Elder Randell Hoffmann erzählt seine bewegende Geschichte, die in Reaktion auf Elder Oaks letzte Generalkonferenzansprache (Herbst 2017) entstand. „Randy“, wie ihn seine Freunde nennen, stammt aus Kalifornien und diente bis Juli 2015 in der Deutschland Berlin Mission.
Lieber Elder Oaks,
Heute vor zehn Jahren wurde ich in die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage getauft. Es war ein wunderschöner, besonderer Anlass, eine Verordnung, die ich gemeinsam mit Familie und Freunden gleichermaßen erleben durfte. Die Erinnerung daran ist in meinem Herzen genauso tief verwurzelt wie noch am Tag danach. Die Redner, die gesprochenen Worte, die gesungenen Lieder. Ich erinnere mich an die Schwestermissionare, die mich belehrt haben, und mich mit einer Interpretation von „Ich bin ein Kind von Gott“ überrascht haben. Ich saß dort in meinem weißen Overall, barfuß und mit kalten Füßen, hörte den Sprechern zu und fühlte mich so warm.
Ich hatte es geschafft, nicht die ganze Zeit zu weinen. Ich halte mich für ziemlich stoisch. Aber wie es Tradition ist, sprach Bischof Littlejohn nach der Taufe und „begrüßte“ mich in der Gemeinde. Er ließ mich mit ihm vorne stehen, während er sprach. Er stand neben mir und legte seine Hände auf meine Schultern. Er sah ein paar Gesichter, die neu waren, und fragte diejenigen, die ich eingeladen hatte aufzustehen. Meine damaligen treuen Freunde Marykate und Sammie standen auf. Wir hatten ein breites Lächeln im Gesicht und lachten. Auch meine geliebte Spanischlehrerin, Señora Batesole, stand auf. Sie hatte auch seine Söhne unterrichtet, und wir alle lächelten. An diesem Tag wurde viel gelächelt. Die drei setzten sich hin und Bischof Littlejohn bat alle, die mich kannten, aufzustehen. Wie eine Welle von Menschen stand der Raum da und sah mich an, feuchte Augen, lächelnde Gesichter und so eine warme Athmosphäre. Ich verlor mich in den Emotionen und hätte nicht mehr mit Liebe und Unterstützung erfüllt sein können. Dies waren Grundlagen, die meine Jugend verwandelt haben. Ich habe ihnen und meiner Familie viel zu verdanken.
Ich fing an, Pfadfinder mit Schulfreunden zu besuchen, einige Jahre bevor ich mich der Kirche anschloss. Unter der Menge waren diese Jungen, die jungen Frauen, mit denen ich zur Schule und zur Kirche ging, ihre Eltern, unterstützende Gemeindeleiter, die ich getroffen hatte, und meine Familie. Ich kann mich nicht erinnern, was Bischof Littlejohn damals sagte. Aber er brauchte damals nichts zu sagen. Die Gefühle im Raum sprachen laut genug: Das waren die Menschen, auf die ich mich zur Unterstützung, Führung und Liebe stützen konnte.
Und dann, als alles vorbei war, aßen wir im Nebenraum Brownies und Eiscreme. Ich bin mir nicht sicher, wer das organisiert hat. Ich habe nie danach gefragt, war aber so überrascht, dass sie das getan hatten. Ich glaube, ich habe die Wichtigkeit und Bedeutung dieses Tages unterschätzt.
Die Sonntage kamen und gingen und verwandelten sich in Wochen, dann in Monate und dann in Jahre. Ich sitze außerhalb meiner Klasse bei BYU-Idaho und beende mein letztes Jahr an der Universität, in dem ich dies schreibe. Zehn Jahre, ein Jahrzehnt, sind nun vergangen. Ich absolvierte die Highschool, begann das College und diente als Vollzeitmissionar. Und ich bin irgendwie immer noch nicht fertig mit dem College! Aber ich kann ehrlich gesagt nicht anders, als fasziniert zu sein, wo ich vor 10 Jahren war und wer ich war, im Vergleich zu wo und wer ich jetzt bin.
Ich bin ein homosexuelles Mitglied der Kirche, eines von denen, die Sie, Elder Oaks, weiterhin missachten. Letzten Monat sprachen Sie von der Verteidigung der traditionellen Ehe und der Familienproklamation.
Ich bin nun schon seit zehn Jahren Mitglied der Kirche und stehe an einer interessanten Kreuzung, um herauszufinden, wo ich mich gerade befinde. Ich hatte letztes Jahr meiner Familie offen gesagt, dass ich schwul bin. Zur Zeit bete ich nicht, aber ich danke Gott, dass meine Familie dem Einfluss der Kirche entkommen ist und mich ohne Zögern oder Tadel angenommen hat. Ich sehe so viele Männer und Frauen in meinem Alter, die sich mit ihren Familien viel schwierigeren Umständen gegenüber sehen, und es bricht mir das Herz. Es ist zu viel, Elder Oaks.
Vor zehn Jahren erlebte ich einen der schönsten Tage meines Lebens. Ich erinnere mich noch sehr gut daran: die Vorträge, die ich bei meiner Taufe gehalten habe, als ich ins Wasser ging und die Verordnung erfüllte. Alle Kinder eilten zum Glas am Taufbecken, um zuzusehen, weil sie nicht groß genug waren herunter ins Wasser zu sehen. Mein Bischof hieß mich willkommen, und die Gemeinde, in der ich aufgewachsen bin, war und ist voll von wirklich tollen Heiligen der Letzten Tage. Das wird immer eine positive Erinnerung für mich sein, und ich wünsche mir, dass Sie sich mehr Zeit an der Kanzel nehmen, um uns dabei zu helfen, einen Sinn im Bleiben zu finden. Aber es sieht so aus, als ob Sie zu sehr damit beschäftigt sind, Nichtmitglieder einer „gefallenen Welt“ anzugreifen, als sich um uns zu sorgen.
