Community-Gespräch (Moderation: Guido Müller)
Das hier waren meine Worte letztes Jahr in meinem Interview anlässlich meines Kirchenausstiegs…das Interview entstand bereits teilweise im Januar 2022. Seither habe ich bewusst viele mormonische Kanäle und Podcasts deabonniert und war offensichtlich auch nicht mehr im Tempel.
Hat sich aus Eurer Sicht im Tempel noch mehr verändert? Wie steht Ihr zu meiner damaligen Einschätzung? Wo seht Ihr es anders? Wie war Eure Endowment-Experience?
An die bestehenden Mitglieder: Findet Ihr alles am Tempel wunderbar und gesund oder seht Ihr es selbst teilweise kritisch?
Ich treffe schon seit Jahren – auch kürzlich wieder – auf aktive HLT, die bewusst nicht mehr in den Tempel gehen, die aber dennoch Mitglied bleiben.
Hier das Zitat aus meinem Ausstiegsinterview:
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Kommen wir auf den Tempel zu sprechen. Die Mitglieder erhalten ein Empfehlungsschreiben ihres Vorstehers oder Bischofs, das ihnen den Zutritt zum Tempel gewährt. Die mormonischen Tempel haben eine besondere Bedeutung, sie sind Teil der sogenannten «Wiederherstellung des vollständigen Evangeliums».
Mission und Tempel sind eng miteinander verknüpft – und es sind meines Erachtens die beiden sektenhaftesten Erlebnisse, die man in der HLT-Kirche haben kann. Wenn man sich mit Missionaren trifft oder im Buch Mormon liest, so fühlt es sich methodistisch an, eine lebendige Art, den Glauben zu leben. Das hat mit der engen Verbindung von Joseph Smith zu den Methodisten zu tun. Das Buch Mormon greift religiöse Denkweisen und Praktiken des 19. Jahrhunderts auf. Auf Mission oder im Tempel mit den freimaurerhaften Zeremonien erleben viele Mormonen einen ganz anderen Mormonismus, sektenartig und kontrollierend, einen starken Eingriff ins Leben. In einem Erfahrungsbericht zur sogenannten Endowment-Zeremonie sagte ein Betroffener: «Es ist, als ob man den bis dato rücksichtsvollen frischvermählten Ehemann zum ersten Mal kontrollierend erlebt. Bis dahin hat er von einfacher Liebe und Glauben gesprochen, plötzlich wird er immer fordernder, droht Konsequenzen an und zwingt mich, über meine Erfahrung nicht mit Aussenstehenden reden zu dürfen.»
Wie äussert sich das konkret?
Ich kenne wirklich viele Mormonen, die bestürzt oder heulend aus dem Endowment herauskamen. Endowment ist die belehrende Zeremonie beim ersten Tempelbesuch eines erwachsenen Gläubigen. Das war für viele ein Schock. Bis 1990 waren im Endowment Drohbotschaften enthalten, zum Beispiel wenn man die Geheimnisse gegenüber Aussenstehenden preisgibt. Sie sind immer noch da, aber etwas abgeschwächt. Ich vermute, Smith formulierte das anno dazumal wohl so dramatisch, um seine Gefolgschaft an sich zu binden in einer Zeit, in der der Mormonismus noch nicht so etabliert und von Krisen gebeutelt war. Es gab laut meiner Lesart Zeiten, wo der Mormonismus gerade mal ein Dutzend Befürworter:innen hatte. Den Gläubigen, die Probleme mit dem Endowment haben, wird häufig gesagt, es werde besser, wenn man die Zeremonien einige Male wiederholt.
Geht die Kirche nicht ein Risiko ein, dass Mitglieder abspringen, wenn diese Zeremonien nicht angepasst werden?
