Ein Kommentar von Guido Müller
Ich find’s weder schlimm noch verachtenswert, für andere Menschen in Not zu beten und wenn mir jemand in einer schwierigen Lage sagt, sie/er würde für mich beten wollen, dann bedanke ich mich höflich im Respekt für das, was es dieser Person bedeutet. Dennoch finde ich, sollte man beim Beten etwas differenzieren.
DIE EINE SEITE
Für jemanden beten, das bedeutet auch immer, an diese Person zu denken…und das ist was Positives. Beten, das heisst hoffentlich für die meisten auch, sich Gedanken zu machen, was man für einen Menschen tun kann. Und es kann auch heißen, sich mit einer höheren und feineren Liebe und Intelligenz verbinden zu wollen. Und die eigenen Gedanken, Handlungen und Ziele damit in Einklang zu bringen. Ich bin total dabei, dass da viel Gutes drin steckt. Und vielleicht wollen Menschen auch einfach an einer Hoffnung und einer Sehnsucht festhalten und gute Wünsche zum Ausdruck bringen….alles top…alles gut! Bin jetzt persönlich nicht so derjenige, der tatsächlich glaubt, den russischen Panzern ginge durch die Gebete der Kraftstoff aus. Oder die Zielsysteme der Raketen versagen dadurch auf magische Weise und landen im Acker statt in der bewohnten Siedlung, wie ich heute gelesen habe. Aber insgesamt habe ich gegen Beten nicht so viel einzuwenden.
DIE ANDERE SEITE
Dennoch hab ich ein Gefühl im Bauch dass Beten auch heißen kann, Verantwortung abzugeben und sich aus der Affäre zu ziehen. Und wenn ich mir das Statement der Ersten Präsidentschaft ansehe, die früher mal gesagt haben, lediglich 0,4 % der jährlichen Vergrößerung ihres Dagobert Duck Tresors pro Jahr für alle humanitären Aktionen zu spenden, aber sich nun primär darauf beschränken, für die Menschen in der Ukraine zu beten, dann ist das für mich ein PR-Gau und hat etwas von toxischer Unverantwortlichkeit.
HINTERGRUNDWISSEN Die Kirche hat sich vor ein paar Jahren mal damit geschmückt, schon seit 30 Jahren ca. 40 Mio pro Jahr für humanitäre und mildtätige Zwecke zu geben. Auf ein Jahr gerechnet würde das bedeuten: 7 Milliarden steuerfreie Zinsgewinne aus dem Ensign Peak Fond + ca. 7 Milliarden Einnahmen aus Zehnten und Spenden = ca. 14 Milliarden jährliche Einnahmen (das sind 14000 Millionen Dollar, ein unfassbarer Betrag) laufende feste Ausgaben jährlich: ca. 5 Milliarden Dollar habe ich mal gelesen. Es bleibt ein Überschuss von 9 Milliarden jährlich, Tendenz steigend. Von diesem Überschuss werden 40 Mio gespendet. Wie viel Prozent sind das? Das wären dann ca. 0,4 Prozent, die die Kirche spendet. Zum Vergleich: Falls ich pro Jahr 10000 Euro zur Seite legen könnte, würde das einer jährlichen Spende von 40 Euro entsprechen.Dafür dass es die reichste Kirchenorganisation der Welt (noch vor der katholischen Kirche) ist, kann uns das nicht besonders stolz machen.
Man sollte auch nicht unterschätzen, dass dieses Verhalten Vorbildwirkung hat. Klar, unzählige HLT helfen…auch ich….aber wie viele lassen sich unterschwellig von der „Dagobert-Betet-Mentalität“ beeinflussen und belassen es bei ein paar Bestellungen beim himmlischen Hilfs-Sheriff und ein paar symbolischen Spenden?
Wer so viele Möglichkeiten hätte und primär betet, macht es sich womöglich zu leicht
Wer auf 130 Milliarden Dollar für den Rainy Day sitzt, und dann in so einer Krise primär beten will, der WILL womöglich nicht wirklich helfen, sondern irgendwas anderes… Der gibt Verantwortung an ein ersehntes allmächtiges Wesen ab, ohne die eigenen Möglichkeiten auszuschöpfen. Der macht es sich zu leicht.
