Archiv für den Monat: Februar 2022

„Nicht das eigene Bauchgefühl ignorieren, wenn es mit einem Segen im Konflikt steht“

Erfahrungsbericht von Marion (Name geändert)

Bildquelle: Unsplash.com

Ich wurde in die Kirche geboren. Meine Erfahrungen waren ambivalent, auf der einen Seite gaben mir das Evangelium und die Gemeinde Halt und einen zusätzlichen sozialen Rahmen, auf der anderen Seite waren viele Aspekte des Evangeliums, so wie sie bei mir Zuhause gelebt wurden, auch belastend und ich fühlte mich in der Gemeinde oft einsam. Das änderte sich, als ich zum Studium in eine andere Stadt zog. Ich hatte eigentlich ernsthaft überlegt, ob ich die Gelegenheit nutzen sollte, um meine Kirchenaktivität zu verringern. Ich wurde aber von meiner neuen Gemeinde sehr herzlich empfangen. Es waren viele junge, offene Leute dort, ich knüpfte Freundschaften und traf auf einen Bischof, mit dem ich über die Dinge, die mich belasteten, sprechen konnte und der mir schließlich half, mich in der Kirche neu zu orientieren. Viele Jahre lang war diese Gemeinde eine Heimat für mich, ein Ort der mir guttat, mit Menschen die untereinander eine starke Gemeinschaft aufgebaut hatten. Dann kam eine Zeit, in der sich die Gemeinde veränderte, viele Mitglieder zogen weg, viele der neu Hinzugezogenen waren eher konservativ eingestellt. Mir fehlten die Leichtigkeit, die Fröhlichkeit, die Offenheit und der Pragmatismus meiner Gemeinde, für die ich mich damals doch wieder entschieden hatte. Aber das war kein großes Problem, denn mein Studium war fast beendet und damit ein baldiger Umzug in eine neue Gemeinde wahrscheinlich. 

Ich hatte eine Erkrankung, die eine angepasste Lebensplanung erfordert

Ich leide an einer chronischen Erkrankung, bei der gutartige Wucherungen im Bauchraum entstehen. Obwohl es sich nicht um Krebs handelt, können diese Wucherungen Gewebe zerstören, Nerven abdrücken und in den Bauchraum bluten, was Entzündungen, Schmerzen, Übelkeit und Schwächeanfälle hervorruft. Die Strategie meiner Ärzte war es, durch Medikamente und regelmäßige Operationen die Krankheit unter Kontrolle zu halten. Die genauen Mechanismen sind unbekannt, bei den meisten Betroffenen kommt die Krankheit aber ab einem bestimmten Alter zum Stillstand, ein Moment auf den ich in meiner ganzen Lebensplanung hingearbeitet habe. 

Mein Pfahlpräsident, gab mir einen Segen der sagte ich sollte mich in dieser speziellen Klinik operieren lassen

Während meiner Masterarbeit erlitt ich einen Schub meiner Erkrankung und als sich mein Gesundheitszustand über viele Monate verschlechterte wurde mir klar, dass etwas nicht in Ordnung war. Ich entschied, mich an eine der wenigen Kliniken in Deutschland zu wenden, die speziell für diese Krankheit ausgebildete Ärzte beschäftigen. Bisher hatte ich meine Operationen von unspezialisierten Ärzten des übergeordneten Fachbereichs ausführen lassen und war mit dem Ergebnis zufrieden gewesen. Da die Situation wirklich besorgniserregend war, fuhr ich zuvor zu meinem Pfahlpräsidenten, der mir in einem Segen bestätigte, dass ich eine gute Entscheidung getroffen hatte und mich dort operieren lassen sollte. Als ich mich aber in der Klinik untersuchen ließ, wurde mir gesagt, dass keine Wucherungen festgestellt wurden, die eine OP rechtfertigen würden. Ich wartete weitere 3 Monate ab, mein Zustand verschlechterte sich aber derartig, dass ich erneut Rat bei meinem Pfahlpräsidenten suchte. Er gab mir einen sehr emotionalen Segen, bei dem er mehrmals in Tränen ausbrach und mir sagte, dass ich diese OP unbedingt machen müsste. Einer seiner Sätze ist mir bis heute im Ohr „diese Operation wird dein ganzes Leben verändern“. Ich fuhr also erneut in die Klinik und bestand darauf, dass eine Bauchspiegelung vorgenommen wird, bei der man mit relativ geringem Aufwand nachsehen kann, wie es in meinem Bauch aussieht, mit der Bitte, bei einem positiven Befund die Wucherungen zu entfernen. 

