Gelegentlich werden wir zu unserer Glaubenskrise befragt und wie es dazu kommen konnte. Hier ist eine Zusammenfassung wesentlicher Punkte die uns dazu gebracht haben, die Kirche zu verlassen. „Der ehrliche Forscher muss bereit sein, dem zu folgen, wohin die Suche nach der Wahrheit auch führen mag. Die Wahrheit wird oft an den unerwartetsten Orten gefunden. Er muss mit furchtlosem und offenem Geist darauf bestehen, dass Fakten weitaus wichtiger sind als irgendwelche gehegten, falschen Überzeugungen, egal wie unangenehm die Fakten oder wie reizvoll die Überzeugungen sind.“ Hugh B. Brown – General Conference, October 1962 „ Wenn wir die Wahrheit haben, kann sie durch Untersuchungen nicht beschädigt werden. Wenn wir nicht die Wahrheit haben, sollte sie geschädigt werden“ J. Reuben Clark, Counselor in the First Presidency 1934 – 1961
Vor weniger als einem Jahr waren wir zu 100 % in der Kirche aktiv, mit täglichem Schriftenstudium, Gebet, wöchentlichem Kirchenbesuch, regelmäßigem Tempelbesuch, regelmäßiger Arbeit an der Familiengeschichte, Berufungen, einem Sohn auf Mission und einem weiteren Sohn, der plant, auf eine Mission zu gehen, usw. Wir waren zwar nicht perfekt, aber hielten uns im Allgemeinen an alle Gebote und konnten als voll aktive Mitglieder der Kirche betrachtet werden. Wir hatten weder Zweifel noch im Entferntesten den Wunsch oder darüber nachgedacht, die Kirche zu verlassen. Tatsächlich war es für uns unvorstellbar, jemals aus der Kirche auszutreten oder dass es ein erfülltes Leben außerhalb der Kirche geben könnte. Meiner Ansicht nach konnten Menschen außerhalb der Kirche kein wahres Glück erfahren, da sie den Plan der Erlösung nicht kannten und nicht die Gabe des Heiligen Geistes hatten. Seitdem habe ich gelernt, dass ein authentisches und erfülltes Leben außerhalb der Kirche möglich ist, und wir fühlen uns mit uns selbst wohler als früher, da wir uns frei von Widersprüchen fühlen und uns nicht für verschiedene Überzeugungen rechtfertigen müssen, für die wir keine Erklärung haben. Und wir sind viel weniger voreingenommen gegenüber anderen.
Nunja. Das war ein reines Cringe Fest was der Bruder Wilcox da geboten hat. Aber ich denke, er hat dieses Lehrstück der Indoktrination leider vollkommen ernst gemeint. Man erlebt mich selten sprachlos, es braucht einiges um mich aus der Fassung zu bringen und mich zu erschüttern. Aber selbst mir passiert es. Und hier war es soweit. Vor zwei Wochen dachte ich noch, das Europa Devotional von den Nelsons wäre schon ein Maßstab für ‚cringe‘, aber Brad Wilcox hat die Messlatte hier richtig hoch gezogen und ist aufrecht und mit stolz erhobenen Haupt unter der von den Nelson’s durchmarschiert. Hat dabei gelacht und fröhlich gewunken.
Um den Cringe-, Indoktrinations- und Fremdschamfaktor zu bestärken hat er die Jugendlichen jedesmal die einzelne Punkte rezitieren lassen und war auch sonst nicht geizig mit despektierlichen Gesten, Mimiken und Intonationen, wenn es um anders gläubige oder anders denkende Menschen ging.
Ich habe die Fireside mit einem Freund, Seb, geschaut und wie gesagt, ich bin hart im Nehmen, mir ist nicht vieles peinlich, aber ich habe mich tatsächlich geschämt. Seb ist gläubiger Christ und Mitglied einer Pfingstgemeinde. Ich habe mich so sehr für diese Aussagen geschämt, dass ich gesagt habe, Sebastian es tut mir so leid, dass dieser Mensch deinen Glauben im und unter dem Deckmantel seiner Religion so sehr ins lächerliche zieht und deine Gefühle verletzt.
