Glaubenskrise

An unsere Familie und Freunde

Claudine Foudray

In diesem kurzen Brief geht es nicht um Kirchen-Lehre, -Politik oder -Geschichte. Wir haben eine Botschaft, die uns aus dem Herzen kommt und die wir gerne teilen möchten. Wir wissen, dass viele von euch über unsere Entscheidung, die Kirche zu verlassen, verwirrt sein könnten. Wir nehmen es euch nicht übel, wenn ihr das so empfindet. Es gab eine Zeit, in der wir nicht verstanden haben, warum jemand aus der Kirche austreten würde. Vor 2016 konnten wir uns nicht vorstellen, an dem Ort zu sein, an dem wir jetzt sind.

Aber wir möchten, dass ihr Folgendes wisst: Niemand hat uns beleidigt. Wir lieben Euch genauso sehr, wie wir es immer getan haben! Wir glauben nicht mehr an die Wahrheitsansprüche der Kirche und wir vertrauen der Kirche als Institution nicht mehr; wir sehen jedoch immer noch viel Gutes im Mormonentum. Wenn ihr die Kirche liebt und das Gefühl habt, dass sie euch hilft, ein besserer Mensch zu werden, respektieren wir eure Entscheidung, aktiv zu bleiben.

Es gab Aspekte unseres Glaubenswechsels, die sehr schmerzhaft waren

Es ist nicht unsere Absicht, euch dazu zu bringen, eure Meinung zu ändern. Wir haben es nicht nötig, von Euch „gerettet“ zu werden. Es gab Aspekte unseres Glaubenswechsels, die sehr schmerzhaft waren, aber wir haben sie verarbeitet. Wir haben Frieden. Wenn ihr Fragen an uns habt, sind wir offen dafür, über alles zu reden. Wenn ihr jemanden kennt, der aus der Kirche ausgetreten ist, und ihr wissen wollt, wie ihr auf ihn zugehen könnt, sind wir vielleicht eine gute Anlaufstelle für euch. Wir hoffen, dass ihr einen Weg findet, um zu verstehen, dass die Kirche nicht für jeden ein sicherer Ort ist und dass manche Menschen die Kirche verlassen, weil sie ihrem Gewissen folgen. Wir wissen, dass wir die Entscheidung getroffen haben, die für uns richtig ist und im besten Interesse unserer geistigen Gesundheit liegt. […] Wir werden für immer dankbar sein für unsere Reise durch das Mormonentum und für all die guten Dinge, die wir als aktive Mitglieder gelernt haben. An dem Ort, an dem wir jetzt sind, glauben wir mehr denn je an die Macht der Liebe.

„PV-Antwort-Lösungswege können einem total im Weg stehen und toxische Dynamiken begünstigen“

Guido Müller

FRÜHER…

…lernte ich in der „Kirche“, dass die wichtigsten Lösungswege, wenn ich mich schlecht fühlte, in etwa folgende seien:

  • Gehorsamer gegenüber Gottes Geboten sein (kongruent mit den Geboten und Richtlinien der Kirche Jesu Christi HLT)
  • Mehr anderen Dienen
  • Mehr in den Heiligen Schriften lesen
  • Mehr beten
  • Weniger an mich selbst denken
  • Mehr in den Tempel gehen
  • etc. etc. etc.
Bildquelle: churchofjesuschrist.org

HEUTE…

…spüre ich mehr und mehr, dass die oben beschriebenen Lösungswege, die tausendfach in Sonntagsschul- und PV Klassen wiedergekäut werden, nicht nur zu kurz greifen und sondern sogar gefährlich irreführend sein können.

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Gründe, die trotz allem FÜR die Kirche Jesu Christi HLT sprechen

Ein Beitrag von Guido Müller

Hi liebe Leute, ich vermisse hier seit einiger Zeit bestimmte Argumente, die trotz allem FÜR die Kirche Jesu Christi HLT sprechen.

Selbst viele Ex-HLTs hier betonen regelmäßig die zahlreichen positiven Erfahrungen mit Mitgliedern, Gemeinschaft, etc. ….Ich kenne nicht so viele Organisationen, wo das der Fall ist.
Ich für meinen Fall kann sagen, dass es sich immer noch buchstäblich so anfühlt, eine Familie verloren zu haben. Es gibt Zeiten, da fühle ich mich innerlich zerrissen und traurig über das Ganze. Menschen und Gemeinschaft, die bestimmte Werte leben wollen, das hat einen Zauber und Reiz, egal was „die da oben“ anstellen. Menschen haben einen göttlichen Kern – und sie sind der Grund, warum diese Kirche wertvolle Gemeinschaft bietet. Immer wieder hört man, dass das System ohne Fehler sei, und die Menschen vor Ort Mist bauen, ich persönlich sehe es auch ein wenig andersrum: Wir haben zahlreiche Menschen, die erstmal allesamt von Natur aus auf eine gewisse Weise „wunderbar und göttlich“ sind, in einem System, das zahlreiche Schwächen besitzt und oft dafür sorgt, dass gute Menschen anderen guten Menschen und sich selbst schaden.

