Welchen Einfluss die Polygamie-Lehre immer noch hat: Ein Erlebnisbericht

Erfahrungsbericht aus der Community (Alle Namen geändert)

Für alle die denken, dass die Polygamie und entsprechende Interpretationen in Leitfäden etc. uns und unser Denken hier im deutschsprachigen Raum wenig betreffen und beeinflussen. Und dass es hier niemandem schadet: Eine leider zu 100 % wahre und authentische Polygamie – Story aus Norddeutschland, die mir selbst widerfahren ist, und die hier vor Jahren mal Thema war. Aus nachvollziehbaren Gründen erzähle ich sie anonym und habe alle Namen geändert.

Ich traf vor ca. 7 Jahren eine Frau (hier: Sandra), die wie ich aktives Mitglied der HLT-Kirche war und alleinerziehend mit mehreren Kindern lebte. Wir lernten uns nach HLT-Standards näher kennen – das war einige Jahre nach ihrer und meiner Scheidung. Ihr Ex-Mann, (hier: Paul) der ironischerweise selbst bereits eine neue Freundin hatte und auch unverheiratet bereits bei dieser lebte, wollte meiner damaligen Freundin neue Bekanntschaften wohl nicht gönnen und machte ihr das Leben regelmäßig schwer. Sie wurde von ihm – und dem amtierenden Pfahlpräsidenten – öfter mit problematischen, kontrollierenden Aussagen konfrontiert. Auch ich erhielt von diesem Ex – weil er mich übers Netz ausfindig machte – dann irgendwann E-Mails, bei denen ich fast einen Schock bekam. Ein weiteres Crazy Fact dieser Geschichte ist, dass besagter Sandra in einem Segen des Zweigpräsidenten dringlich dazu geraten wurde, Paul zu heiraten. Ganz nebenbei war dieser Zweigpräsident gut mit Paul befreundet.

Ich fragte mich schon damals: Was passiert hier eigentlich? Was geht hier ab? Und das obwohl ich die Kirche noch für „wahr“ hielt und Joseph Smith für den inspirierten Propheten. Es geht mir nicht darum, ihren Ex-Mann einseitig schlecht zu reden oder zu verteufeln, denn ich erfuhr: er hatte eine SEHR schwere Kindheit. Und das war unter Anderem sicher ein Grund für sein extrem herabwürdigendes, kontrollierendes Verhalten, wie ich annehmen muss. Ich zitiere seine Mails an mich hier dennoch, weil ich aufzeigen will, zu was es führt, dass wir uns immer noch nicht endgültig von der Polygamie distanziert haben. In unseren Leitfäden deuten wir immer noch an, dass der Prophet die Polygamie jederzeit wieder einführen könnte. Zitat aus dem Lehrerleitfaden: „Die Mehrehe ist verboten, es sei denn der Herr gebietet sie durch seinen Propheten.“ („Lehre und Bündnisse und Geschichte der Kirche“ Lehrerleitfaden, S. 225)

Die Kirche hätte die Aufgabe gehabt, meine damalige Freunden zu beschützen. Sie hätte das obsessiv-kompulsive Verhalten des Mannes verurteilen müssen. Der Täter hätte eingeladen werden müssen, eine Therapie aufzusuchen. Stattdessen bekam er den Eindruck, eine Art göttlichen Stempel zu haben: zur Ausübung kontrollierender Anmassungen, Zwänge und Belästigungen.

Was mich an der unten stehenden Geschichte auch noch besonders schockiert hat war, dass zusätzlich zum Zweifpräsidenten auch noch der Pfahlpräsident sich mit vor den Zug spannen ließ und das krankhafte Kontrollverhalten des Ex-Mannes unterstützte. Diese Kontrolle führte zeitweise so weit, dass auch der Gesundheitszustand meiner Freundin sich extrem verschlechterte und sie nicht nur emotional, sondern auch körperlich beeinträchtigt wurde.