Ich bin an einem Punkt, wo ich nichts dagegen hätte, wenn es den Herren so richtig auf die Füße fallen würde
Beim Buchstaben P (P is for Priesthood) seiner Ansprache, die dadurch wie ein Ranking der Fremdscham wirkte, war für mich ein absoluter Tiefpunkt erreicht, der seines Gleichen sucht. Und nein, das ist nichts, absolut nichts, was ich noch schön reden kann oder will. Das ist unentschuldbar und ich bin gerade echt an einem Punkt, wo ich nichts dagegen hätte, wenn es den Herren so richtig auf die Füße fallen würde.
Nicht nur, dass er sich dazu herabgelassen hat, jeden anderen Glauben als Unsinn und Spielerei zu diffamieren, nein er hat auch den Rassismusjoker auf ekelhafte Weise gespielt. Letzteres ist eine Sache, die dazu führen muss, dass die Angestellten im Headoffice in ihrem Schweiß schwimmen, um das wieder zu glätten. Und ich bin froh, dass es Menschen gibt, die diese Fireside konserviert haben und es auf den Plattformen und sozialen Medien bereits seine Runde macht.
Aber der Reihe nach. Zuerst sagte er (zusammengefasst): „Meine Kinder haben Kirche gespielt, so wie andere Kinder Schule spielen. Ich wurde ein wenignervös als meine Tochter anfing das Abendmahl zu segnen. Die Menschen [in anderen Kirchen] spielen Kirche. Sie haben nicht die Autorität. Sie wirken ernsthaft, und würden gerne Bedeutung haben aber sie haben die Autorität nicht. Sie haben nicht Gottes Erlaubnis. Zählen ihre Bemühungen auf der Erde oder in der Ewigkeit? Ich will etwas tun, was zählt. Und um das zu können brauchen wir das Priestertum. Wir spielen nicht Kirche…wir haben die Autorität.“
Er bringt eine Story in der eine Frau kirchlich heiraten wollte, und es missfiel ihr das „Bis dass der Tod euch scheidet“ und er erzählt ihr von der Siegelung.
Ich kenne genug Christen verschiedenster Denominationen und ihren Glauben mit einem Kinderspiel gleichzusetzen ist einfach respektlos.
Gegen eine extra Gebühr (selbstverständlich, weil du kannst ja bekanntlich alles für Geld kaufen, gerade bei den falschen Priestern, das haben wir ja schließlich so gelernt…) konnte sie dann beim protestantischen Pastor ihre eigenen Worte einbringen und wählte „gesiegelt für Zeit und alle Ewigkeit“ und das empfand Wilcox als so falsch, denn dazu fehle ihnen ja schließlich die Autorität. Nur wir sind die einzig wahre Kirche, die von Gott anerkannt wird. Alle anderen spielen nur Kirche. Amen. Wow. Einfach nur wow.
Ich kenne genug Christen verschiedenster Denominationen und ihren Glauben mit einem Kinderspiel gleichzusetzen ist einfach respektlos. Ein Schlag ins Gesicht vieler und ein ganz klares Zeichen dafür, wie Dialog nicht funktionieren kann.
Geht es schlimmer? Natürlich – es fehlt ja noch die Rassisten Karte. Er merkt an, dass es heutzutage viele gäbe, die Probleme mit dem Priestertum hätten. Sie fragen: Warum wurde den Schwarzen das Priestertum bis 1978 verweigert? Aber vielleicht stellen sie einfach die falsche Frage. Vielleicht sollten sie lieber Fragen warum wurde es der weißen Rasse bis 1829 vorenthalten? Und warum mussten die Heiden bis nach den Juden warten? Anstatt Gottes Timeline zu hinterfragen, sollten wir doch dankbar sein, dass sie Schwarzen es 1978 haben konnten. Wenn du jetzt denkst: Das hat er nicht gesagt … Doch das hat er. Die Tatsache, dass Joseph Smith keine Problem damit hatte, people of color zu ordinieren und erst Brigham Young diesen Bann und Sklaverei hochgehalten hat, erwähnt er selbstverständlich nicht.Ich weiß auch gar nicht mehr, was ich dazu sagen sollte, denn alles was ich dazu sagen möchte, wäre nichts nettes und Respektlos denen gegenüber, die Wilcox noch hochhalten und schätzen. Aber ich bitte people of color um Entschuldigung, dass ein Mann, der im Namen seiner Religion Rassismus betreibt, sich so verhalten hat. Ich stehe nicht dahinter und es ist nicht meine Sichtweise.