Bezüglich Endowment gab es eine Reihe von Anpassungen, was im Grunde ein Widerspruch ist. Auf der einen Seite sagt die HLT-Kirche: Bei uns ändert sich nichts, die heiligen Handlungen und die Lehre sind wahr und waren schon immer wahr. Bereits Adam und Eva hätten Verordnungen ähnlich jenen im HLT Tempel empfangen, was auch im Endowment so dargestellt wird, nämlich dass die Anwesenden die gleichen heiligen Handlungen wie schon Adam und Eva erhalten. Auf der anderen Seite muss gerade in Bezug auf das Endowment hinter den Kulissen viel passiert sein, denn die teils noch viel heftigeren Drohbotschaften von vor den 90ern entfielen. Das Endowment ist immer noch für viele Erstteilnehmende etwas «creepy», viele empfinden psychologischen Druck, wenn sie teilnehmen.
Quelle:
Mormonen – Interview mit Guido Müller, von Susanne Schaaf, infoSekta Juni 2022
Ich hab erstmal nur geweint, fand es total komisch. Später hab ich mich auf Mission mit Texten von Kirchenmitgliedern beschäftigt, die über Freimaurer berichten, die im Zusammenhang mit den geheimen Zeichen zur Zeit König Salomos stehen. Von den damaligen Erbauern des Tempels und von den geheimen Riten der Leviten. Die HLT hat somit viel von den Freimaurern übernommen. Da fand ich dann den Tempel wieder cool, weil ich dachte, ich habe Anteil an ganz ganz uralten Riten, die es von Anbeginn der Welt gab. Als ich später mehr über Freimaurer lernte, und wissenschaftlichen Texte las, wusste ich, dass das totaler Quatsch ist. Dann bin ich mit zum Tempel um zu beten. Es ist ja das Haus des Herrn und das Haus des Gebetes! Aber erstens gibt es keine Möglichkeit irgendwo alleine zu beten. Und zweites sitzt man sich sogar im celestialen Raum gegenüber. Während der Session gehts auch nicht, da muss man ja zuhören und mitmachen und wenn man dann doch im celestialen Raum betet, wird man nach kurzer Zeit aufgefordert, den Raum für die nächsten zu verlassen! Taufen fand ich zudem immer total stressig.Ich denke die Menschen fühlen sich gut drin. Teilweise, weil sie mit Gleichgesinnten sind und um deren Würdigkeit wissen und auch, weil alle gleich angezogen sind in weiß und leise gesprochen wird. So ein Gebäude macht schon ehrfürchtig! Mir geht es im Freiburger Münster ähnlich. Da hat mal einer Orgel gespielt, da hatte ich das Gefühl, ich bin im Himmel. Und wie oben schon beschrieben, wird… Weiterlesen »
Ich muss sagen, dass ich eigentlich eine positive erste Erfahrung hatte. Natürlich fühlt sich alles ein wenig seltsam an, wenn man auf einmal Dinge machen muss und Kleidung trägt, von denen man vorher nie was gehört hatte. Meine Mutter (Danke, Mama! Gabriele) sprach mit mir immer sehr offen über den Tempel (so weit wie sie es natürlich durfte) und ich denke, das hatte mir geholfen, mich mental darauf einzustellen. Sie hatte angedeutet, dass es zuerst ein wenig seltsam sein wird, aber dass ich daran denken soll, dass diese Zeremonien und Kleidung aus Zeiten des Alten Testaments entstammen und daher etwas seltsam wirken. Jetzt im Nachhinein, nachdem ich mich mehr mit dem Thema Tempel auseinandergesetzt habe, sehe ich alles natürlich kritischer. Es ist schon seltsam, dass Joseph Smith 6 Wochen nachdem er Freimaurer wurde, die Tempelzeremonien in Nauvoo eingeführt hat, die denen der Freimaurern sehr, sehr ähneln sind: Ähnliche Kleidung mit Kopfbedeckung und Schürze, Freimaurerzeichen (die auch auf den Garments sind), Handzeichen, die gleichen Bestrafungen (die bis 1990 im Tempel gelehrt wurden). Ist schon alles irgendwie seltsam und fühlt sich eher von den Freimaurer abgeschaut, als von Gott inspiriert an. Auch finde ich es im Nachhinein krass, dass man, bis man in der Session sitzt, gar nicht weiss, was genau man Gott versprechen wird. Man wird nur am Anfang, bevor einem gesagt wird, was man verspricht, darauf hingewiesen, dass man den Raum verlassen kann. Aber ich finde, wenn man einen Vertrag/ein Bündnis macht, sollte man immer vorher wissen, was genau man… Weiterlesen »