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Korihor: Harmlose Geschichte oder gewaltsame mentale Einflussnahme auf Kinder?

Guido Müller

Vielleicht ist es sonst noch jemandem aufgefallen: Ein Forenteilnehmer in der OF Facebook Gruppe hat seit ein paar Tagen begonnen, Menschen die die Kirche anzweifeln in Verbindung mit Korihor zu bringen. Darüber wollte ich zunächst einfach schmunzelnd hinweggehen. Nun wurde ich seit ich offen hinterfrage aber bereits mehrfach auch von anderen Menschen mit Korihor verglichen, z.B. von meinem kirchentreuen Bruder, der in Berlin Bischof ist. Somit denke ich, man kann es nicht einfach so abtun als nicht ernst zu nehmendes Troll-Verhalten oder eine Art Randerscheinung.

Diejenigen die in der Kirche aufgewachsen sind, erleben die Geschichte von Korihor ja bereits als Lektion in der PV oder sogar als Gute Nacht Geschichte. (Hier komplett nachzulesen in „Geschichten aus dem Buch Mormon“)

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„Eine innerlich gespaltene Organisation, die sich in einem harten Schutzpanzer versteckt“

Guido Müller

Ganz oft, wenn ich in den letzten Jahren mit der HLT-Kirche in Berührung kam, fühlte sich das an, als ob ich eigentlich mit „zwei Kirchen“ zu tun hatte. Auch in den Diskussionen hier habe ich oft das Gefühl, unterschiedliche Menschen reden über unterschiedliche Kirchen. Kann es sein, dass es nicht zwei Kirchen sind, sondern eine, die tief in sich selbst gespalten ist bzw. zwei völlig unterschiedliche Gesichter zeigt?

Einmal das Gesicht einer recht inklusiven, liebevollen und sogar stellenweise demütig wirkenden Organisation. Dieses Gesicht zeigte sich für mich in zahlreichen Sonntagsgottesdiensten, tollen Mitgliedern mit denen ich in Kontakt kam, an vielen Stellen im Buch Mormon und in zahlreichen sozialen Anlässen, in denen die Kirche Menschen zusammenbringt.

Auf der anderen Seite das Gesicht einer kontrollierenden und autoritären Persönlichkeit, die sich im Tempelendowment, Missionsregeln, Würdigkeitsinterviews und besonders in diversen Stellen des Buches Lehre und Bündnisse zeigt. Bestes Beispiel wäre hier Lehre und Bündnisse 132. Das wirkt so völlig aus dem Rahmen gefallen, dass einem ja beim Lesen die Kinnlade runterfällt.

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Überlebensstrategie oder Entwicklung?

Von Guido Müller

In den letzten Jahren hörte ich von manchen wohlmeinenden Menschen in meinem Umfeld: „Guido, Du warst doch früher so ein toller Mensch und immer so ein lieber Junge…“ Dann kommen auch gleich ohne weiteres Zuhören diverse Diagnosen und Rat-Schläge.

Wer das so schnell tut, muss ja wohl meinen, es gut oder sogar besser zu wissen, oder? Aber meinen die alle wirklich, dass es mir in fügsamer Akzeptanz und Anpassung an die diversen Muster in meiner Kirche und Familie besser ging? Das frage ich mich oft.