Mein Bauchgefühl sagte mir dass ich die Klinik verlassen sollte, aber wegen des dringlichen und eindeutigen Segens kam es zur Operation

Es gab im Vorfeld der Operation einige Probleme, die mich auf eine schlechte Organisation und ein enges Zeitmanagement hätten hinweisen können. Mein Bauchgefühl sagte mir nach 2 chaotische Tagen im Krankenhaus, dass es vielleicht ratsam wäre ohne OP zu gehen. Ich war aber inzwischen viel zu erschöpft, um noch derartige Entscheidungen zu treffen und die Worte des Segens bestärkten mich an meinem ursprünglichen Plan festzuhalten. 

Um das nun folgende kurz zu schildern: Ich erwachte mit Lähmungen, neuronalen Ausfällen, starken Schmerzen und einem angeschwollenen Bauch voller Schläuche und konnte Blase und Darm nicht mehr entleeren. Mein andauernder sehr schlechter Zustand wurde ignoriert und trotz immer neuer Komplikationen nur symptomatisch behandelt.  Meine Bettnachbarin die ich als fitte, lebensfrohe Person kennen lernte, starb nach einer Routine OP, nach der ihr Zustand ebenfalls tagelang ignoriert wurde, in der Nacht einen grauenvollen Tod, während ich eine Stunde lang klingelte, ohne dass ein Arzt auf die Station gekommen wäre. Sie wurde dann durch Intensivmedizin zurück ins Leben geholt, wird aber nie mehr ein ansatzweise normales Leben führen können. Ich wurde nach 2 Wochen mit dem Hinweis, ich solle mich nicht so anstellen entlassen, ohne dass ich in der Lage gewesen wäre mich selbst zu versorgen geschweige denn alleine nach Hause zu kommen. In den nächsten 6 Monaten verstarb ich mehrfach fast an den Folgen der Operation. 

Diese Klinik war der letzte Ort, an dem ich hätte sein sollen und es resultierte eine Operation, die mein Leben in der Tat für immer verändert hat

Wie sich später herausstellte, war die Operation absolut notwendig, mein Bauch war voll von Wucherungen. Aber ich wurde 7 Stunden lang unter einem bestimmten Narkosemittel operiert, obwohl ich mehrfach darauf hingewiesen hatte, dass es damit zuvor Probleme gab. Der Arzt, der die Operation durchführte, hat mich vorher nicht gesprochen und ist auch später nie an meinem Bett erschienen. Blase und Darm wurden so schwer verletzt, dass eine normale Entleerung dauerhaft nicht mehr möglich ist. Ebenfalls eine normale Sexualität. Oder eine Schwangerschaft. Die Rumpfmuskulatur wurde so durchtrennt, dass ich meine normale Kraft nicht wiedererlangen werde. In meinem Bauch wurde in nicht nachvollziehbarer Weise geschnitten, Bindegewebe und andere wichtige Strukturen entfernt, Bereiche mit starken Wucherungen unbehandelt gelassen und am Ende so falsch ineinander vernäht, dass weitere Operationen nur noch unter Lebensgefahr möglich sind. Ein Teil meines Darms ist durch zerschnittene Nerven gelähmt, was dauerhafte Verdauungsprobleme und Übelkeit hervorruft. Ebenfalls wurde mein Hals verletzt, so dass eine normale Intubation nicht mehr möglich ist. Einige Bereiche sind so instabil, dass es jederzeit zu lebensgefährlichen Blutungen kommen kann. Verbliebene und neue Wucherungen können nicht mehr entfernt werden, sie werden jetzt durch viel stärkere Medikamente mit Langzeitfolgen notdürftig unter Kontrolle gehalten. Diese Klinik war also der letzte Ort, an dem ich hätte sein sollen. Und ja, die Operation hat mein Leben für immer verändert. 

Ich kehrte als völlig veränderte Person heim. Viele Aspekte meiner Persönlichkeit waren wie verschüttet.  Ich funktionierte nur noch. Panikattacken, Albträume und Flashbacks gehören bis heute zu meinem Alltag. Außerdem war mein Glaube an das Evangelium und an Gott verschwunden, ich wachte einfach ohne jegliche religiösen Gefühle aus der Narkose auf. 

