„Ziel der Mission ist nicht, Mitglieder zu gewinnen…und es gibt keinerlei Druck auf Vollzeitmissionare, Quoten zu erfüllen“: Reaktionen und Erfahrungsberichte der OF-Community

Community-Gespräch

Aus einem in Migros.ch veröffentlichten Artikel:

Reaktionen aus der gemischten OF-Community

B.G.: Haben meine Kinder so erlebt, es gab keinen Druck. Ich weiß natürlich auch, dass es leider nicht immer so läuft. Aber bei den beiden war es so. Mit insgesamt immerhin 4 Missionspräsidentenpaaren.

J.F.: Kein Druck?! Das ist jetzt ein Witz, oder?! Haben die komplett den Kontakt zur Realität verloren? Wow – ich könnte hier jetzt etliche Videos posten, wo Bednar und Sorten ganz klar Druck aufbauen! Zahlen und Taufen sind immer wichtig für MPs … mir fehlen einfach die Worte!

G.E.: Er hat ja Recht. Bekehrungen sind ja nur ein Beibrot. Es geht darum, den Missionar zu „bekehren“ und ihn fester an die Organisation zu binden. Die Zahlen der Bekehrten sind eindeutig. Es gibt kaum welche und von denen bleiben nur sehr wenige tatsächlich aktive und treue (aka zahlende) Schäfchen. Nach einem Jahr sind viele bereits inaktiv. Wenn ich mal meine Gemeinden im Umfeld als Referenz nehme, kommen von knapp 10 Getauften (ohne Kindertaufen) in den letzten 3 Jahren noch 2 mehr oder weniger regelmäßig in die Versammlung. Und der eine wurde auch erst vor 3 Monaten getauft. Hey ich hab Taufen erlebt, bei denen der Täufling nicht einmal zur Konfirmation am nächsten Tag aufgetaucht ist. 👀 Die Zahlen der RM, die aktiv bleiben und zumindest noch eine längere Zeit den Kirchenweg mit Tempelehe und Familie gründen etc., sind da deutlich besser.

J.F.: Absolut und hier in den USA haben sie mittlerweile auch ihre Probleme damit, die Jugendlichen zu motivieren, auf Mission zu gehen. Zu viele Probleme mit Mitarbeitern, Langeweile, Konfrontation mit der Kirchengeschichte … bin mal gespannt wie sie das hinbekommen! Aber selbst in den letzten GC hat der Prophet ja durchaus Druck aufgebaut, auf Mission zu gehen!

G.E.: Bei uns im gesamten Pfahl sind derzeit 3 junge Frauen auf Mission. Kein einziger Bruder. Allein bei uns in der Gemeinde wären etwa 6 Kandidaten, die gehen könnten, aber einfach keine Lust und andere Prioritäten haben und das auch klar so gesagt haben. Finde ich gut. 👍

D.G.: Kein Druck?! Wer auf Mission war kann das Gegenteil beweisen. Bei meiner Mission zählten nur Zahlen.

B.G.: Andere erleben es anders. Und du relativiert ja selber deine allgemeine Eingangsaussage im zweiten Satz. Es tut mir leid, dass du so schlechte Erfahrungen machen musstest.

T.S.: Das mit dem Druck war bei mir auch so, vor allem, als dann der Elder Texeira Gebietspräsident Europas wurde! Ab da ging es richtig ab, nur noch Zahlen! Wenn man die Vorgaben nicht erreicht hatte, sollte man auf die Knie gehen und den Herrn um Vergebung bitten und umkehren 😑!!

D.G.: Mir sagte mein Missionspräsident, ich sei kein guter Elder. Ich sollte erstmal „Christus richtig finden und kennenlernen“. Das war seine Ansicht, warum wir nicht erfolgreich waren.

R.J.: Als ich in Japan auf Mission war, haben Generalautoritäten Firesides und Versammlungen gehalten. Dort wurden dann Missionare vor allen anderen Missionaren gefragt, wie viele neue Untersucher sie in dieser Woche gefunden haben. Die Generalautorität ist komplett ausgerastet, als ein Distriktsleiter meinte, dass sie „nur“ einen gefunden haben, weil sie in der Woche krank waren. Er wurde vor allen Missionaren richtig schlecht gemacht! Wenn es nicht um Zahlen geht, wieso müssen dann wöchentlich Zahlen abgefragt werden und höhere Ziele gesetzt werden?!

T.S.: „Es kommt nur selten vor das jemand vorzeitig abbricht?“ Was zur Hö….hle? Der Satz ist entweder ohne Hintergrundwissen gesprochen worden oder die Person lügt schlicht und einfach!

S.S.: Ich hab einige abbrechen sehen.

T.S.: Ich auch. So viele, dass man bei weitem nicht mehr von „selten“ sprechen kann.

B.G.: Ich habe gerade nochmal meinen Sohn ausgequetscht. Definitiv kein Zahlendruck, hätte in seinem Gebiet (Jugoslawien und Russland) auch keinen Sinn ergeben.

S.S.: Ich hab immer gesagt, dass es nicht um die Zahlen geht, aber es geht um die Zahlen 😆!

I.M.: Auch in meiner Mission ging es um Zahlen was ich schon damals nicht toll fand. Es wäre schön wenn sich das ändern würde. Bruder Bolt macht einen Schritt nach vorne. Ich glaube ihm, dass er das wirklich so meint, wie er es sagt, weil ich ihn persönlich kenne. Eigentlich sollten wir uns über seine Aussage freuen und sie nicht belächeln. Ich will keinem auf die Füsse treten, ich kann verschiedenste Meinungen gut verstehen. Es gibt immer verschiedene Blickwinkel auf alles. Wenn Missionare seine Aussage hören – Bruder Bolt ist „immerhin“ Pfahlpräsident – können sich Ansichten und Einstellungen verändern. Ich finde seine Aussage hoffnungsvoll.