Diesen Menschen möchte ich aus heutiger Perspektive sagen: Meine frühere Angepasstheit in Familie und Kirche war vor allem eines: eine „Überlebensstrategie“, die ich brauchte, um ein Mindestmaß dessen zu erhalten, was ich damals für echte Liebe, Akzeptanz und Anerkennung hielt. In meiner Angepasstheit bekam ich diese Dinge – wenn auch nur kurzfristig. Mein emotionales „Überleben“ war gesichert… Im Gegenzug dazu verpasste ich aber wichtige Entwicklungsschritte:

1. Ablösungs- und Rebellionsphase
In dem ganzen angestrengten und auf das Überleben orientierten Gehorsam fehlte mir eine gesunde Ablösungs- und Rebellionsphase, die ich eigentlich gerne in der Jugend gehabt hätte…. Diese passte aber leider überhaupt nicht in meine Überlebensstrategie! Da stand damals – in der Vorbereitung auf die Mission – eine gewissenhafte Erlangung eines guten Kirchenzeugnisses im Vordergrund. Meine Mutter quittierte mir dies anerkennend damit, dass sie mich hin und wieder den „gläubigen Sohn“ nannte. Und weil andere, weniger angepasste Kinder von ihren Eltern und Autoritäten deutlich weniger Anerkennung erhielten, durfte ich mich in meinem Weg bestätigt fühlen.

2. Identitätsfindung
Habe ich mir damals jemals wirklich die Frage nach meiner Identität gestellt?! Inmitten der Lehren von „Autoritäten“ und Führern konnte ich in meiner übertriebenen Anpassung (Überleben geht immer VOR Entwicklung) keine wirklich eigene Antwort auf die Frage finden, wer ich eigentlich bin. Meine Überlebensstrategie sah vor, die Antworten von denen zu übernehmen, die mir seit Jahren sagten, dass sie bereits wüssten, wer ich genau sei… Auf eine gewisse Weise war das damals sogar einfacher und praktischer, als sich das selber zu erarbeiten. Dass das irgenwann mal nach hinten losgehen könnte, stand ja auch nicht im Raum. In der Kirche hörte man nur die tollen glamourösen Erfolgsstories.

3. Entwicklung einer gesunden Sexualität
Ich konnte keine gesunde Beziehung zu mir und meinem Körper finden. Scham und Schuld wurden zum ständigen Begleiter. Eine gesunde Entdeckungs- und Entwicklungsphase z.B. im jungen Erwachsenenalter waren gar nicht möglich.

An die selbsternannten „Ratschläge-Geber“ und Diagnostiker meines Lebens: Von außen betrachtet sehen die Leben der angepassten HLT-Kinder wohl echt aus wie der Traum der 60er: So wars damals bei mir auch. Das sind Kinder, die brav sonntags in der Bank sitzen bleiben, die die Schwester XY grüßen und fleißig mithelfen, wenn in der Gemeinde das Krippenspiel aufgebaut werden soll. Sollte es aber bei einem Kind hier eher um eine Überlebensstrategie handeln, weil das Kind ungünstig von den Eltern, religiösen Führern, etc. beeinflusst und erzogen wurde, ist nach dem „Überleben“ noch etwas sicher: Dass es irgendwann zum „großen Knall“ kommt. Dann dürfen die weiter oben genannten wichtigen Entwicklungsphasen nachgeholt werden….und wenn dann der ausgetretene HLT sein Bier hebt, die Kaffeemaschine kauft, ein Foto vom Tattoo postet, sich aus einer viel zu lange aufrecht erhaltenen toxischen Beziehung löst oder gegen die Intransparenz der Kirchenfinanzen aufbegehrt, darf der traditionelle HLT sich bestätigt fühlen, wie schlecht und rebellisch man wird, wenn man sich von dieser ach so wunderbaren und heiligen Organisation entfernt hat. Man würde sich dann aufgrund der Ironie des Ganzen fast wünschen, jemand würde mal ne gute Netflix-Serie darüber produzieren.

P.S.: Oft wird mir unterstellt, dass ich mit dem Erzählen meiner Erfahrung sagen will, dass JEDE UND JEDER das so erfährt. Nein, das sage ich so nicht. Ich glaube aber auch nicht, dass ich der einzige war.

„Mir wurde klar, dass es nicht die einzig wahre Kirche und der einzig wahre Weg zu Gott zurück sein kann, sondern eher eine von vielen Optionen ist“

Community-Beitrag von Melissa Petty

Ich bin die Melissa Petty, aufgewachsen in der Kirche aufgewachsen (2. Generation) und habe die meiste Zeit in der Gemeinde Augsburg verbracht.

Mit 21 Jahren ging ich auf Mission zum Tempelplatz, heiratete recht schnell danach meinen Ehemann, Anthon Petty, und zog zu ihm in die USA.

Wir beide haben an der BYU studiert, und sind zwischen Provo, Las Vegas und Washington D.C. herumgezogen, bevor es dann für uns ins Ausland ging.

Durch mein Studium und meine Zeit im Ausland lernte ich die Welt mit anderen Augen zu sehen, andere Kulturen, Religionen und Weltansichten zu schätzen.

