Was sie hätten sagen können | John Bonner

Weil es mich TIEF BEWEGT hat, habe ich den kurzen Artikel „What they could have said“ von John Bonner übersetzt. Diesen hat er angesichts der kürzlichen Rücknahme der LGBT-Richtlinienänderung durch die Erste Präsidentschaft der Kirche verfasst.
An John: Thanks for being willing to share – you really touched my heart and brought me close to tears…! I hope my translation will do your words honor!

Vor dreieinhalb Jahren haben wir eine Richtlinie umgesetzt, welche die LGBTQ-Mitglieder unserer Glaubensgemeinschaft und deren Kinder betraf. In unserem Handbuch der Anweisungen für örtliche Führer haben wir erklärt, dass gleichgeschlechtliche Paare als „Abgefallene“ zu betrachten sind. Historisch gesehen wurde Glaubensabfall als „Feindschaft gegenüber Gott“ definiert. In der modernen Kirche wurde der Glaubensabfall definiert als „direkter, öffentlicher und wiederholter Widerstand gegen die Kirche und ihre Führer“.

In der Richtlinie haben wir empfohlen, Disziplinarräte für Kirchenmitglieder einzuberufen, die in gleichgeschlechtlichen Beziehungen leben, wobei ein mögliches Ergebnis die Exkommunikation bzw. der Ausschluss aus der Kirche ist.

Wir haben darauf hingewiesen, wie mit Kindern umzugehen ist, die mit einem Elternteil zusammenleben, das in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt: Sie sollten nicht getauft oder konfirmiert werden können, andere kirchliche Verordnungen erhalten, den Tempel besuchen oder Vollzeitmissionen erfüllen, bis sie das 18. Lebensjahr vollendet haben. Wir haben ferner die Bedingung gestellt, dass sie, wenn sie 18 Jahre alt werden, „ausdrücklich die Praxis von geschlechtsgleichem Zusammenleben und Ehe ablehnen“ müssen, um Mitglieder der Kirche zu werden und die Segnungen der Kirchenmitgliedschaft zu genießen.

Damals sagte Elder Christofferson über die Richtlinienänderung: „Es geht um die Familie; es geht um die Liebe und vor allem um die Liebe des Erlösers und darum, wie Er will, dass den Menschen geholfen und sie genährt und erbaut werden, und das ist die ganze Motivation, die unseren Bemühungen zugrunde liegt.“

Am 10. Januar 2016 erklärte Präsident Nelson:

„Voller Mitgefühl für alle, und besonders für die Kinder, haben wir lange gerungen, um den Willen des Herrn in dieser Angelegenheit zu verstehen. In Anbetracht des Heilsplans Gottes und seiner Hoffnung auf das ewige Leben für jedes seiner Kinder haben wir unzählige Permutationen und Kombinationen möglicher Szenarien in Betracht gezogen, die entstehen könnten. Wir trafen uns immer wieder im Tempel im Fasten und Gebet und suchten nach weiterer Führung und Inspiration.

Und dann, als der Herr seinen Propheten, Präsident Thomas S. Monson, inspirierte, den Geist des Herrn und den Willen des Herrn zu erklären, fühlte jeder von uns in diesem heiligen Moment eine geistige Bestätigung. Es war unser Privileg als Apostel, das vorgelegt zu bekommen, was Präsident Monson offenbart worden war.“

Im Laufe der folgenden dreieinhalb Jahre haben wir die Auswirkungen dieser Richtlinie auf das Leben unserer LGBTQ-Mitglieder, ihrer Familien und Angehörigen miterlebt. Wir haben die Berichte über die Verzweiflung gelesen, die sie verursacht hat – und wie sie sogar in einigen tragischen Fällen zu der verheerenden Entscheidung einiger LGBTQ-Geschwister beigetragen hat, ihr Leben zu beenden.

Wir erkennen an, dass unzählige Faktoren beteiligt sind, wenn es um Selbstmord geht, einschließlich Depressionen und Ängste, möglicher Alkohol- oder Substanzkonsum, körperliche Beschwerden, angespannte oder distanzierte Familienbeziehungen, allgegenwärtige Gefühle der Einsamkeit, Ablehnung und Hoffnungslosigkeit.

Wir erkennen auch an (weil wir Euch zugehört haben) dass ein tiefes Gefühl der Scham und Unwürdigkeit aus dieser Richtlinie und dem Großteil der begleitetenden Rhetorik der Kirche enstanden ist, und zwar über die Themen Sexualität und Geschlechtsidentität. Wir wissen heute, dass solche Gefühle der Scham und Unwürdigkeit zur gefährlichen Grundlage lebensbedrohlicher Verzweiflung werden können.

Wir können nicht länger mit gutem Gewissen das Gefühl der Scham und Verzweiflung aufrechterhalten, das durch unsere bisherigen Richtlinien, Praktiken und Lehren geschaffen und verstärkt wurde.

Mit sofortiger Wirkung wird die am 5. November 2015 bekannt gewordene Richtlinienänderung widerrufen. Kein Teil dieser Richtlinie wird weiterhin umgesetzt.

Wir möchten unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass wir uns geirrt haben, und es tut uns leid.