Die nächsten Monate waren mit Überleben und der Bewältigung des Alltags gefüllt. Ich weiß, dass in meiner Gemeinde viel geredet und geplant wurde, es kam aber nicht viel konkrete Hilfe bei mir an. Ich fragte mich damals oft, wie es sein konnte, dass ich 10% meines Einkommens der Kirche gespendet, die Zeit und Kraft die mir neben dem Studium geblieben waren in die Gemeinde gesteckt hatte, jetzt aber trotzdem zusehen musste, wie ich alleine zurechtkam. 

Ein Trauma, das ich nicht wegbeten kann

Nach etwa einem halben Jahr besuchte ich wieder die Gemeinde. Ich wollte Antworten, meinen früheren Glauben zurückerlangen, wieder eine positive Zukunftsperspektive fühlen. Aber es ging nicht. Ich saß in den Versammlungen und fühlte mich wie ein Fremdkörper. Ging es darum, dass wir nicht über unsere Kraft geprüft werden und alles mit Gottes Hilfe bewältigen können, dachte ich daran, dass ich eindeutig Symptome eines Traumas habe das ich nicht einfach wegbeten kann. Ging es um die Familie, dachte ich daran, dass ich bis auf meine selbst eingeschränkten Eltern keine Familie habe die mir beisteht und auch keine eigene gründen werde. Ich wünschte mir nur, ich hätte den Mut gehabt, mich außerhalb der Kirche umzusehen, als ich merkte, dass ich auf den Tagungen nicht den richtigen Partner fand. Ging es darum, unseren Körper wie einen Tempel durch Keuschheit und das Halten des Wortes der Weisheit heilig zu halten, fragte ich mich, wo der Respekt Gottes gegenüber meinem Körper blieb. Ging es um das Vertrauen in die Liebe und Führung Gottes fragte ich mich, welcher Vater seinem Kind so etwas antut und sich dann nie mehr meldet. Ich hielt etwa ein Jahr lang durch und machte gute Miene zum schlechten Spiel. Ich engagierte mich mit aller mir noch verbliebenen Kraft, weil alles wieder so werden sollte wie früher. Die ständigen Dissonanzen in mir führten zu Depressionen, Zwängen und schließlich wurde ich suizidal. Es kam der Moment, in dem ich mich der Situation stellen und Konsequenzen ziehen musste, wenn ich weiterleben wollte. Und eine dieser Konsequenzen war der Kontaktabbruch mit der Kirche. Erst zur Probe um auszuprobieren wie es mir damit geht, dann für immer.

Die Heimlehrer kamen, um ein Thema zu geben und dann direkt wieder die Wohnung zu verlassen, sobald ich über meinen Entschluss sprechen wollte

Mit der Reaktion meines Umfeldes hatte ich nicht gerechnet. Viele waren völlig überrascht, obwohl ich durchaus über meine Gefühle gesprochen hatte. Kaum jemand wollte die Gründe für meine Entscheidung wissen. Ich werde nie vergessen, wie meine Heimlehrer kamen um ein Thema zu geben, um dann aufzustehen und die Wohnung zu verlassen, als ich stattdessen über meinen Entschluss sprechen wollte. Bis auf wenige Ausnahmen sind alle meine Freundschaften zu Kirchenmitgliedern zerbrochen. Offenbar war für sie meine „Rolle“ als Gemeindemitglied wichtiger als die vielen anderen Dinge, die uns verbunden haben. Über das was mir geschehen ist konnte ich nur mit wenigen sprechen, die Angst davor von mir ebenfalls in die Inaktivität gezogen zu werden und sich mit einem realen Erlebnis aus der unmittelbaren Umgebung statt einer Liahonageschichte auseinander setzten zu müssen war wohl stärker. 

Meine Zukunft, auf die ich mein Leben lang hingearbeitet habe und auf die ich mich gefreut habe, wurde mir durch die Operation genommen. 

