Zwischen Empowerment und Gehorsam: Persönlichkeitsentfaltung im Mormonismus

Von Guido Müller

Ich habe mich in den letzten Tagen und Wochen mit gefühlt mindestens 10 unterschiedlichen Coaches und Schulen für integrale Selbstverwirklichung und „Entfaltung“ beschäftigt. Diejenigen Ideen da draußen, die mich am meisten ansprechen sind von denen, die glauben und vermitteln, dass jeder Mensch einen göttlichen Kern hat, ein powervolles oder liebevolles inneres „Genie“, dem man Freiheit geben muss, herauszukommen. Es gibt im deutschsprachigen Raum erstaunlich viele, die das ebenfalls glauben… das war ein bisschen ein Flashback zum früheren Glauben. Die Überschneidung war spannend, aber natürlich gibt es Unterschiede.

Entfaltung göttlichen Potentials durch Gehorsam

Im Mormonismus hatte ich ein genaues Bild von einer männlichen Gott-Vater-Person. Im Endowment-Film war er ja sogar der typische Gottvater mit weißem Gewand und weißem Bart. Finde ich heute weniger hilfreich, da so in die Bebilderung zu gehen und es widerspricht auch einem der 10 Gebote, dass man sich von Gott kein Abbild machen soll.

Der Mormonismus vermittelt Entfaltung von göttlichem Potenzial insbesondere durch Gehorsam gegenüber bestimmten Geboten und Weisungen, zuerst niedrigere Weisungen, später die „höheren“. Für viele funktioniert das , für manche nur eine Weile, bis sie da an „die Decke“ stoßen. Aber grundsätzlich gibt es Überschneidungen. Das was der Mormonismus da vermittelt an göttlichem, empowernden Selbstbild ist nicht nur schlecht.

Heute glaube ich, dass Liebe und göttliches Potenzial eigentlich bei jedem Menschen fließen würden, wenn wir diesem Fluss nicht so viele Hindernisse in den Weg stellen. Schon bei Kindern fangen wir an, sie in unsere eigenen äußeren Formen zu pressen, von denen wir meinen, dass es so einfach sein müsse. Das grenzt teilweise schon an seelische Nötigung/Misshandlung, aber leider halten wir viele Aspekte dieser „Erziehung“ für normal. Die Kirche ist nur bedingt korrektiv. Einige ungesunde Tendenzen verstärkt sie sogar.

Den Blick nach innen richten anstatt nach außen

Ich sehe meine langfristige Aufgabe nicht mehr darin Gehorsam gegenüber externen Anweisungen herzustellen, sondern in der Schärfung unserer Wahrnehmung, sodass wir den Ruf unserer Seele tief drin hören lernen. Dass wir eine eigene Vision unseres Lebens in verschiedenen Bereichen entwickeln, nicht eine von außen vorgegebene. Und dann den Mut und das Selbstbewusstsein zu entwickeln, aber auch die Selbst-Disziplin, dieser Vision zu folgen. Uns „dehnen“ zu lassen, wie das Universum sich eben auch ständig „dehnt“ bzw. „erweitert“. Wir sollten uns sehr wohl mit externen Ideen auseinandersetzen, aber primär dafür, um zu finden was uns am meisten zusagt. Zu sagen man müsse das ganze geistige Buffet der Organisation essen….da sind Brechreize vorprogrammiert.

Und der Fokus auf die externen Vorgaben, Gebote und Anweisungen kann sehr wohl eine helfende Krücke sein, um weiter zu kommen….also quasi als Entwicklungsschritt. Sobald eine Religion aber den logischen Schritt weg vom externalisierten Gehorsam sanktioniert und mit Scham belegt, fängt das riesengroße Problem an. Dann haben wir wieder ein Hindernis für die freie Entfaltung unserer Persönlichkeit und unseres göttlichen Potenzials.

Liebe Leute, no one here has to agree…das wisst Ihr ja. Wie seht Ihr das?

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M. S.
M. S.
1 Jahr her

Schön und sicher spannend sich durch all die Angebote an Gesinnungen und Persönlichkeitsbildung hindurch zu schnuppern. Dafür hätte ich sehr gerne selber die Zeit und Möglichkeit. Sicher eine Horizont erweiternde Erfahrung.
Wenn möglich gehe doch auch mal zu einer geführten Sahaja Yoga Meditation in Deiner Nähe!!

Guido Müller
Guido Müller
1 Jahr her
Reply to  M. S.

ja ist in der Tat spannend grad und sogar dem Thema Meditation stehe ich offener gegenüber als je zuvor. Weiß nicht warum ich dem gegenüber immer so innere Sperren hatte…dabei hat es in gewissen Aspekten die gleichen positiven Folgen wie die gesunden Aspekte des Betens.

L. Dremel
L. Dremel
1 Jahr her

Ich finde es schade, dass hier so wenig über das Geschenk Jesus, sein Werk und Gnade, gesprochen wird. Es kommt mir vor, als ob bei diesem Geschenk nur über die Verpackung geredet wird. Schade.