So viel ist geschehen, um meine bitteren Gefühle und meinen Zorn gegenüber der Kirche in den letzten Jahren zu nähren.
Ich lief wie ein „Geist“ durch Deutschland und fragte mich, wer ich auf einer tieferen Ebene war. Ich dachte wirklich, meine Mission würde „es“ verschwinden lassen. Ich habe diesem „es“ nie einen Namen gegeben. Warum helfen wir unseren jungen Mitgliedern nicht dabei, sich in sicherer Umgebung anvertrauen zu können, anstatt bei Ihnen Verzweiflung und Ressentiments zu nähren?
Ich wurde früh von meiner Mission nach Hause geschickt – unehrenhaft – zwei Wochen vor meinem Rückreisedatum. Kein Dankeschön von Ihnen für das, was ich getan habe, nur „Kirchenprobation“… und Therapie. Vielleicht sollten Sie einmal selbst Missionars-wohnungen aufräumen, jede Wohnung, in man lebt, neu organisieren und vielen dieser jungen Männer beibringen, wie man kocht und putzt und wie man lächelt und laut singt – um nachzufühlen, wie sich das für mich anfühlt.
Infolgedessen wurde ich auf Kirchenprobation („church probation“) gesetzt, was im Grunde genommen bedeutet, 30 weißen Männern die ich nie zuvor getroffen habe und die ich nie wieder sehen werde, gleichzeitig zu „beichten“, was ich im Detail in verschiedenen Situationen getan habe. Es war demütigend und respektlos. Ich fühlte, dass Gott mir schon lange vor dem Ablauf der „Bewährung“ vergeben hatte, aber niemand konnte sie (aufgrund der Bürokratie) aufheben. Schließlich ließ man mich an die BYU-Idaho zurückkehren, um mit meinem Leben weiterzumachen. Ich hätte schon längst mit der Schule fertig sein und Vollzeit für einen Gehaltsscheck arbeiten können.
Als ich wieder zu einem Mitglied in gutem Stande erklärt wurde, fühlte ich nichts. Ich war immer noch gefühlstaub. Ich dachte, ich wäre überglücklich, wenn ich noch einmal eine Tempelempfehlung bekäme. Aber es bedeutete mir wirklich sehr wenig. Ich ging Monate lang jede Woche in den Tempel, fühlte nichts und wunderte mich irgendwann, was ich dort eigentlich tat.
Ich kehrte schließlich im April 2016 in die Schule zurück, mit all meinen Freunden und einer schweren Klassenlast und schrecklichen Zimmergenossen. Meine Sonntagsschulstunden waren ähnlich dem, was ich hatte, als ich 15 und 16 Jahre alt war und in der High School; ich war 22 Jahre alt und im College. Ich wollte mehr und fragte mich, warum die Kirche ihre Mitglieder nie dazu gebracht hat, kritisch über das Evangelium und die Kirchengeschichte nachzudenken. Ich war es leid, immer und immer wieder dieselben Dinge zu wiederholen und am Rande von Leuten zu stehen, die mehr wollten. Warum muss das die Ausnahme sein?
Ich habe aufgehört zu beten. Ich habe aufgehört, die Schriften zu lesen. Und ich hörte auf zu folgen. Ich war müde.
Der Druck, das andere Geschlecht zu heiraten, war riesengroß und ich konnte kein Mädchen finden, mit dem ich mehr Zeit verbringen wollte. Ich war beschäftigt damit, die süßen Jungs auf dem Campus zu beobachten. Das bin ich immer noch. Zum Glück habe ich mittlerweile aufgehört, mir das zu verbieten.
Dieses letzte Jahr war voll davon, als Schwuler zu mir selbst zu kommen (und zu begreifen, dass die Lösung nicht darin besteht, eine Frau zu heiraten), Freunde in der Gemeinschaft um mich herum zu finden und ihren Geschichten zuzuhören, und ein aktives Mitglied zu werden und für sie einzutreten. Eine totale 180-Grad-Drehung, wirklich.
In den letzten zehn Jahren war ich der Grund dafür, dass die Welt, wie Sie (Elder Oaks) sagen, im „Niedergang begriffen“ ist und so schrecklich ist. Unglaubliche Anstrengungen wurden unternommen, um Menschen, die nicht Ihrem Glauben oder Ihrer sexuellen Orientierung angehören, Umkehr zu predigen und Glück zu bringen.
Es tut mir aufrichtig leid für Sie; wie schwer muss es sein, mit dieser Last fertig zu werden – der Last, die Freude und das Glück von Paaren und Alleinstehenden zu sehen, welche aufrichtig und vollkommen sie selbst sein können. Allerdings bin ich mir nach meinen Erfahrungen sicher: die Last, seit einem Jahrzehnt gesagt zu bekommen, dass, wer man selbst ist und wer die eigenen Freunde sind, eine abscheuliche Sünde ist, keineswegs ein Vergleich dazu ist.
„WIR BESTIMMEN UNSER LEBEN!!! Randell ich wünsche dir alles Glück der Welt LEBE DEIN LEBEN und fühle dich frei!!! DANKE dass du so offen geschrieben hast!!! Ich schicke dir Verständnis und LIEBE!!!“
[…] (5) Die persönliche Geschichte, die am meisten Interesse weckte, war Elder Randell Hoffmann, der in der Berlin Mission gedient hat:https://openfaith.de/2018/01/21/lieber-elder-oaks-ein-jahrzehnt-in-der-hlt-kirche/ […]