Ich bin die Melissa Petty, aufgewachsen in der Kirche aufgewachsen (2. Generation) und habe die meiste Zeit in der Gemeinde Augsburg verbracht.
Mit 21 Jahren ging ich auf Mission zum Tempelplatz, heiratete recht schnell danach meinen Ehemann, Anthon Petty, und zog zu ihm in die USA.
Wir beide haben an der BYU studiert, und sind zwischen Provo, Las Vegas und Washington D.C. herumgezogen, bevor es dann für uns ins Ausland ging.
Durch mein Studium und meine Zeit im Ausland lernte ich die Welt mit anderen Augen zu sehen, andere Kulturen, Religionen und Weltansichten zu schätzen.
Könnte es sein, dass „JESUS“ wie ein Becher ist, in den sich alles Erdenkliche füllen lässt? Wenn das so ist, sollten wir vielleicht genauer reinschauen, bevor wir davon trinken?
Mir begegnet die letzten Jahre immer wieder, dass alle Probleme und strittigen Fragen in der HLT-Kirche mit fünf Buchstaben weggezaubert werden sollen: „JESUS“:
„Wir wollen die Leute mit Zahlendruck bekehren? Wie bitte? Nein, wir wollen sie doch nur zu JESUS bringen.“
„Es gibt bei uns ungesunden Druck, Autoritäten Folge zu leisten? Nein, wie kommst Du denn darauf? Jeglicher Druck, wenn es ihn überhaupt gibt, ist darauf ausgerichtet, dass Du JESUS folgst.“
„Die Inhalte der Generalkonferenz sind keinesfalls zu sehr auf die Organisation und auf Gehorsam gegenüber Autoritäten bezogen, es wird ja immer mehrheitlich über JESUS gesprochen.“
„Die LGBT-Exklusionsrichtlinie soll problematisch sein? Nein, sie stammt direkt von JESUS – das war eine Offenbarung.“ (Nelson an der BYU…kurze Zeit später wurde die Richtlinie wieder zurück genommen)
„Mormonen, hast Du das wirklich grad gesagt? Das ist ein Sieg für den Satan, denn wir heißen in Wirklichkeit Kirche JESU Christi der Heiligen der Letzten Tage.“
„Die Gottesdienste haben problematische Inhalte und Zeugnisversammlungen sind wie eine indoktrinierende Echokammer, in der man sich mitunter selbst und anderen falsche Gewissheiten vorspielt? Nein, wir reden doch immer nur über JESUS.“
….so, ich glaube das reicht fürs erste…
Liebe HLTs,
vielleicht wäre es an der Zeit, dass wir uns alle mal der Möglichkeit öffnen, ob nicht JESUS bereits in langen Zeiten der Menschheitsgeschichte ein Becher war, in den leider manchmal recht beliebig alles Mögliche reingefüllt wurde:
Kreuzzüge im Namen von JESUS
Hexenverbrennungen im Namen von JESUS
Folterungen im Namen von JESUS
Ablassbriefe im Namen von JESUS
etc.etc.etc.
Ja, im Namen von JESUS tun gute Menschen auch viele gute Taten, das stimmt. Aber das tun extrem viele Menschen auch ohne da JESUS drin sehen zu müssen.
François Radzik, Familienvater, vormals Zweigpräsident, Bischof und Pfahlpräsident in der Schweiz sowie Autor diverser Bücher mit mormonischem Hintergrund, hat seine Bereitschaft erklärt, ab Januar 2023 Support Termine für HLT mit zu gestalten, die offen mit Bedenken, Fragen und Zweifeln umgehen wollen. In diesem Zuge führten wir dieses Live-Gespräch. Er beweist einmal mehr, wie bunt die Meinungsvielfalt unter HLTs ist, wenn man einmal wirklich offen und frei seine Meinung äußert. In diesem Video erfahren wir, wo François heute steht in seinem Prozess und was bei ihm zu Veränderung geführt hat.