Hi MGP: danke für den ausführlichen und emotional so nachvollziehbaren Bericht! Kann aus Zeitgründen nur auf den Punkt eingehen, wo du sagst einem wird von so vielen erzählt, dass es etwas ganz ganz Besonderes ist. Hier fand ich mich wieder:
Bei so vielen Sachen im Mormonismus, die ich im Nachhinein als manipulativ empfand, wurde mir im Vorhinein oft mehrfach gesagt, dass es etwas gaaaaaanz besonderes ist… Auch wenn manche Autoritäten eine Fireside geben und vorher fünfmal gesagt werden muss, was für ein historischer besonderer Moment diese Fireside nun sein wird, hatte ich hier rückblickend aus emotionaler Distanz die manipulativsten Momente erlebt. Als Beispiel fällt mir die vorher als „historisch“ angekündigte Europa Fireside ein. Ich glaube es war Ende 2021, als Nelsons und Bednar dann für mich ein entscheidender finaler Auslöser waren, selbst den Exit zu machen. Auch dort gab es die berühmt-berüchtigte Fragezeichen/Ausrufezeichen Analogie von Sister Nelson…
Ich finde mich hier in allen Aussagen wieder. Der erste Tempelbesuch war zu meiner Heirat. Da gab es vorher keine Vorbereitungsklassen..nichts. Ich wusste nicht einmal wie Garments „richtig“ aussehen. Das war 1981 und da waren die noch einteilig und man durfte nur 1x das neue zweiteilige Exemplar kaufen. Das war echt ein Schock. Es gab Mitglieder, die der Meinung waren, dass man selber entscheiden müsse, ob man Garments während des sexuellen Akts auszieht…Ich habe auch nur ganz kurze Zeit den BH über dem Garment getragen. Gibt es eigentlich eine vernünftige Erklärung warum das nicht so sein soll? Ich habe nur Doofes darüber gehört und es passte nicht zu meinem Gefühl und Verständnis mit Gott. Und ehrlich gesagt – gerade beim Anblick von Frauen in dieser tollen Unterwäsche….. Da kann ich nachvollziehen, warum es.. u.a. gerade HLT-Männer zu Pornos hinzieht. Für mich fühlt es sich an, wie als ob Frauen sich nicht sexy fühlen dürfen und wenn der Selbstwert erst mal runter ist, dann ist ja die Treue einer HLT-Frau gesichert. 1981 gehörten auch noch die „Strafen“ während des Endowments dazu. Ich konnte damit nie etwas anfangen! Dazu fehlte mir einfach das Einfühlungsvermögen. Denn ich habe Gott immer als jemanden wahrgenommen, der mir nichts Böses will und dem es wichtig ist, dass ich glücklich bin. Obwohl ich schon das Gefühl habe, dass ich ein „recht gehorsamer Mensch“ bin, habe ich mein ganzes Leben auch innerhalb meiner Mitgliedschaft „mein eigenes Ding“ gemacht, indem ich mich auf meine Intuition verlassen habe. Meine Töchter… Weiterlesen »
Meine erste Tempelerfahrung war gut ein Jahr nach meiner Taufe. Ich habe mein Endowment empfangen und war eigentlich null vorbereitet auf das, was mich dort erwartet, obwohl ich zuvor durch meinen Zweigpräsidenten und den Hohen Rat vorbereitet wurde. Aber niemand hatte mir gesagt, was tatsächlich passiert. Und so stand ich dann dort an einem Samstag Morgen Anfang März in einer Reihe mit anderen Schwestern und war nur mit Poncho bekleidet. Ich wusste ich sollte die Vorverordnungen bekommen, die aus Waschung und Salbung bestehen. Denn ich wusste, für solche Handlungen