Wenn beten heisst, Verantwortung abzugeben, und nicht mehr zu überlegen, was man selbst auch in der realen Welt noch tun kann, dann lieber nicht beten und bitte diese Art des Betens auch nicht an die große Glocke hängen.
Es sind tatsächlich die zwei Seiten. Ich persönlich habe gesehen und erlebt, wie aufrichtige Gebete etwas bewegt haben und „Wunder passiert sind“. Ich erlebe auch gerade, wie viele Menschen, die eigentlich keine Beziehung zu Jesus oder Gott haben auf mich zukommen und fragen, wie kann ich für diese Menschen beten oder kannst du mit mir ein Gebet für die Menschen sprechen? Weil sie das Gefühl haben, dass alles materielle nicht die Not mildern kann und oft auch selbst getriggert sind. Selbiges habe ich auch im Ahrtal und in der Eifel während der Fluthilfe erlebt, dass Menschen in dieser Zeit und unter traumatisierenden Eindrücken eine „höhere Macht“ suchen, die all das nehmen könnte, weil ihre Seelen nicht verstehen können, was die Augen sehen müssen. Und ich denke, dass diese Menschen auch aufrichtige Motive haben. Auf der anderen Seite ist Gebet eben auch immer ein Stück weit die Verantwortung in Gottes Hand zu legen. Zu glauben und zu hoffen, dass er so etwas nicht zulassen wird und dem ein Ende setzen kann. Egal, welche Belastungen wir vor ihn bringen. Und da bleibt dann im Anschluß auch oft die Frage warum lässt Gott Leid zu. Auch bei glaubensfesten Geschwistern über alle Konfessionen hinweg. Wir können sollen und dürfen diese Sache auch in seine Hände geben, und trotzdem weiterhin unseren Teil dazu beitragen, dass die Situation aushaltbar wird. Ich mag da das Zitat von Uchtdorf und ich zitiere nicht oft GAs aber er ist einer der wenigen, die ich völlig respektiere, er sagte mal:… Weiterlesen »
Solange Beten nicht über praktische Hilfe hinwegtröstet soll jeder seine Form der empatischen Anteilnahme haben. Leider kam insbesondere aus religiösen Kreisen politisch selten gute Sachen hervor.
Du triffst den Nagel auf den Kopf! Die Konfliktforschung ist im Zusammenhang mit der Eskalation in der Ukraine wieder in aller Munde. Es gilt Konflikte zu vermeiden, zu beschränken oder zu eliminieren. Ein Massnahmenpunkt stellt der Abbau religiöser oder staatsphilosophischer Absolutheitsansprüche dar.
Der Absolutheitsanspruch von den wenigen Religionen, die diesen noch haben, ist zu hinterfragen. Die absolute Wahrheit ist allein bei Gott. Es braucht die Bereitschaft dieser Kirchen sich zu korrigieren, sonst gibt es ein Problem mit dem Frieden.
Für die HLT wäre die dringend notwendige Aufgabe des Absolutheitsanspruch ein wahres Dilemma, denn es handelt sich beim Absolutheitsanspruch um den absoluten Kerngehalt der HLT-Kirche. Ein Abwenden vom Absolutheitsanspruch würde die ganze Dogmatik der HLT in ihren Grundfesten erschüttern.
Ich sehe es tatsächlich genau so wie du! „Ich bete für dich!“ kann auch ein Satz sein der sich verletzend anfühlt, weil man eigentlich echte Hilfe gebraucht hätte…
Und die Menschen in der Ukraine brauchen jetzt echte Unterstützung. Die Kirche hätte definitiv die Möglichkeit dazu! Ich denke das grade für solche humanitären Zwecke die Mitglieder auch ihren Zehnten zahlen und es sehr viele begrüßen würden.
ja genau das hab ich hin und wieder in den treffen oder austauschgruppen gehört…und das ist auch verständlich denke ich….man sollte nicht davon ausgehen dass es immer das richtige ist, jemandem eine „ich bete für dich“ Ankündigung zu machen…und ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass einige Menschen in der Ukraine sich genau so fühlen wie von dir beschrieben, wenn sie die ganzen Gebetsbekundungen in den sozialen Medien lesen ..
Die Veräusserung von Wertschriften ist im jetzigen Zeitpunkt sehr ungünstig. Ein anderes Mal vielleicht wieder. 🤭