AUSZUG AUS DEN FRAGEN
Würdest Du uns ein paar Eckdaten zu Dir und Deinem Bezug zur Kirche geben? Wie lange bist Du Mitglied? Wie und wo hast Du gedient? Was hast Du in der Kirche geschätzt und tust es noch?
Was waren ein oder zwei bewegende Momente in der Kirche für Dich? Wo Du gesagt hast: Das ist das richtige für mich. Hier bin ich richtig aufgehoben.
Was waren Schlüsselmomente, wo sich Deine Beziehung zur Kirche verändert hat? Was ist da passiert und was hat es in Dir ausgelöst?
Wie sieht heute Deine Überzeugung aus und was hat sich verändert?
Du hast auch mehrere Bücher mit HLT-Bezug geschrieben – was würdest Du in groben Zügen heute anders schreiben?
Warum hast Du Dich vor ein paar Wochen entschlossen, dass Du Menschen innerhalb der Kirche supporten willst, die einen offenen Umgang mit ihren Problemen und Zweifeln pflegen wollen?
Was brauchen Menschen, die in der Kirche Zweifel und Probleme haben, aber doch drin bleiben möchten?
Du hast davon gesprochen, dass Kirchenmitglieder eine Resilienz oder Widerstandsfähigkeit brauchen, und dass sie auch offen mit verstörenden Fakten umgehen können sollten. Wie stellst Du Dir das vor? Was tut man aktuell und wie könnte man es als Organisation womöglich besser machen?
Für mich eines der bezeichnendsten Zitate von François:
„Es ist nicht das einzelne Werk, das die Wahrheit birgt, es ist die Fülle von Meinungen, die uns der Wahrheit näherbringen.“
Ich stimme in Sachen Erziehung Dr. Julie Hanks zu. Sie sagte dass es aus ihrer Sicht gut ist wenn Kinder von Eltern und in anderen Kontexten einen Moral- und Werte-Kompass vermittelt bekommen, den sie als Ausgangspunkt nehmen können, um ihn zu leben, zu reflektieren, aber dem sie dann auch irgendwann widersprechen können oder damit anecken dürfen.
Wie können wir uns selbst, unsere Familien und unsere Gesellschaft nach der Dekonstruktion der Religionen und dem Versagen der kirchlichen Institutionen neu strukturieren? Wie können wir Spiritualität praktizieren, ohne die Wissenschaft hinter uns zu lassen? Das Mormonentum zum Beispiel ist eine sterbende Religion, deren Kirchengebäude nach und nach verkauft werden, deren Mitgliederzahlen sinken und deren Kinder fast ganz abwandern. Große Teile der entwickelten Welt werden schon bald keinen mormonischen Einfluss mehr haben. Was also kommt nun? Diesen und weiteren Fragen widmen sich Britt Hartley und Bill Reel in ihrem Podcast Almost Awakened.
Dabei kommen Sie auch auf eine spannende Analyse der aktuellen Situation, in der sich eine wachsende Anzahl HLTs wiederfindet. In einem Facebook-Post fasst Hartley den Ist-Zustand zusammen. In der Regel gibt es drei Möglichkeiten, die angeboten werden.
Ich bin während der Konferenz kaum dazu gekommen, mich mit den gepredigten Botschaften zu beschäftigen. Eine Stelle, über die wohl am heissesten und am meisten diskutiert wurde, sind die 1-2 Min von Neil L. Andersen zu denen ich hier vorgespult habe:
Verkürzt: Menschen, die die Kirche verlassen und besonders diejenigen die das nicht in sozialmedialer Mucksmäuschenstille tun, werden von Elder Andersen mit den Jüngern gleichgesetzt, die Jesus verlassen haben.