+++MAIL BEGINN+++
Hallo, wir kennen uns nicht und doch muß ich Dich jetzt anschreiben. Ich habe einiges über Dich auf Portalen (Xing etc.) gelesen und denke das Gott Dir wichtig ist, deswegen möchte ich Dir die Worte des Höchsten ans Herz legen:

1. Korinther 7:10-11
Den Verheirateten gebiete nicht ich sondern der Herr: Die Frau soll sich vom Mann nicht trennen. Wenn sie sich aber trennt, so bleibe sie unverheiratet .

1. Korinther 7:39
Eine Frau ist gebunden, solange ihr Mann lebt; wenn aber der Mann gestorben ist, ist sie frei zu heiraten, wen sie will; nur geschehe es im Herrn. Vor den Augen meiner Kinder; Du gehörst da nicht hin! Es geht nicht um Sandra, die überlasse ich LuB 132:26.
[Eingefügte Anmerkung: dort in LuB 132:26 steht „Sie werden im Fleisch zerschlagen werden und werden bis zum Tag der Erlösung den Schlägen des Satans ausgeliefert sein, spricht der Herr, Gott.“]

Desweiteren hat der Herr gesagt, was Gott verbunden hat soll der Mensch nicht trennen. Und weiter wenn Du eine geschiedene heiratest, ist das Ehebruch. Das sind die Worte die der Herr gesprochen hat und er hat sie sehr ernst meinte. Für meine Töchter würde ich mir nie einen anderen Vater wünschen, deswegen lass sie bitte in Ruhe. Oder gib sie mir und nimm Sandra. Wir haben uns weltlich scheiden lassen, aber die Sieglung aufzuheben wird ohne Ehebruch in so einen Fall sehr schwer. Ich schreibe Dir das als Hohepriester und Bruder in Israel, dem Bundesvolk des Höchsten. Ich bete daß der Herr bei Dir ist, wenn Du dies liest. Du hast Sandra sehr lieb, nehme ich an, das habe ich auch. Wenn ich Unrecht getan hätte, dann würde ich mich sehr freuen für Euch und alles wäre Recht. Ich würde gerne mehr über Dich und deine Geschichte erfahren.

Der Prophet Joseph Smith hat gesagt:
„Ich war mit mehreren von den Zwölf anwesend und hielt eine Rede, worin ich aufforderte, alles Böse abzulegen. Ich ermahnte sie, Tugend und Heiligkeit vor dem Herrn zu üben; ich sagte ihnen, die Kirche habe von mir niemals eine Genehmigung bekommen, Unzucht, Ehebruch oder sonst etwas Verwerfliches zu begehen. Wenn jemand Ehebruch begeht, kann er das celestiale Reich Gottes nicht ererben. Er mag in einem der anderen Reiche errettet werden, aber es kann nicht das celestiale sein. Ich war der Meinung, die vielen bekanntgewordenen Beispiele –John C. Bennett und andere hätten hinreichend bewiesen, wie falsch ein solches Verhalten ist. (Documentary History of the Chruch, VI:81)

Markus 10:9-12
Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen.
Zu Hause befragten ihn die Jünger noch einmal darüber.
Er antwortete ihnen: Wer seine Frau aus der Ehe entlässt und eine andere heiratet, begeht ihr gegenüber Ehebruch. Auch ein Frau begeht Ehebruch, wenn sie ihren Mann aus der Ehe entlässt und einen anderen heiratet.

Lukas 16:18
Wer seine Frau aus der Ehe entlässt und eine andere heiratet, begeht Ehebruch; auch wer eine Frau heiratet, die von ihrem Mann aus der Ehe entlassen worden ist, begeht Ehebruch.

P.S. Wir gehören zu Israel und sind auch Polygamisten. Suche Dir eine rechtschaffene Frau. Der Herr wird sie Dir zeigen, wenn Du ihn bittest.