braucht es schließlich Vollmacht, Aber niemand hat mir gesagt, dass ich quasi nackt sein werde. Ich hatte Panik, dass ich von irgend einem fremden Mann stehe, der mich nackt sehen und vor allem berühren wird. Ich war null vorbereitet! Ich bin jemand, der sehr selektiv ist, wenn es um Körperlichkeiten jeder Art geht. Ich umarme längst nicht jeden und habe eine recht großen „personal space“ – Es war der Horror!!! Dass es dann doch eine Schwester war, die plötzlich doch Vollmacht hatte, dies zu tun, hat es auch nur marginal besser gemacht. Und so stand ich dann steif in diesem kleinen Separee auf den Kacheln und ließ es im wahrsten Sinne über mich ergehen. Keine fünf Minuten später trug ich komische Unterwäsche und wusste sofort, dass ich dieses Ding sicher nicht mein Leben lang tragen kann. Aber immerhin war ich nicht mehr im Geburtsanzug unterwegs. Aber wohl gefühlt habe ich mich nicht. Dann ging es in die Session und auch hier… Weiterlesen »
Ich hatte mit 18 Jahren mein Erstendowment. Garments kannte ich von meiner Familie. Es gab für mich nicht wirklich Schockmomente. In Freiberg sind alle sehr lieb und familiär. Ich hab mich wohlgefühlt. In Preston war ich auch sehr gerne im Tempel. Manchmal haben sie sogar für mich alleine eine Session gemacht. Ich fand die Zeit dort sehr meditativ. Was mich immer gestört hat, waren die Garments. Hab sie gehasst. Inzwischen habe ich andere Orte gefunden, wo ich meine Mediation finde. Es braucht keinen Tempel dafür.
Ich habe ja mal einen Erfahrungsbericht/Gefühlsbericht über meine Erfahrungen/Eindrücke zu meinem Endowment gemacht. Bevor ich das Endowment empfing, hatte der Tempel für mich immer was Faszinierendes, Erstrebenswertes, Göttliches usw. an sich. Die vielen Geschichten der Mitglieder über ihre Erlebnisse im Tempel usw. ließen die Vorfreude nur so übersprudeln. Die Informationen die man vor dem Endowment bekam, waren ja eher vage. Als ich selbst mein Endowment dann bekam, waren meine ersten Gedanken während der Session sowas wie: „Es könnte sich doch um eine Sekte handeln“, oder: „Das ist ja ganz anders, als ich die Kirche kenne.“ (Ich meine, dass ich das im Bericht eher nur angedeutet habe. Grob und kurz: Ich fühlte mich sehr unbehaglich!) Mit dem Tempel bin ich danach nie warm geworden, auch wenn ich regelmäßig drin war. Weil man ja – wie du auch im Interview gesagt hast – dazu angeraten wird, um hier ein besseres Verständnis zu entwickeln. Die letzten aktiven Jahre war ich dann nicht mehr im Tempel, das letzte Mal 2018 glaube ich. Einfach, weil dieser Teil des Glaubens/Kirchenlebens nicht gepasst hat, für mich zumindest. Und, dass obwohl ich all die Jahre, auch danach bis zum Schluss versucht habe, die Lehren über dem Tempel und die Rituale samt ihrem angeblichen Ursprung mit den offensichtlich vorhandenen Freimaurereinflüssen in Einklang für mich zu bringen… Es hat nicht geklappt.! Meine Ansicht hatte sich also damals schon geändert, nur hatte ich damals die Hoffnung, dass sich meine Sicht und Gefühle auf bzw. für den Tempel zum Positiven wandeln wird.… Weiterlesen »
Wen es interessiert: hier ein Interview vom John Dehlin mit einem Mitglied, das schon seit einigen Generationen auch Freimaurer ist. Sehr interessant: https://www.mormonstories.org/…/mormon-stories-podcast…/
Ich war vor ca. zwei Monaten zum ersten Mal nach 2,5 Jahren wiedermal im Tempel. Es hat sich einiges verändert. Frauen machen jetzt ihre Bündnisse direkt mit Gott. Und, wie ich schon hier mal geschrieben habe, der Hauptteil eine völlig universalistische Sache.