima Moralia sagt: »Es gibt kein richtiges Leben im falschen.« Je früher man sich von der Vorstellung eines »richtig« und eines »richtigen Lebens« verabschiedet, desto besser – vor allem für die Kinder. Die muss man dann nämlich nicht mehr abrichten und auf irgendein »Endziel« einschwören (sehr unglückliche Formulierung im übrigen , und was soll das denn überhaupt sein?). Kant hat das sehr schön formuliert in seinen Vorlesungen über Pädagogik, wenn er fragt: »Wie kultiviere ich die Freiheit bei dem Zwange?« Paulo Freire, ein brasilianischer Pädagoge, hat Erziehung… Weiterlesen »
Ich bin ein grosser Fan davon dass Kinder lernen selbst zu Denken und zu Hinterfragen. An der blinden Gehorsamkeit die in der Kirche gelehrt wird sind meine Kinder „gescheitert“. Sie haben Hinterfragt. Und das nicht nur einmal. Das Endresultat war der Austritt.
A.M.E.N zu
„(…) auf die eigene innere Autorität vertrauen zu lernen“.
Dafür braucht es Eltern, die ihren Kindern dies zugestehen.
Meine Kinder haben es durch „Rebellion“ ggb. den Kirchenregeln eingefordert. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar, denn ich kann mich nun auch wieder mit meiner eigenen Autorität verbinden.