J.J.: Unsere Mission hatte anfangs „standards of excellence“, also Zahlen von neuen Untersuchern, Lektionen und Taufen, die man erreichen musste etc., um ein „exzellenter Missionar“ zu sein. Diese Zahlen waren unerreichbar hoch angesetzt (für die Schweiz) und dementsprechend hat man sich immer wie ein Versager gefühlt. Bei meiner Schwester in Leeds war es sogar noch heftiger. Da wurden eine Zeit lang nur diejenigen Missionare zu speziellen Firesides und Aktivitäten mit dem Missionspräsidenten eingeladen, die entsprechende Zahlen ablieferten! Außerdem gab es tägliche Vorgaben für die verschiedenen Indikatoren und die Missionare wurden jeden Abend von ihrem Distriktleiter gefragt, ob sie an dem vergangenen Tag „perfekt“ gewesen seien.

S.D.: Die Themen über Missionsarbeit in den gemeinsamen Klassen mag ich überhaupt nicht. Der einzelne Mensch sollte im Vordergrund stehen, ob es jetzt ein Missionar oder ein Untersucher ist. Beiden sollte Wertschätzung entgegengebracht werden, und bei beiden sollte auf die Bedürfnisse geachtet werden, die sie haben. Ich finde, die Bedürfnisse der Missionare genauso wichtig, wie die Bedürfnisse der Untersucher. Mich stört auch die Distanz zum Menschen, wenn das Thema Missionsarbeit zur Sprache kommt. Ich kann in den Themen nicht die Liebe des Herrn zum einzelnen Menschen wiederfinden. Missionsarbeit ist meiner Meinung nach ein natürlicher Prozess, wenn man Umgang mit Menschen hat. Das heißt für mich, dass ich Zeit mit Menschen verbringe, meine Interessen mit ihnen teile, und wir uns eben auch austauschen und dabei respektvoll miteinander umgehen. Ich glaube, die meisten Menschen benötigen heutzutage Zuwendung und das Gefühl geliebt zu sein. Sie brauchen nicht noch mehr Leistungsdruck. Was nutzt es wenn die Missionare in einem Monat zehn Leute taufen, und davon keiner mehr aktiv bleibt?! Dann kann man es auch gleich anders machen, und wohlwollend auf die Menschen zugehen, und dazu noch Freude an der Missionsarbeit haben! Es muss doch wirklich nicht sein, dass Missionarinnen innerhalb der Gemeinde in einen Raum verschwinden um zu weinen. Hab ich erlebt, und ich fand es sehr traurig. Hat mir sehr leid getan!

S.B.: Die gesamte Literatur (Missionary Guide & Workbook) und die Tools (yellow planner), sowie das Berichtswesen und der Tagesablauf war auf Bekehrung abgestimmt. Wer nicht genug Untersucher in der Pipeline hatte, bekam Druck. Kontaktdaten von Untersuchern wurden peinlich genau an neue Missionare übergeben. Es wurde auch immer wieder die „Wahrheit gebeugt“ (gelogen) beim Berichten an den Missionspräsidenten, um nicht schlecht dazustehen und sich nicht rechtfertigen zu müssen! (Manchmal wurden Untersucher z. B. interessierter dargestellt, als sie es waren). Gut, ich war in den 90ern auf Mission, aber der Missionary Guide von damals zeigt doch ganz deutlich, auch in den Situationsbeispielen (effective/less effective), um was es geht. Auch wenn in einem Abschnitt steht, dass Zahlen nicht wichtig seien, sondern die Seelen, so wurde das Prinzip „Obedience“ und die daraus erfolgenden „Segnungen“ immer wieder stark betont. Der Druck und die gemeinsam durch Gebet definierten Zielerfüllungen waren damals in der Mission München extrem hoch, in Frankfurt ein paar Jahre zuvor auch. Und man darf nicht vergessen, dass junge Leute, die nur einseitige Literatur lesen, leicht in einen Sog gezogen werden können und dabei eine objektive Reflexion ausschalten. Vielleicht ist es heute etwas lockerer, aber das ewige Evangelium verändert sich ja nur langsam. Würde es um innere Bekehrung gehen, würden mMn ganz andere Erlebnisse geschaffen. https://archive.org/det…/MissionaryGuide/page/n32/mode/1up

G.M.: Das Verrückte daran: Ich mag den Bruder Bolt. War nämlich einer der wenigen Kirchenführer (Pfahlpräsidenten), bei denen ich das Gefühl hatte, dass sie mir auch mal wirklich offen zugehört haben. Nunja, jeder macht sich hierzu eh‘ sein eigenes Bild. „Es geht gar nicht darum Mitglieder zu gewinnen…und es gibt keinerlei Druck auf Vollzeitmissionare“ …gut, verstanden… 😉 Wenn durch solche Medienberichte Leute ahnungslos in diese Bekehrungs-Zahlen-Maschinerie reinrutschen, hat das einfach etwas Unfaires/Lügenhaftes! Danke an alle, die ihre Wahrheiten aussprechen!!

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K.B.
K.B.
1 Jahr her

das habe ich früher anders erlebt. Als wir vom Assistenten beschuldigt wurden, dass wir an der Erkrankung des Missionspräsidenten schuld seien, da unsere Zahlen nicht genug gut seien. Dass wir nicht genug Asylanten taufen würden …. bis ich dann mal fragte, ob für Nicht-Deutsche Taufanwärter andere („tiefere“) Bedingungen gelten würden, einfach damit die Taufziele erfüllt werden können.