Inzwischen sind 7 Jahre vergangen. Erst jetzt kann ich mich dem Ganzen wieder stellen, darüber sprechen, möchte mich nicht mehr verstecken. Heute habe ich mein altes Umfeld komplett hinter mir gelassen. Ich bin in eine andere Stadt gezogen, habe mir einen neuen, noch kleinen Freundeskreis aufgebaut und meine Lebensweise an meine Situation angepasst. Ich fand einen Arzt der mir mit einem aufwändigen Eingriff einen Teil meiner Lebensqualität und Selbstständigkeit zurückgegeben hat. Ich habe vieles von dem verwirklicht, was ich tun wollte, wenn „bessere Zeiten“ kommen. Trotzdem ist meine medizinische Prognose verheerend, die Schäden durch die Operation werden weiter fortschreiten, der wahrscheinliche Stillstand meiner Erkrankung in ein paar Jahren wird nicht mehr dazu führen, dass ich gesund werde. Und ich bin weiterhin nicht arbeitsfähig, mit allen daraus folgenden, finanziellen und sozialen Konsequenzen. Ich habe meine Gegenwart so eingerichtet, dass sie wertvoll und lebenswert ist. Meine Zukunft, auf die ich mein Leben lang hingearbeitet habe und auf die ich mich gefreut habe, wurde mir durch die Operation genommen. 

Nicht das eigene Bauchgefühl ignorieren oder den Verstand ausschalten, falls diese mit dem Inhalt des Segens in Konflikt stehen

Ich möchte noch einen Gedanken anfügen. Meine Ausführung soll keine grundsätzliche Ablehnung von Priestertumssegen sein. Ein Segen ist eine gute Gelegenheit, über die Situation oder das Problem zu meditieren und mit einem anderen Menschen darüber zu sprechen. Mir ging es oft besser, nachdem ich einen Segen erhalten habe. Ob das nun auf den Placeboeffekt und eine positive Erwartungshaltung, die Erleichterung, auf diesem Wege eine Lösung des Problems gefunden zu haben oder auch die Intervention einer göttlichen Macht zurück zu führen ist, mag erst mal zweitrangig sein. Aber sie ist eine Aufforderung, sich Gedanken über die „Qualität“ des Segens zu machen. Hat der Bruder den Mut, auch mal nein zu sagen, weil er sich gerade nicht bereit dazu fühlt einen Segen zu geben, oder findet er zwischen „Tür und Angel“ statt, von einem Bruder in Zeitnot oder der mit den Gedanken ganz woanders ist? Wird nach dem Segen nachgefragt, was daraus geworden ist oder wie die Person sich später damit gefühlt hat? Was ist, wenn sich der Segen nicht „erfüllt“? War er zum Beispiel so allgemein formuliert, dass der Interpretationsspielraum groß ist und meine hineinprojizierten Erwartungen zu hoch waren? Oder wird mir suggeriert, dass ich daran schuld bin, weil ich nicht genug geglaubt oder mich nicht genug bemüht habe? Wird die Erfüllung des Segens in die ferne Zukunft verschoben, gar in das Leben nach dem Tod? Diese Segen sind etwas sehr Persönliches, man muss darüber sprechen, bis es für beide Seiten eine zufriedenstellende Interpretation gibt. Oder gemeinsam eingestehen, dass man dieses Mal gescheitert ist. Meine Ausführung ist ebenfalls eine Warnung, nicht das eigene Bauchgefühl zu ignorieren oder den Verstand auszuschalten, falls diese mit dem Inhalt des Segens in Konflikt stehen. Beide Seiten tragen eine hohe Verantwortung. Denn auch derjenige, der den Segen gibt sollte sich voll darüber bewusst sein, was er in dem anderen auslösen kann, dass Aufforderungen wirklich umgesetzt, Hoffnungen geweckt und persönliche Entscheidungen beeinflusst werden.

Ist freier Wille eine Illusion?

Ein Community-Beitrag von Tobias Kempkens

Diese Frage erscheint auf dem ersten Blick kontraintuitiv zu sein. Schließlich treffe ich jeden Tag Entscheidungen. Und wenn ich vor der Eisdiele stehe, dann habe ich doch die freie Wahl, ob ich mich für Schoko oder Vanille entscheiden möchte. Lange Zeit galt auch in der Wissenschaft der freie Wille als so offensichtlich, dass ihn niemand ernsthaft in Frage gestellt hätte.
Doch dies hat sich in den letzten Jahrzehnten geändert. Für viele Physiker und Neurowissenschaftler erscheint bewiesen, dass es sowas wie einen freien Willen überhaupt nicht gibt oder geben kann. Und tatsächlich erscheinen die empirischen Ergebnisse und Modelle überzeugend, wenn man eine rein materialistische (und somit atheistische) Weltanschauung zugrunde legt. (Meist ist dies noch kombiniert mit der Vorstellung, dass dieses Universum komplett deterministisch in seinen Grundzügen funktioniert.)