Herzliche Grüsse,
Paul

+++MAIL ENDE+++

Ein paar Tage später bekam ich noch eine Mail von besagtem „Paul“. Darin zitierte er eine Mail des Pfahlpräsidenten, die wie schon angedeutet klar macht: der Pfahlpräsident war mit auf den Zug aufgesprungen, anstatt ihr zu helfen sich aus den Fängen dieses Wahnsinns zu befreien. Er übte weiteren Druck auf meine Freundin aus, dass eine Scheidung nicht gerechtfertigt gewesen wäre.

+++MAIL BEGINN+++

Warum fehlt Dir der Mut mit mir zu reden? Jesus ist keiner Diskussion der Pharisäer aus den Weg gegangen. Er hatte Mut. Du aber nimm Dir ein Beispiel an IHM und stell Dich der Diskussion. Du kennst ihre Seite aber nicht meine. Ich verstehe nicht wie man sagen kann, die Worte der Apostel ersetzen die des Herrn und Scheidung ist gerechtfertigt. Wenn ein Apostel soetwas sagt, stellt er sich gegen seinen Gott. Paulus hat gesagt nicht ich sondern der Herr gebietet! Kein Apostel hat das Recht es besser zu wissen als Jesus und wird es auch nie. Wenn jemand mehr oder wenig lehrt, ist es nicht seine Lehre. Lass sie bitte los! Hier ein Brief des Pfahlpräsidenten an Sandra: (Kannst IHN gerne anrufen.)

Subject: Richtigstellung der Awaltsaussage

Liebe Sandra, bitte sorgen Sie für die Klarstellung der Aussage in Abschnitt 6, in der Ihr Anwalt schreibt: „Selbstverständlich sieht auch die Lehre der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage eine Scheidung dann vor,……. „

Hier handelt es sich nicht um eine Lehre der Kirche – die Entscheidung zu einer Scheidung ist immer die eigene und freie Entscheidung der Person, die sich scheiden lassen möchte und kann sich niemals auf die Lehre der Kirche stützen, da die Kirche niemals zur Scheidung raten würde.Sicherlich hat Präsident Faust ( ich kann nicht behaupten, dass er es war, aber ich denke mich zu erinnern ) sinngemäß in einer seiner Ansprachen gesagt. „Es mag einige wenige Gründe geben, die eine Scheidung rechtfertigen könnten, darüber wird aber eines Tages an anderer Stelle entschieden, ob diese Gründe ausreichend waren.“Die Kirche bietet Hilfe zum Erhalt der Ehe und Familie an. Die Priestertumsführer raten einem Mitglied nicht zur Scheidung, lediglich können sie helfen, mit den Folgen der Entscheidung zurechtzukommen. Bitte lesen Sie dazu auch die Ansprache von Elder Oaks Mai 2007 „Scheidung“. Ich werde niemals Druck ausüben, möchte aber sehr deutlich machen, dass die Kirche, der Bischof und auch ich nicht durch solche Behauptungen oder Aussagen in Verruf geraten dürfen. Hier ist nun das Bild entstanden, dass wir Sie in Ihren Scheidungsabsichten unterstützen. Wird die Lehre der Kirche weiterhin in den Schreiben der Anwälte ausgelegt, werde ich grundsätzlich diese Schreiben, zur Klärung, an die Rechtsabteilung weiterleiten müssen.

Mit lieben Grüßen
<<Name des Pfahlpräsidenten>>

Lass uns reden.

Liebe Grüsse, Paul

+++MAIL ENDE+++

Mir liefen beim Lesen kalte Schauer den Rücken hinunter…und ich rufe jeden auf, der eine ähnliche Erfahrung gemacht hat, diese -gerne durch die Mithilfe – an die Öffentlichkeit zu bringen, damit hier mehr aufgeklärt werden kann. Dazu bitte eine Email an [email protected]. Eine Polygamie- oder LuB 132 Erfahrung gerne auch hier als Kommentar posten.

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Jenni
Jenni
2 Jahre her

Hilfe, da würde ich auch krank, wenn ich mit so kranken Ansichten zu tun hätte. Ich bin wieder mal schockiert…. Unfassbar….Sorry aber das bestätigt mich schon wieder, wie glücklich wir sein können, diesem Unsinn entkommen zu sein.