Wäre es wirklich so viel furchtbarer, wenn er stattdessen folgendes gesagt hätte:
Jahrelang habe ich geglaubt, dass mit mir etwas nicht in Ordnung ist. Jahrelang habe ich mich gefragt, ob ich es bin, die etwas falsch macht. Seit drei Jahren „darf“ ich mir das Prädikat „Witwe“ and die Brust heften, nichts was man gerne will, aber das Leben hat es so entschieden. Ich habe nie ein Geheimnis darum gemacht, warum das so ist. Ich war von 2017 bis 2020 relativ inaktiv in der Kirche. Denn 2017 erlitt mein Partner ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Eine Hirnblutung, die ihm fast das Leben gekostet hätte und die ihn, nach Klinik und Reha, pflegebedürftig zurück ließ. Auch wenn er körperlich wieder relativ hergestellt wurde, so blieb doch eine kognitive Einschränkung, die es schwierig machte ihn auch nur wenige Stunden allein zu lassen. Eine „aktive Teilnahme“ am Kirchenleben war so nicht möglich. Seine Betreuung hat mich, aller Professionalität zum Trotz, an meine psychischen Grenzen gebracht. 2019 kam dann der Suizid und ich bin kollabiert.
Ich find’s weder schlimm noch verachtenswert, für andere Menschen in Not zu beten und wenn mir jemand in einer schwierigen Lage sagt, sie/er würde für mich beten wollen, dann bedanke ich mich höflich im Respekt für das, was es dieser Person bedeutet. Dennoch finde ich, sollte man beim Beten etwas differenzieren.
DIE EINE SEITE
Für jemanden beten, das bedeutet auch immer, an diese Person zu denken…und das ist was Positives. Beten, das heisst hoffentlich für die meisten auch, sich Gedanken zu machen, was man für einen Menschen tun kann. Und es kann auch heißen, sich mit einer höheren und feineren Liebe und Intelligenz verbinden zu wollen. Und die eigenen Gedanken, Handlungen und Ziele damit in Einklang zu bringen. Ich bin total dabei, dass da viel Gutes drin steckt. Und vielleicht wollen Menschen auch einfach an einer Hoffnung und einer Sehnsucht festhalten und gute Wünsche zum Ausdruck bringen….alles top…alles gut! Bin jetzt persönlich nicht so derjenige, der tatsächlich glaubt, den russischen Panzern ginge durch die Gebete der Kraftstoff aus. Oder die Zielsysteme der Raketen versagen dadurch auf magische Weise und landen im Acker statt in der bewohnten Siedlung, wie ich heute gelesen habe. Aber insgesamt habe ich gegen Beten nicht so viel einzuwenden.
DIE ANDERE SEITE
Dennoch hab ich ein Gefühl im Bauch dass Beten auch heißen kann, Verantwortung abzugeben und sich aus der Affäre zu ziehen. Und wenn ich mir das Statement der Ersten Präsidentschaft ansehe, die früher mal gesagt haben, lediglich 0,4 % der jährlichen Vergrößerung ihres Dagobert Duck Tresors pro Jahr für alle humanitären Aktionen zu spenden, aber sich nun primär darauf beschränken, für die Menschen in der Ukraine zu beten, dann ist das für mich ein PR-Gau und hat etwas von toxischer Unverantwortlichkeit.
HINTERGRUNDWISSEN
Die Kirche hat sich vor ein paar Jahren mal damit geschmückt, schon seit 30 Jahren ca. 40 Mio pro Jahr für humanitäre und mildtätige Zwecke zu geben.
Auf ein Jahr gerechnet würde das bedeuten:
7 Milliarden steuerfreie Zinsgewinne aus dem Ensign Peak Fond + ca. 7 Milliarden Einnahmen aus Zehnten und Spenden = ca. 14 Milliarden jährliche Einnahmen (das sind 14000 Millionen Dollar, ein unfassbarer Betrag)
laufende feste Ausgaben jährlich: ca. 5 Milliarden Dollar habe ich mal gelesen.
Es bleibt ein Überschuss von 9 Milliarden jährlich, Tendenz steigend. Von diesem Überschuss werden 40 Mio gespendet. Wie viel Prozent sind das? Das wären dann ca. 0,4 Prozent, die die Kirche spendet.
