Guido Müller
Wir leben in einer Welt, wo das Bewusstsein gewachsen ist, dass Ungerechtigkeit und Leid, das durch unregulierte religiöse Machtausübung passiert, durch freie Rede und angebrachte Kritik eingedämmt werden kann. Hier sind insbesondere Menschen gefragt, die mit den jeweiligen Religionen direkt zu tun hatten oder ein Teil davon sind.
Während religiöse Führungspersonen zahlreicher Religionen sich in Richtung eines gesünderen, gemäßigten Umgang mit Kritik bewegen, bleiben unzählige HLTs mehr oder weniger auf dem Stand von Oaks. Stimmt es, dass sie im Tempelendowment weiterhin versprechen müssen, „evil speaking of the Lords anointed“ zu unterlassen…? Oder wurde das kürzlich entfernt? Das ist ein Freibrief dafür, jegliche auch sinnhafte Kritik am Verhalten von Kirchenführern im Keim zu ersticken und direkt das Verhalten eines Kritikers als „sündhaft“ einzustufen.
Viele Menschen würden lieber sterben, als in ihrer Gemeinschaft Scham zu erleben
Die Psychologie sagt: Viele Menschen würden lieber sterben als innerhalb ihrer Gemeinschaft „Scham“ zu erleben und Gefahr zu laufen, am Rande oder „draußen“ zu stehen. Das macht evolutionstechnisch gesehen auch Sinn, finde ich: Vom Stamm verstoßen zu werden und ganz allein gegen den Säbelzahntiger kämpfen „is no fun“. Damit wird das Tempelversprechen ein nicht zu unterschätzender unterbewusster Maulkorb für alle Mitglieder.
Manche behaupten ja, dass Oaks berühmter Satz „It’s wrong to criticize Church leaders, even if the criticism is true“ aus dem berühmten PBS Dokumentarfilm wohl einfach ein kleiner „Ausrutscher“ war. Manche, mit denen ich sprach, bezweifeln sogar dass er dies jemals gesagt hat. Sie sehen darin eine Anti-Mormonen Verschwörung.
Äußerungen von Oaks sind kein Austrutscher, sondern tiefe, gewachsene Überzeugungen eines der einflussreichsten Kirchenführer
Zahlreiche andere Äußerungen, wie auch oben im Beitragsbild belegen, das war mitnichten ein kleines Ausrutscherlein, sondern das sind tiefe, gewachsene Überzeugungen, die jedem, der mit der HLT-Kirche zu tun hat, zu denken geben sollten! Oaks ist einer der Top-drei Personen mit dem größten Einfluss in dieser Organisation. (Dass es überhaupt so weit gekommen ist und WIE es soweit gekommen ist, dass er soweit oben in der Hierarchie gelandet ist, spricht Bände über das weit verbreitete Denken in der Kirche.)
Er setzt auf schockierende Weise „Evil speaking“ mal eben so mit „Criticism“ gleich und hätte wohl am liebsten, dass alle HLTs wie in den von mir besuchten Tempelendowments versprechen, das für immer zu unterlassen. Eine grauenhafte Vorstellung! Wenn man ein wenig weiter denkt und sich deutlich macht, zu was so etwas unweigerlich führt und bereits geführt hat, gerade weil Kirchenführer fehlbare Menschen sind und so viel Machtkonzentration einfach nie gut geht!
Oaks unterstreicht hier die mormonische Kultur: unbequeme Kritik an Lehre und Propheten wird nicht ausgesprochen. Das ist kein Zeichen von Stärke sondern argumentativer Schwäche, wie in allen totalitären Systemen. Es kann immer passieren, dass Mitglieder mal Aussagen falsch verstanden haben. Wenn nun keine Kritik an den Führern nicht erlaubt ist, wäre doch zumindest zu erwarten, dass die Führer selbst korrigierend eingreifen, denn schließlich geben sie vor, Gottes Kirche zu leiten, die Mitglieder nicht in die Irre führt. Nehmen wir mal Rassismus (es könnten auch andere Lehren genommen werden). Wie konnte übelster Rassismus über 140 Jahre gelehrt werden, statt diese kranken Lehren ausdrücklich zu korrigieren?! Wenn es private Meinung war, ist die Frage, warum Gott seine Vertreter nicht direkt zurecht gewiesen hat, statt diskriminierende Regeln zu praktizieren (kein Priestertum, keine Tempelwürdigkeit…..)? Wenn im BM und anderen offiziellen Dokumenten vermeintlicher Rassismus steht, dann erwarte ich schlüssige Erklärungen als Korrektiv, wenn diese Passagen ganz anders gemeint gewesen sein sollten. Erklärungen, Richtigstellung oder gar Entschuldigung – Fehlanzeige! Die rassistischen Lehren sind nie richtig umfänglich und offiziell korrigiert worden! Man sagt zwar, man wende sich gegen Rassismus (es habe laut Hinkley sogar nie Rassismus gegeben). Das wirft dann aber die Frage auf, was Rassismus überhaupt heißt. Wenn man auch die „privaten Meinungsäußerungen“ der Propheten nicht mal kritisieren soll, auch wenn diese falsch sind, dann konserviert man diese Aussagen statt sich klar davon zu distanzieren. Denn natürlich fällt auch Oaks auf, dass diese „persönlichen Meinungen“ als Lehre verstanden wurden und werden und diese selbstverständlich die oberflächliche… Weiterlesen »
Criticism in the Church – From Oaks to Eyring
https://www.youtube.com/watch?v=W7plCcltnF8&t=317s