Wir sehen zwar die Optionen, die es gäbe. Aber so wie unsere „Konfiguration“ ist, werden wir uns immer nur für die Option entscheiden, die wir auch wirklich gewählt haben.

Aber nun eine sehr verkürzte Darstellung der materialistisch-deterministischen Argumentation: Die Entscheidungsfindung eines Menschen findet im Gehirn statt und kann auch dort gemessen werden. Die Entscheidungsprozesse erfolgen über einen neuronalen Informationsaustausch in bestimmten Segmenten des Gehirns. Mittlerweile ist die Wissenschaft sogar so weit, dass man (mit sehr viel technischen Aufwand) die Gedanken von Menschen auslesen kann oder dessen Bilder im Kopf rekonstruieren kann. Wenn in der Physik und in diesem Universum eine harte Ursache-Wirkung-Kausalität existiert, dann wird die gleiche Ausgangsituation immer wieder das identische Ergebnis hervorrufen. Wie auch eine mathematische Gleichung immer nur das identische Ergebnis hervorbringen kann. Dies nennt man Determinismus. Über diesen Determinismus ließe sich – bei vollständigen Informationen – die Zukunft perfekt ableiten. Und unser Gehirn ist nun einmal aus Atomen und Elementarteilchen zusammengesetzt. Und folgen diese ebenfalls physikalischen Gesetzen, so sind deren zukünftige Bewegungen determiniert und somit auch welche Entscheidungen wird bei einer gegebenen Situation treffen werden. Wir sehen zwar die Optionen, die es gäbe. Aber so wie unsere „Konfiguration“ ist, werden wir uns immer nur für die Option entscheiden, die wir auch wirklich gewählt haben. (Dies hat auch eine wichtige theologische Komponente, auf welche ich noch eingehen werde).

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„Mein Gefühl sagte mir, dass etwas nicht stimmt“

Erfahrungsbericht von Sam (Name geändert)

Als ich endlich anfing zu hinterfragen, ob mein Glaube an die Wiederherstellung der Kirche Gottes durch Joseph Smith usw. richtig ist, ob ich die Wahrheit gelehrt bekommen und gelehrt habe, fing ich auch an, meinen Weg in der HLT-Kirche zu beleuchten, prägende Ereignisse auseinander zu nehmen und endlich auch an mich ran zu lassen. Ich dachte oder redete es mir oft ein, dass wenn die überwältigende Mehrheit meines Umfeldes bezeugt, dass gewisse Dinge sich gut anfühlen oder anzufühlen haben, muss es ja an mir liegen, dass ich es nicht so empfinden kann. Vielleicht ist dem so, vielleicht auch nicht. Wenn es so ist, dann schäme ich mich nicht und lasse mir dies auch nicht einreden. Denn ich bin ein Individuum. Dem einen hilft Penicillin, dem anderen kann es unter Umständen ernsthaft schaden. Um meinen Weg in der Kirche zu überprüfen habe ich angefangen, Schlüsselmomente für mich niederzuschreiben und zu reflektieren.

Einer dieser Momente war mein Endowment bzw. das ganze Wochenende am und im Tempel eigentlich, aber das habe ich in mehrere Kapitel unterteilt. Ich teile mit euch das Kapitel, das über mein Endowment berichtet.

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Warum nahm der Herr Abels Opfer an, aber Kains nicht?

Community-Beitrag von Frank

Bildquelle: scheublein.com

Warum nahm der Herr Abels Opfer an, aber Kains nicht? Diese Frage ist viel diskutiert und innerhalb unserer Kirche „dank“ der köstlichen Perle auch leicht zu beantworten. Kain ist von Beginn an auf der schiefen Bahn. Er liebte den Satan mehr als Gott. Anders wie Abel, hörte er nicht auf die Worte des Herrn und so erklärt sich die Ablehnung des Opfers. Abel dagegen leuchtet als Musterbeispiel des Gehorsams.

Andere christliche und jüdische Glaubensgemeinschaften sind der Meinung, dass Kain nicht mit der nötigen Liebe und Hingabe geopfert hat. Das Geschenk wäre also nicht von Herzen gekommen. Das scheint in der Köstlichen Perle zumindest kein Argument zu sein, denn schon Adam opfert nur aus Gehorsam ohne überhaupt genau zu wissen warum.

