Transidentität

„Religion kann erfüllend sein, oder zerstörend, je nachdem, wem sie begegnet. Mein Engel hatte keine Religion im Gepäck, sondern absolut bedingungslose Nächstenliebe.“

Erlebnisbericht von Juna Kollmeyer

Bildquelle: tinybuddha.com

Ich möchte gerne über ein Erfahrung/Begegnung berichten, die ich bis heute nicht vergessen kann, und die für mich sehr prägend war. Ich habe sie damals in mein Tagebuch geschrieben, daher erinnere ich mich noch an viele kleine Details, die sonst vielleicht verloren wären. Wer mich und meine Geschichte hier nicht kennt: ich bin als transidenter Mensch in der HLT-Kirche aufgewachsen in einer Zeit, wo dort bereits eine solche Orientierung als schlimme Sünde galt. (YouTube-Interview) Möglicherweise ergeben meine Gedankengänge für den Leser etwas mehr Sinn, wenn man diese Hintergrundinformation hat.

„Ich lebte in einer fremden Haut“

Wir gehen zurück ins Jahr 2008, eines der dunkelsten Jahre meines Lebens. Zu dieser Zeit hatte ich bezüglich meines weiteren Werdegangs noch keine Entscheidung getroffen. Ich lebte in einer fremden Haut, betrachtete meine Umgebung aus einer eigenartigen Perspektive, wie die eines Schemens oder Geistes, eines Wesens, das nicht gesehen oder bemerkt wird. Niemand wußte etwas über meinen inneren Kampf, über diesen unerklärbaren und unbeschreiblichen Schmerz der mich jeden Tag quälte. Meine Tagebücher erzählen eine grausige Wahrheit über diese Jahre des Versteckens und bis heute schaffe ich es nicht einzelne Seiten zu lesen, ohne unentwegt zu weinen und erneut zu fühlen, wie ich damals fühlte. Ich steckte in einer tiefen Depression, meine Gedanken rangten irgendwo zwischen Leben und Tod und es gab keine Perspektive.

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Juna Kollmeyer: „Als HLT aufwachsen mit Transidentität: Mein aussichtsloser Kampf gegen mich selbst“

Live-Gespräch mit Juna Kollmeyer (Moderation: Guido Müller)

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Übersicht

0:00 Einleitung und warum Juna am Dialog teilnimmt
5:00 Warum Juna keine „Opferrolle“ einnehmen möchte
8:00 Wortwahl: Transsexuell, Transgender oder Transident?
11:20 Kindheit und Versuch, die „Jungenrolle“ zu spielen
19:50 Junas indiv. Sicht auf weibliche Rollen und Charaktermerkmale
24:00 Umgang mit kirchlichen Dogmen über LGBTs
27:40 Was Juna an der Kirche schätzt
30:30 Entschluss, als Mädchen/Frau zu leben
37:40 Schwierige Erlebnisse als transidente Person
45:15 Respektvoller Umgang mit transidenten Menschen
50:16 Kirchlicher & politischer Umgang mit Transidentität
56:00 Reaktion auf neueste HLT-Handbuchänderungen
1:01:00 Geistiges Erlebnis & Gespräch mit Gott
1:10:00 Angleichende Operationen und Eingriffe
1:19:40 Liebe & Beziehung
1:25:30 Junas Sicht auf Essenz der christlichen Botschaft
1:31:30 Feedback & Kommentare der Teilnehmer

Hintergrund

Juna Kollmeyer kommt aus Hannover, ist als HLT-Mitglied aufgewachsen (Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, Spitzname: Mormonen) und hat vieles an ihrem christlichen Glauben geliebt.

Vor 38 Jahren kam sie als Junge zur Welt. Als sie drei Jahre jung war, bemerkten ihre Eltern erstmals ihr „ungewöhnliches Wesen…ein Junge hat sich nicht mit Puppen zu beschäftigen oder Kleidchen zu tragen“. Dennoch erlaubten ihre Eltern ihr recht viel, wofür Juna ihnen heute noch sehr dankbar ist. Irgendwann, vielleicht mit 9 oder 10 kam aber der Tag, an dem ihre Mutter klar machte, „Du bist ein Junge und kein Mädchen. Gott hat dir diesen Körper geschenkt, ehre ihn und benimm dich entsprechend“. Ihre Mutter schrieb damals in ihr Tagebuch, wie bitterlich Juna geweint hatte, einfach weil sie das gar nicht verstehen konnte.
Für sie war immer klar, ich bin ein Mädchen das anders ist als die Anderen, aber eben ein Mädchen. Juna akzeptierte die Worte ihrer Mutter, begann die Unterschiede zu begreifen und versuchte, die Verhaltensweisen von gleichaltrigen Jungen (mehr oder weniger glaubhaft) zu kopieren. Ich spielte eine Rolle, mit verschiedenen Facetten angelernter und übernommener Eigenschaften von Anderen. Der Mensch in ihr, hat dabei wie sie sagt „jeden Tag gelitten“.

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