T.Sch.
T.Sch.
2 Jahre her

Was soll man da noch sagen? Das ist krank! Einfach nur krank! Und der Pfahlpräsident? Hat der sich eigentlich mal die Mühe gemacht, die Ansicht/Version/Gründe der Frau in Erfahrung zu bringen? Die Briefe und E-Mails zeigen eher auf, dass er sich die Mühe nicht gemacht hat….Krank!

Guido
Guido
2 Jahre her
Reply to  T.Sch.

der pfahlpräsident und der bischof waren mit dem „täter“ befreundet…ich glaube es passiert nicht grad selten.
es ist auch noch so dass der bischof viele jahre zuvor dieser schwester einen segen gegeben hatte und ihr darin unmissverständlich sagte, sie solle diesen mann heiraten. Vorher war sie sich nämlich (wohl aus gutem Grund) völlig unsicher, ob sie das will. Dann dachte sie wenn Gott mir das auf diese Weise sagt, muss ich es wohl tun.

anonym-HTL
anonym-HTL
2 Jahre her

DS sind Fehler von Menschen und hat mit der Kirche nichts zu tun.

Guido
Guido
2 Jahre her
Reply to  anonym-HTL

wenn das gar nichts mit der Kirche zu tun hat….
…. warum laufen mir beim Lesen der Mails exakt die gleichartigen Schauer den Rücken runter wie beim Lesen von LuB 132?
…warum zitiert der Bruder LuB 132?
…warum mischt sogar der Pfahlpräsident als offizieller Vorsteher der Kircheneinheit mit, um die obsessiv-kompulsiv-kranke Kontrollmasche zu stützen, und der Frau einzureden, sie würde hier irgendwelche Gebote brechen, wenn sie sich aus der für sie höchst toxischen und sogar gefährlichen Lage befreien will? Allein aus diesen Emails wird doch ziemlich klar: Sie hätte diesem Mann schon längst den Laufpass geben sollen und nicht erst als ihr Körper ihr die unmissverständlichsten Signale gab, die möglich waren.
Ich gebe Dir insoweit recht (und habe auch bereits erwähnt) dass der Bruder eine schwere Kindheit hatte und ohne die Kirche seinen Kontrollzwang vermutlich anders ausleben würde. Aber die LuB 132 Denkweisen, von denen wir uns offiziell als Kirche nicht distanzieren, bestärken Menschen die so drauf sind wie dieser Bruder nicht darin, sich eine Therapie zu suchen, sondern wir liefern ihnen Gründe zu denken, sie seien damit auf dem richtigen gottgewollten Weg.
Ganz abgesehen von dem Schaden, der dieser Frau zu gefügt wurde. Hundertausende Frauen leiden ausserdem passiv mit, weil sie spüren dass es in ihrer Kirche doch nicht so ganz vom Tisch ist diese ziemlich krank Joseph Smith Variante der Polygamie.

Thomas
Thomas
2 Jahre her

Polygamie in der Kirche ist der wahrgewordene „feuchte Traum“ einiger Männer. Ich hab da vor Jahren Diskussionen unter Schwestern miterlebt wo Sie sich glücklich gaben weil es das ja eben in Deutschland nicht gäbe. Wenn man genauer fotscht wie JS das ausgelebt hat dann kann es kein göttliches Gebot sein.

Anonymus
Anonymus
2 Jahre her
Reply to  Thomas

J.S. hat die Einfältigkeit der Mormonenfrauen ausgenutzt. Was ist daran ausserordentlich? Einfach nur schlau, wie er die Polygamie als neuzeitliche Offenbarung verkaufte. Männer wie Frauen nutzten schon immer ihre Chancen und werden es auch künftig tun. Natürlich ist es nicht in Ordnung Gott vorzuschieben zwecks Wahrnehmung eigener Interessen, aber das ist nun mal das Konzept der Kirche.