Wir wissen, wie unzureichend diese Worte nach dem unergründlichen Schmerz, der Trauer und dem Verlust, sein mögen, der durch diese Richtlinie entstanden ist, aber wir hoffen, dass sie einen sinnvollen Ausgangspunkt für Heilung und Aussöhnung bieten können.

Unsere Herzen gehen vor allem an die Eltern, Partner, Geschwister und Freunde der geliebten LGBTQ Mitglieder, deren Leben auf tragische Weise verkürzt worden ist. Wir sind uns bewusst, dass nichts, was wir sagen könnten, jemals deinen Schmerz vollständig lindern oder für unsere vergangene Unwissenheit und unser Missverständnis büßen würde….

Wenn Ihr uns gestattet, würden wir uns über die Gelegenheit freuen, mit Euch persönlich zusammen zu sitzen, um Eure Geschichten zu hören und Zeuge Eures Schmerzes zu werden. Unsere Türen bleiben für Euch offen, solange es dauert, bis Ihr inmitten des Kummers wohltuende Heilung findet. Wir hoffen, dass Ihr weiterhin Eure Geschichten mit uns teilt, bis wir gemeinsam einen Weg nach vorne finden können.

Wir lernen fortlaufend, während wir uns bereits auf dem Weg befinden. Wir bitten Euch um Geduld, während wir nach weiterer Erkenntnis streben.

Ihr seid unsere Lehrer. Unsere Herzen haben sich verändert und werden sich weiter verändern.

Wir glauben, dass ein helles, inklusiveres Morgen für unsere Kirche und ihre vielfältigen Mitglieder auf der ganzen Welt bevorsteht.

Wir sind bestrebt, nie wieder zu den Verständnislücken, Verzerrungen und Fehlannahmen der Vergangenheit zurückzukehren.

Wir bieten kostenlose Beratungsdienste durch psychiatrisches Fachpersonal in Ihrer Nähe an für alle, die von professioneller Unterstützung bei der Bewältigung der Schmerzen profitieren können.

Wir werden einen beträchtlichen Teil unserer Zeit, unserer finanziellen Mittel und anderer Ressourcen bereitstellen, um dazu beizutragen, sichere Räume für LGBTQ-Individuen auf der ganzen Welt zu schaffen, die sich in ihren Heimen, Gotteshäusern und Gemeinschaften unwillkommen fühlen.

Wir laden andere religiöse Institutionen ein, sich uns anzuschließen, um einladende Räume für alle zu schaffen.

An unsere LGBTQ-Brüder und -Schwestern, bitte verzeiht uns. Wir haben Euch verletzt. Wir haben Euch Unrecht getan. Wir sind uns bewusst, dass jeder Prozess der Versöhnung und Rückgabe Zeit in Anspruch nehmen wird. Es gibt keine Worte, die ausreichen, um die Qualen auszusprechen, die Ihr erlebt habt. Aber wir möchten jedem von euch noch einmal sagen, dass es uns leid tut.

Wir hoffen, dass wir Gelegenheit haben werden, Euch das persönlich mitzuteilen.

Die Säle unserer Versammlungshäuser und die Bänke unserer Kapellen waren weniger lebendig, ohne dass Du darin Platz genommen hast. Wir haben deine wichtigen Äußerungen, deine Präsenz, deine einzigartigen und vielfältigen Perspektiven vermisst. Wir laden dich ein, zurückzukommen und mit uns zu beten. Und wir werden verstehen, wenn du es nicht tust oder nicht kannst. Aber wir möchten, dass du weißt, dass du hier bei uns ein Zuhause hast.

Ihr seid wunderbare Kinder himmlischer Eltern, die euch bedingungslos lieben. Das haben wir vorher nicht gänzlich sehen oder verstehen können.

Wir schauen ab sofort hin zu dir – und wollen nie wieder wegschauen.

Du bist würdig. Du wirst geliebt. Du bist genug, genau so wie du bist.

Während wir Euch bitten, „Schönheit aus Asche“ zu erschaffen, versprechen wir, das was hier geschehen ist, nie wieder zu vergessen.

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Ulrike
Ulrike
5 Jahre her

Super Übersetzung! Hoffentlich erreicht sie viele, viele Mitglieder! Einmal mehr bin ich über die Ignoranz vieler meiner guten Freunde entsetzt.

Elisabeth
Elisabeth
5 Jahre her

Diese Zeilen sollten im Ensign abgedruckt werden, unzensiert. Danke für dein Engagement. Hoffentlich schlägt die Empörungswelle so hoch, dass sie als Inspirationsquelle für eine Entschuldigungsoffenbarung reicht.

Iris M.
Iris M.
5 Jahre her

Sehr schön und gefühlvoll geschrieben. Danke!

Miles
Miles
5 Jahre her

Beautifully stated John. Thank you ?

Guadi
Guadi
5 Jahre her

Kommt 26 Jahre zu spät

M. H.
M. H.
5 Jahre her

Ich liebe meine Position der Ehemann einer wundervollen, stets wandlungsfähigen und kosmopolitischen Frau sein zu dürfen. Diese Rolle erfüllt mich mit soviel Energie, dass ich für jeden etwas übrig habe, der diesen Vorzug nicht in seinem Leben hat, warum auch immer. Herzlich willkommen auf dem Weg ‚Näher zu Gott‘.