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„Wir glauben nur sehr schwer an das, was uns nicht passt“

Community-Beitrag von Frank

Warum glauben eigentlich die meisten aktiven Mitglieder immer noch an die Wahrheit der Kirche?

Ich denke dabei nicht an die, die sich noch nie mit der Kirchenhistorie befasst haben. Die Frage richtet sich eigentlich mehr an die normalen vernünftigen Mitglieder, mit einem gewissen Intellekt, die schon Kontakt hatten, mit dem einen oder anderen seltsamen Thema aus der Kirchengeschichte. Den Großteil der aktiven Mitglieder meiner Gemeinde würde ich diesem Personenkreis zuordnen.

Ein Leben ohne Kirche ist nach jahrelanger Mitgliedschaft für die meisten Aktiven nur schwer vorstellbar, erst recht wenn auch Familie und Freunde in der Kirche voll dabei sind. Und alles klingt doch auf den ersten Blick so sinnvoll: Bündnispfad mit ewiger Ehe, Plan der Erlösung bis zum ultimativen Aufstieg zur mächtigen Gottheit – das ist doch sehr verlockend. Wer möchte an diesem Weltbild nicht gerne festhalten?

Auf dieses Weltbild trafen in den letzten Jahren zahlreiche neue unliebsame Erkenntnisse. Man könnte meinen, dass diese Erkenntnisse die Mitglieder in Strömen aus der Kirche treiben. Dem ist aber in diesem Ausmaß nicht so und das liegt an unserem Gehirn.

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François Radzik: „Veränderung in meinem Glauben“

Ein Gespräch mit François Radzik

Aufzeichnung des Live-Gesprächs vom Samstag den 21. Januar 2023

François Radzik, Familienvater, vormals Zweigpräsident, Bischof und Pfahlpräsident in der Schweiz sowie Autor diverser Bücher mit mormonischem Hintergrund, hat seine Bereitschaft erklärt, ab Januar 2023 Support Termine für HLT mit zu gestalten, die offen mit Bedenken, Fragen und Zweifeln umgehen wollen. In diesem Zuge führten wir dieses Live-Gespräch. Er beweist einmal mehr, wie bunt die Meinungsvielfalt unter HLTs ist, wenn man einmal wirklich offen und frei seine Meinung äußert. In diesem Video erfahren wir, wo François heute steht in seinem Prozess und was bei ihm zu Veränderung geführt hat.

AUSZUG AUS DEN FRAGEN

  1. Würdest Du uns ein paar Eckdaten zu Dir und Deinem Bezug zur Kirche geben?
    Wie lange bist Du Mitglied? Wie und wo hast Du gedient? Was hast Du in der Kirche geschätzt und tust es noch?
  2. Was waren ein oder zwei bewegende Momente in der Kirche für Dich? Wo Du gesagt hast: Das ist das richtige für mich. Hier bin ich richtig aufgehoben.
  3. Was waren Schlüsselmomente, wo sich Deine Beziehung zur Kirche verändert hat? Was ist da passiert und was hat es in Dir ausgelöst?
  4. Wie sieht heute Deine Überzeugung aus und was hat sich verändert?
  5. Du hast auch mehrere Bücher mit HLT-Bezug geschrieben – was würdest Du in groben Zügen heute anders schreiben?
  6. Warum hast Du Dich vor ein paar Wochen entschlossen, dass Du Menschen innerhalb der Kirche supporten willst, die einen offenen Umgang mit ihren Problemen und Zweifeln pflegen wollen?
  7. Was brauchen Menschen, die in der Kirche Zweifel und Probleme haben, aber doch drin bleiben möchten?
  8. Du hast davon gesprochen, dass Kirchenmitglieder eine Resilienz oder Widerstandsfähigkeit brauchen, und dass sie auch offen mit verstörenden Fakten umgehen können sollten. Wie stellst Du Dir das vor? Was tut man aktuell und wie könnte man es als Organisation womöglich besser machen?



Für mich eines der bezeichnendsten Zitate von François:

„Es ist nicht das einzelne Werk, das die Wahrheit birgt, es ist die Fülle von Meinungen, die uns der Wahrheit näherbringen.“

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Warum die HLT Kirche mitverantwortlich ist, wenn Mitglieder das „Gesamtpaket“ in den Mülleimer werfen

Guido Müller

Warum die HLT Kirche mitverantwortlich ist, wenn viele, die hinterfragen, das „Gesamtpaket“ in den Mülleimer werfen und nicht weiter ausdifferenzieren.

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