Zum Vergleich: Falls ich pro Jahr 10000 Euro zur Seite legen könnte, würde das einer jährlichen Spende von 40 Euro entsprechen.Dafür dass es die reichste Kirchenorganisation der Welt (noch vor der katholischen Kirche) ist, kann uns das nicht besonders stolz machen.
Man sollte auch nicht unterschätzen, dass dieses Verhalten Vorbildwirkung hat. Klar, unzählige HLT helfen…auch ich….aber wie viele lassen sich unterschwellig von der „Dagobert-Betet-Mentalität“ beeinflussen und belassen es bei ein paar Bestellungen beim himmlischen Hilfs-Sheriff und ein paar symbolischen Spenden?
Wer so viele Möglichkeiten hätte und primär betet, macht es sich womöglich zu leicht
Wer auf 130 Milliarden Dollar für den Rainy Day sitzt, und dann in so einer Krise primär beten will, der WILL womöglich nicht wirklich helfen, sondern irgendwas anderes… Der gibt Verantwortung an ein ersehntes allmächtiges Wesen ab, ohne die eigenen Möglichkeiten auszuschöpfen. Der macht es sich zu leicht.
Wenn beten heisst, Verantwortung abzugeben, und nicht mehr zu überlegen, was man selbst auch in der realen Welt noch tun kann, dann lieber nicht beten und bitte diese Art des Betens auch nicht an die große Glocke hängen.
Als ich endlich anfing zu hinterfragen, ob mein Glaube an die Wiederherstellung der Kirche Gottes durch Joseph Smith usw. richtig ist, ob ich die Wahrheit gelehrt bekommen und gelehrt habe, fing ich auch an, meinen Weg in der HLT-Kirche zu beleuchten, prägende Ereignisse auseinander zu nehmen und endlich auch an mich ran zu lassen. Ich dachte oder redete es mir oft ein, dass wenn die überwältigende Mehrheit meines Umfeldes bezeugt, dass gewisse Dinge sich gut anfühlen oder anzufühlen haben, muss es ja an mir liegen, dass ich es nicht so empfinden kann. Vielleicht ist dem so, vielleicht auch nicht. Wenn es so ist, dann schäme ich mich nicht und lasse mir dies auch nicht einreden. Denn ich bin ein Individuum. Dem einen hilft Penicillin, dem anderen kann es unter Umständen ernsthaft schaden. Um meinen Weg in der Kirche zu überprüfen habe ich angefangen, Schlüsselmomente für mich niederzuschreiben und zu reflektieren.
Einer dieser Momente war mein Endowment bzw. das ganze Wochenende am und im Tempel eigentlich, aber das habe ich in mehrere Kapitel unterteilt. Ich teile mit euch das Kapitel, das über mein Endowment berichtet.
Warum nahm der Herr Abels Opfer an, aber Kains nicht? Diese Frage ist viel diskutiert und innerhalb unserer Kirche „dank“ der köstlichen Perle auch leicht zu beantworten. Kain ist von Beginn an auf der schiefen Bahn. Er liebte den Satan mehr als Gott. Anders wie Abel, hörte er nicht auf die Worte des Herrn und so erklärt sich die Ablehnung des Opfers. Abel dagegen leuchtet als Musterbeispiel des Gehorsams.
Andere christliche und jüdische Glaubensgemeinschaften sind der Meinung, dass Kain nicht mit der nötigen Liebe und Hingabe geopfert hat. Das Geschenk wäre also nicht von Herzen gekommen. Das scheint in der Köstlichen Perle zumindest kein Argument zu sein, denn schon Adam opfert nur aus Gehorsam ohne überhaupt genau zu wissen warum.
Eines ist zumindest gleich, Kain ist von vornherein der Böse und Abel der vorbildliche Gute. Dieser Darstellung widersprechen aber immer mehr Theologen, die sich mit dem Text in Genesis 4 auseinander gesetzt haben. Sie geben auf die o. g. Frage folgende Antwort: