„Der Preis den ich in aufgegebener Authentizität zahlen müsste für diesen netten Bonus an Liebe und Gemeinschaft, ist nach wie vor zu hoch“

Guido Müller

Wer nichts Positives und Respektvolles über HLTs lesen mag, der möge jetzt bitte weiterklicken.

Ich war am vergangenen Dienstagabend wie mittlerweile jedes Jahr mit den Kids zur Halloween Familien-Tanzparty der Gemeinde Singen.

Ach liebe Leute, was soll ich sagen…es berührt mein Herz, was für tolle Menschen ich in dieser Kirchenorganisation kenne.

Gemeindehaus Singen

So viele Menschen könnten ja theoretisch den unzähligen Denkmustern ihres Propheten folgen und meinen ich sei ein „Weakest Link“, eine „Lost Soul“, ein „Lazy Learner“ etc. Als wohl einer der bekanntesten Kirchenkritiker im deutschsprachigen Raum frage ich mich sehr wohl, was die Leute dort denken, wenn ich bei ihrer Party aufkreuze.

Aber sie begegnen mir stattdessen mit Wärme, Freundlichkeit und Offenheit (bis auf ein paar wenige – Gott verzeih es ihnen). Vor etwa zwei Jahren wählten sie mich sogar zum am besten kostümierten Partygast. Amazon hatte mir da beigestanden – leider nicht selbstgebastelt.

Ein Freund von mir sagte mal, er finde dass HLTs unter dem Strich eine Schippe netter, freundlicher und hilfsbereiter als andere in seinem Bekanntenkreis sind.

So ganz generell will ich das nicht sagen, aber ich habe das zumindest in manchen Regionen und Kontexten auch bereits feststellen dürfen.

Nun könnte man sagen, das sei reines Love Bombing… Aber ich glaube damit würde ich diesen Menschen nicht gerecht werden.

Werde ich mich wieder rückbekehren lassen?

Mmmh, wohl eher nicht, denn die sozialen Anlässe sind ja einfach so ziemlich das Beste an dem Ganzen, weil man einfach mit den teils tollen Menschen zu tun haben darf. Ich glaube an einem typischen Kultalltag (HLTs verzeiht das Wort in dem Kontext) hätte ich deutlich weniger Freude. Der Preis den ich in aufgegebener Authentizität zahlen müsste für diesen netten Bonus an Liebe und Gemeinschaft, ist nach wie vor einfach viel zu hoch. Ich werde mich weiter auf die Suche nach Möglichkeiten zu Gemeinschaft und Liebe machen, wo ich auch wirklich ich selbst bleiben darf. Und helfen, diese zu kreieren, wenn sie noch nicht existieren.

Viele der anderen HLT-Mitglieder würden aber auch keine Freude an mir haben, wenn ich jetzt zurück käme.

So wie ich heute drauf bin würde ich doch glatt in der Sonntagsschule und in Ansprachen meine ehrliche Meinung raushauen. Das würde nicht lang gutgehen.

Dennoch: Alle Achtung an meine progressiven HLT-Freunde. Ihr seid der Grund, warum ich meine Kirchenfamilie vermisse – trotz allem!

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M.St.
M.St.
10 Monate her

Das erlebe ich ähnlich, hatte auch vor kurzem das Vergnügen mal wieder bei einer Veranstaltung zu sein und ein Teil von mir hat sich sofort wohlgefühlt, so als würde ich ›nach Hause‹ kommen. Das ist ja auch die Crux daran, oder? Wir fühlen uns intuitiv immer dort am wohlsten, wo die anderen genauso sind, wie wir selbst. In der ›Bubble‹, aus der wir kommen und die uns zu dem gemacht hat, wer wir heute sind. Ehrlicherweise sehnt sich ein Teil von mir auch heute noch nach dieser ›Geborgenheit‹, nach dem honigsanften Gefühl auf Tempelfahrten, nach der Sicherheit sozialer und spiritueller Identität, die einem wöchentlich immer wieder aufs Neue versprochen wurde… Dennoch: Ich ziehe die selbstgewählte Heimatlosigkeit heute aus guten Gründen vor. Der Philosoph Ernst Bloch hat das mal schön in seinem mehrbändigen Hauptwerk »Das Prinzip Hoffnung« auf den Punkt gebracht. Ihm zufolge liegt ›Heimat‹ nicht in der Vergangenheit, sondern blitzt als Hoffnungsschimmer am Horizont auf. Heimat ist nicht dort, wo wir herkommen, sondern dort, wo wir hinwollen. Die Sehnsucht danach scheint uns wie ein Licht aus unserer Kindheit in die Gegenwart hinein, aber eben auch darüber hinaus in die Zukunft. Heimat ist nur dann Heimat, wenn sie eine Heimat für ausnahmslos alle Menschen ist, wenn niemand ausgegrenzt und niemand abgewiesen wird, wenn alle Menschen ihr Leben in Würde und Freiheit leben und genießen können, in einer ›verwirklichten Demokratie‹. Das ist freilich eine Utopie (, die sicher auch viele Menschen innerhalb der Kirche teilen), eine, für die es sich aber zu… Weiterlesen »

Guido
Guido
10 Monate her
Reply to  M.St.

M.St.: Ich möchte mir diesen Kommentar schon fast an die Wand kleben und es hätte sogar einen Rahmen verdient *trief
Im Kontext der Dauerhänselei dieser Gruppe über die abstrusen truth claims einer gewissen Organisation war dieser Kommentar eine äusserst willkommene Abwechslung!