Eines ist zumindest gleich, Kain ist von vornherein der Böse und Abel der vorbildliche Gute. Dieser Darstellung widersprechen aber immer mehr Theologen, die sich mit dem Text in Genesis 4 auseinander gesetzt haben. Sie geben auf die o. g. Frage folgende Antwort:

„Wir wissen es nicht.“

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„Ich habe mich geschämt“: Kommentar zur Utah-Jugendfireside von Brad Wilcox (Ratgeber in der JM-Präsidentschaft der Kirche)

Von Gwen Eggers

Nunja. Das war ein reines Cringe Fest was der Bruder Wilcox da geboten hat. Aber ich denke, er hat dieses Lehrstück der Indoktrination leider vollkommen ernst gemeint. Man erlebt mich selten sprachlos, es braucht einiges um mich aus der Fassung zu bringen und mich zu erschüttern. Aber selbst mir passiert es. Und hier war es soweit. Vor zwei Wochen dachte ich noch, das Europa Devotional von den Nelsons wäre schon ein Maßstab für ‚cringe‘, aber Brad Wilcox hat die Messlatte hier richtig hoch gezogen und ist aufrecht und mit stolz erhobenen Haupt unter der von den Nelson’s durchmarschiert. Hat dabei gelacht und fröhlich gewunken.

Um den Cringe-, Indoktrinations- und Fremdschamfaktor zu bestärken hat er die Jugendlichen jedesmal die einzelne Punkte rezitieren lassen und war auch sonst nicht geizig mit despektierlichen Gesten, Mimiken und Intonationen, wenn es um anders gläubige oder anders denkende Menschen ging.

Ich habe die Fireside mit einem Freund, Seb, geschaut und wie gesagt, ich bin hart im Nehmen, mir ist nicht vieles peinlich, aber ich habe mich tatsächlich geschämt. Seb ist gläubiger Christ und Mitglied einer Pfingstgemeinde. Ich habe mich so sehr für diese Aussagen geschämt, dass ich gesagt habe, Sebastian es tut mir so leid, dass dieser Mensch deinen Glauben im und unter dem Deckmantel seiner Religion so sehr ins lächerliche zieht und deine Gefühle verletzt.

Ich bin an einem Punkt, wo ich nichts dagegen hätte, wenn es den Herren so richtig auf die Füße fallen würde

Beim Buchstaben P (P is for Priesthood) seiner Ansprache, die dadurch wie ein Ranking der Fremdscham wirkte, war für mich ein absoluter Tiefpunkt erreicht, der seines Gleichen sucht. Und nein, das ist nichts, absolut nichts, was ich noch schön reden kann oder will. Das ist unentschuldbar und ich bin gerade echt an einem Punkt, wo ich nichts dagegen hätte, wenn es den Herren so richtig auf die Füße fallen würde.

Nicht nur, dass er sich dazu herabgelassen hat, jeden anderen Glauben als Unsinn und Spielerei zu diffamieren, nein er hat auch den Rassismusjoker auf ekelhafte Weise gespielt. Letzteres ist eine Sache, die dazu führen muss, dass die Angestellten im Headoffice in ihrem Schweiß schwimmen, um das wieder zu glätten. Und ich bin froh, dass es Menschen gibt, die diese Fireside konserviert haben und es auf den Plattformen und sozialen Medien bereits seine Runde macht.

Aber der Reihe nach. Zuerst sagte er (zusammengefasst):
Meine Kinder haben Kirche gespielt, so wie andere Kinder Schule spielen. Ich wurde ein wenig nervös als meine Tochter anfing das Abendmahl zu segnen. Die Menschen [in anderen Kirchen] spielen Kirche. Sie haben nicht die Autorität. Sie wirken ernsthaft, und würden gerne Bedeutung haben aber sie haben die Autorität nicht. Sie haben nicht Gottes Erlaubnis. Zählen ihre Bemühungen auf der Erde oder in der Ewigkeit? Ich will etwas tun, was zählt. Und um das zu können brauchen wir das Priestertum. Wir spielen nicht Kirche…wir haben die Autorität.“

Er bringt eine Story in der eine Frau kirchlich heiraten wollte, und es missfiel ihr das „Bis dass der Tod euch scheidet“ und er erzählt ihr von der Siegelung.

Ich kenne genug Christen verschiedenster Denominationen und ihren Glauben mit einem Kinderspiel gleichzusetzen ist einfach respektlos.

