Guido Müller
FRÜHER…
…lernte ich in der „Kirche“, dass die wichtigsten Lösungswege, wenn ich mich schlecht fühlte, in etwa folgende seien:
- Gehorsamer gegenüber Gottes Geboten sein (kongruent mit den Geboten und Richtlinien der Kirche Jesu Christi HLT)
- Mehr anderen Dienen
- Mehr in den Heiligen Schriften lesen
- Mehr beten
- Weniger an mich selbst denken
- Mehr in den Tempel gehen
- etc. etc. etc.
HEUTE…
…spüre ich mehr und mehr, dass die oben beschriebenen Lösungswege, die tausendfach in Sonntagsschul- und PV Klassen wiedergekäut werden, nicht nur zu kurz greifen und sondern sogar gefährlich irreführend sein können.
Zunächst mal, ja, mich mit dem „Göttlichen“ zu verbinden, anderen Gutes zu tun und eine Form von Spiritualität zu finden, die zu mir passt, KANN SEHR WOHL ein Weg sein, dass es mir dann auch besser geht…
ABER…es gibt so viele unterschiedliche Ausgangslagen… und die mormonischen PV-Antwort-Lösungswege können einem manchmal total im Weg stehen und toxische Dynamiken und Teufelskreise begünstigen. Nicht zuletzt weil sie auch gar nicht tiefgehender hinterfragt werden dürfen, und wenn die Ansätze gar nicht greifen, man grundsätzlich immer selbst schuld ist – und nicht etwa die Kirchenorganisation, welche diese Leitfäden druckt!
Lösungswege können wie die Ausgangslagen unheimlich vielfältig sein, und teils auch völlig unerwartet! Sie könnten unter Umständen auch sein:
- Lernen, wer ich wirklich bin, ohne dass mir von aussen jemand reinredet oder mir Identität vorgibt
- Weniger in einer äußeren religiösen Autorität nach Antworten suchen, sondern Antworten, die aus mir heraus kommen, in meinem eigenen Herzen spüren
- Ehrlicher mit mir sein, auch wenn das durchaus schwer fallen kann
- Sich jemand aus dem Bekannten- und Freundeskreis für ein Gespräch suchen, die/der sich mit meiner Situation auskennt
- Sich professionelle Hilfe suchen und ganz bewusst die Kirchenantworten und Autoritäten links liegen lassen
- Ehrlicher und authentischer mit anderen sein
- Auch mal akzeptieren, dass eine Situation grad unbefriedigend ist, und nicht heftig und verzweifelt dagegen ankämpfen bzw. leugnen
- Den Mut haben, anderen mitzuteilen, dass es einem grad nicht optimal geht (können unzählige HLT und ehemalige HLT nicht besonders gut… mich eingeschlossen.)
- WENIGER tun
- Wagen, mal irgendwas NUR FÜR SICH SELBST zu tun, ohne sich dafür zu schämen… (Bei mir wäre ein kleines Beispiel, dass ich mir selbst ein Gelato bei meinem Lieblings-Eisladen selber nur gönne, wenn meine Prinzessinnen dabei sind…warum nicht auch einfach mal nur eins für mich kaufen wenn ich Bock drauf habe? So als kleines Zeichen fürs Universum, dass ich auch wichtig bin?)
- etc. etc. etc.
Mein Ziel war nicht, eine allgemeingültige vollständige Auflistung zu geben, sondern aufzuzeigen, dass ich glaube da ist noch viel mehr und es ist verantwortungslos, Millionen von Menschen zu vermitteln, es gäbe eine bestimmte Liste Standardrezepte zum seelischen Wohl und wenn diese nicht funktionieren hat man selbst etwas falsch gemacht.
Wenn die Standardrezepte für DICH funktionieren, freut mich das ungemein, aber bitte denkt evtl. nochmal nach, bevor ihr in diese Welt rausposaunt, dass das deswegen für jeden anderen genau so sein muss!
Was mir bis heute wahnsinnig schwer fällt, aber der einzige Lösungsweg ist: Meine sämtlichen Gefühle (auch Angst, Trauer, Wut,…) liebevoll anzunehmen. Nur so entwaffne ich sie und kann nur im Frieden mit ihnen selber Frieden finden. Das „darf nicht sein!“ oder „wie schlimm, dass ich so fühle!“ sind ungesunde Gedanken und Gefühle, die alles nur schlimmer machen.
Ist nicht leicht, denn ich tappe immer wieder in die gelernte Falle. Annehmen und nicht Verdrängen ist der Clue!
Es ist ein bisschen wie in der Politik: Wer einfache Antworten sucht, fühlt sich von Autorität oft angezogen. Wenn Mitglieder denken, sie werden im Gehorsam oft hart geprüft, stellt man als Ex-Mormone dagegen fest, dass Eigenverantwortung auch nicht gerade ein Zuckerschlecken ist.