K.L.
K.L.
10 Monate her

Da redet ihr mir wieder aus der Seele. Ich vermisse die Kirche so! Ich mach gerade ein Fotoalbum für meine bald 18-jährige und schaue gerade 1 Million Fotos an von früher und sehe die schönen Zeiten …. Wie schön, als ich noch geglaubt habe, das alles sei wahr und ich ein Vorbild war für andere und genau wusste, was ich meinen Kindern lehren sollte und genau wusste, was zu tun ist. Als ich von Herzen dazugehörte und wir alle eins waren. Aber es geht mir so wie euch. Wenn ich jetzt gehe, und ich gehe immer noch, aber sehr selten, komme ich genau mit dem Gefühl wieder zurück, dass ich da nicht mehr hinpasse und ich nicht ich selbst sein kann.
Du, Guido, suchst ja auch immer nach Heilung, aber ich frag mich, ob es das überhaupt so 100%ig gibt, oder ob man einfach damit klar kommen muss. Ich glaube dass die Leere doch nie richtig weg geht, wenn man es mal sehr geliebt hat, dort zu sein und man viele Mitglieder immer noch zu seinen engsten Freunden zählt. Oder man geht halt doch und hält es irgendwie aus. Ich glaube nicht, dass es da jemals für mich ne richtige Lösung gibt, und dieser Satz gilt für andere Sachen in meinem Leben eigentlich auch.

Guido
Guido
10 Monate her
Reply to  K.L.

K.L.: für mich war ebenfalls eines der wichtigsten Learnings, nicht mehr gegen mein Schicksal, das aus Verlust und Enttäuschung bestand, anzukämpfen, sondern…das klingt jetzt esoterisch und verrückt und ist es vielleicht auch, mein Schicksal zu umarmen und vollständig anzunehmen. Ja, dafür dankbar zu sein. Das ist nicht einfach und natürlich gibt es Tage, wo es mir nicht gelingt.

Durch dieses Schicksal komme ich jedoch mit denen in Verbindung, die wie ich ablehnen, die Wahrheit gefunden zu haben, sondern sie suchen. Ich finde mehr und mehr die tollen, verbundenen Menschen auch außerhalb. Aber ja, gleichzeitig darf ich mir selbst gegenüber ehrlich sein und wertschätzen, was ich früher hatte.

F.K.
F.K.
10 Monate her

Ich gehe regelmäßig mit meiner Frau zur Kirche. Dort habe ich auch viele gute Diskussionen auch über kritische Themen. Von einigen wird das total akzeptiert und nicht gewertet. Mit anderen geht das nicht. Alles in allem habe ich mit den Leuten in der Kirche großes Glück. Dennoch, es war und ist manchmal noch schwer, wie Guido geschrieben hat, manchmal würde man gerne hineinrufen und den > Quatsch< aufdecken, aber dann … mit welchen Recht, frage ich mich dann und versuche mich zu beruhigen. Haben wir nicht die Freiheit zu sagen was wir sagen wollen, sei es aufgesetzt, anerzogen, oder ….? Das frage ich mich dann immer und versuche das zu tolerieren, was mal mehr, mal weniger hilft. Mittlerweile kennt man ja die Pappenheimer und oft zitiere ich dann Passendes von Joseph Smith oder was aus den Schriften um da etwas Anregung hineinzubringen und zu fragen, warum sie das so denken. Kirchenkultur versus Ev. Es gibt so viele Aussagen auch von >Propheten<, die immer wieder davor gewarnt haben, einfach nur >dem Propheten zu folgen< . Dann wird überlegt, hoffe ich, dass z.B >dem Propheten zu folgen< auch falsch sein kann, wie JS es gesagt hat, dass vieles andere, was da so gesagt wird, weder Hand noch Fuß hat und wenig mit Mündigkeit zu tun hat. Ist manchmal aber schwer, diesen Weg zu gehen, doch für mich ist es wichtig, auch da Toleranz und Verständnis zu üben. Ich hoffe, es gelingt mir.

Guido
Guido
10 Monate her
Reply to  F.K.

F.K.: dein Weg passt ganz offensichtlich zu dir…
Allerdings: Wenn du davon sprichst, ob jemand das „Recht“ hat Dinge anzusprechen…und dann negierst…dann wird mir mulmig.
Dann, denke ich mir, vielleicht passt es ja nicht zu dir und es ist auch nicht dein Job oder deine Berufung. Aber es gibt eben Menschen die diese Art Authentizität leben wollen… Es gibt Menschen die zwar den „Glauben“ der Neffen und Nichten genauso schätzen wie den der Grossmütter…, für die es aber sehr wohl passt, Dinge offen anzusprechen. Ich finde es nicht richtig, Menschen das Recht dafür abzusprechen. Jeder ist anders…. aus gutem Grund. Und ist nicht genau diese Gleichmacherei in der Kirche des Problem? Dass man meint, dass niemand das Recht habe, Dinge ansprechen zu dürfen, die alte Glaubensgebäude ins Wanken bringen? Wo ist da die Rede- und Meinungsfreiheit? Dürfen wir nicht mehr offen sein, weil sonst die Grossmütter ein Problem bekommen?

F.K.
F.K.
10 Monate her
Reply to  Guido

Guido: ah, verstehe, worauf du dich beziehst mit dem >Hineinrufen<.
Mein Fehler, das >Hineinrufen< beziehe ich auf Ansprachen, nicht auf die Klassen, dort werden die Dinge angesprochen, diplomatisch, das ist meine Art halt. Jeder hat das Recht zu sagen, was er, sie denkt, und deswegen würde ich nie, nie in eine Ansprache reinrufen, das ginge nicht. Das war gemeint.