Warum Frauen das Priestertum nicht haben
Und nicht die Sichtweisen des Gottes an den ich glaube. Es tut mir leid. Und zu guter Letzt erklärt er uns noch warum Frauen das Priestertum nicht haben – aber nichts kann das zuvor gesagte noch schlimmer machen. Auch hier sind wir natürlich falsch davor. Wir Frauen haben natürlich die Autorität im Priestertum zu dienen. Wir werden ja durch das Priestertum berufen und im Tempel ja sogar in Roben des Priestertums gekleidet. Unser Leben ist umgeben von Priestertum, wir haben halt nur zwei Dinge nicht. Die Schlüssel des Priestertums, die haben ja eh nur wenige wie der Bischof oder der Ältestenkollegiumspräsident, und die Ordination und wieder stellen wir die falsche Frage, warum brauchen wir das nicht? Wir sind schließlich bevorzugt und können ohne Ordination in den Tempel Männer können das nicht. Also was bringen wir natürlicher Weise als Frauen mit, was Männer durch die Ordination lernen müssen? Das wäre die richtige Frage. Eine Antwort bleibt er dennoch schuldig.
Ist das ein Mindset, mit dem ich anderen Menschen begegnen möchte?
Ich will hier niemandem sagen, dass und das sind deine Rückschlüsse, die du daraus ziehen musst. Das sind ganz persönliche Dinge und Antworten, die jeder für sich selbst finden muss. Aber ich möchte dir raten, es nicht einfach auf dein Regal der Dinge, die dich ins Grübeln bringen zu stellen, irgendwo in die Ecke, damit du es nicht siehst und es von Staub bedeckt werden kann.
Ich möchte dir raten, es ganz genau anzuschauen und es auf dich wirken zu lassen – sind das Worte, die ich in meinem Herzen spüre, sind das Werte, die ich mit meinem Verständnis von Christus und seinem Leben vereinbaren kann? Sind das die Fundamente, auf die ich bauen kann? Ist das ein Mindset, mit dem ich anderen Menschen begegnen möchte? Denn auch das sollte klar sein, aller guten PR zum und auch aller Hochglanzreden zum Trotz – das ist orthodoxes Mormonentum und das ist auch, was die Kirche lehrt. Man darf Dinge kritisch sehen und hinterfragen und kann dennoch ein Mitglied ‚im guten Stand‘ sein.
Ich habe einen eingebauten Kompass, sozusagen meinen eigenen Liahona, wenn etwas nicht stimmt, wenn ich mit einem schlechten vibe, oder wie man so nett sagt schlechten Geistern konfrontiert bin, dann brennt es unangenehm im Bereich meines Solar Plexus. Das hab ich schon von Kindheit an und kann und konnte deswegen auch immer gut unterscheiden ob es jemand gut mit mir meint. oder nicht. Das soll jetzt nicht pathetisch klingen, aber gestern hat es richtig heftig weh getan.
Und ich möchte mit den Worten meines Freundes Seb schließen: „Wenn du dich fragst, warum wir (in dem Fall der Bund der Pfingstgemeinden und die Evangelische Allianz) ein Problem damit haben, die Mormonenkirche als christliche Kirche anzuerkennen, dann weil dieser Mann gerade bewiesen hat, dass sie keine christliche Kirche ist, sondern unter dem Namen Jesus spaltet und Elitarismus betreibt. Das ist nicht christlich. Und es ist nicht wahr, dass junge Menschen sich von Gott abwenden, das dem nicht so ist, sehen wir Woche für Woche, wo Menschen im Gottesdienst Jesus ihr Leben geben. Aber es ist wohl wahr, dass junge Menschen sich von Dingen abwenden, die ihnen schaden können. Sei es nun physisch, psychisch oder spirituell. Wenn das, also diese Predigt, ein verzweifelter Versuch war, sie daran zu hindern, dann ist der kläglich gescheitert. Und es tut mir nicht einmal leid.“