Gegen eine extra Gebühr (selbstverständlich, weil du kannst ja bekanntlich alles für Geld kaufen, gerade bei den falschen Priestern, das haben wir ja schließlich so gelernt…) konnte sie dann beim protestantischen Pastor ihre eigenen Worte einbringen und wählte „gesiegelt für Zeit und alle Ewigkeit“ und das empfand Wilcox als so falsch, denn dazu fehle ihnen ja schließlich die Autorität. Nur wir sind die einzig wahre Kirche, die von Gott anerkannt wird. Alle anderen spielen nur Kirche. Amen. Wow. Einfach nur wow.

Ich kenne genug Christen verschiedenster Denominationen und ihren Glauben mit einem Kinderspiel gleichzusetzen ist einfach respektlos. Ein Schlag ins Gesicht vieler und ein ganz klares Zeichen dafür, wie Dialog nicht funktionieren kann.

Geht es schlimmer? Natürlich – es fehlt ja noch die Rassisten Karte. Er merkt an, dass es heutzutage viele gäbe, die Probleme mit dem Priestertum hätten. Sie fragen: Warum wurde den Schwarzen das Priestertum bis 1978 verweigert? Aber vielleicht stellen sie einfach die falsche Frage. Vielleicht sollten sie lieber Fragen warum wurde es der weißen Rasse bis 1829 vorenthalten? Und warum mussten die Heiden bis nach den Juden warten? Anstatt Gottes Timeline zu hinterfragen, sollten wir doch dankbar sein, dass sie Schwarzen es 1978 haben konnten. Wenn du jetzt denkst: Das hat er nicht gesagt … Doch das hat er. Die Tatsache, dass Joseph Smith keine Problem damit hatte, people of color zu ordinieren und erst Brigham Young diesen Bann und Sklaverei hochgehalten hat, erwähnt er selbstverständlich nicht.Ich weiß auch gar nicht mehr, was ich dazu sagen sollte, denn alles was ich dazu sagen möchte, wäre nichts nettes und Respektlos denen gegenüber, die Wilcox noch hochhalten und schätzen. Aber ich bitte people of color um Entschuldigung, dass ein Mann, der im Namen seiner Religion Rassismus betreibt, sich so verhalten hat. Ich stehe nicht dahinter und es ist nicht meine Sichtweise.

Warum Frauen das Priestertum nicht haben

Und nicht die Sichtweisen des Gottes an den ich glaube. Es tut mir leid. Und zu guter Letzt erklärt er uns noch warum Frauen das Priestertum nicht haben – aber nichts kann das zuvor gesagte noch schlimmer machen. Auch hier sind wir natürlich falsch davor. Wir Frauen haben natürlich die Autorität im Priestertum zu dienen. Wir werden ja durch das Priestertum berufen und im Tempel ja sogar in Roben des Priestertums gekleidet. Unser Leben ist umgeben von Priestertum, wir haben halt nur zwei Dinge nicht. Die Schlüssel des Priestertums, die haben ja eh nur wenige wie der Bischof oder der Ältestenkollegiumspräsident, und die Ordination und wieder stellen wir die falsche Frage, warum brauchen wir das nicht? Wir sind schließlich bevorzugt und können ohne Ordination in den Tempel Männer können das nicht. Also was bringen wir natürlicher Weise als Frauen mit, was Männer durch die Ordination lernen müssen? Das wäre die richtige Frage. Eine Antwort bleibt er dennoch schuldig.

Ist das ein Mindset, mit dem ich anderen Menschen begegnen möchte?

Ich will hier niemandem sagen, dass und das sind deine Rückschlüsse, die du daraus ziehen musst. Das sind ganz persönliche Dinge und Antworten, die jeder für sich selbst finden muss. Aber ich möchte dir raten, es nicht einfach auf dein Regal der Dinge, die dich ins Grübeln bringen zu stellen, irgendwo in die Ecke, damit du es nicht siehst und es von Staub bedeckt werden kann.

Ich möchte dir raten, es ganz genau anzuschauen und es auf dich wirken zu lassen – sind das Worte, die ich in meinem Herzen spüre, sind das Werte, die ich mit meinem Verständnis von Christus und seinem Leben vereinbaren kann? Sind das die Fundamente, auf die ich bauen kann? Ist das ein Mindset, mit dem ich anderen Menschen begegnen möchte? Denn auch das sollte klar sein, aller guten PR zum und auch aller Hochglanzreden zum Trotz – das ist orthodoxes Mormonentum und das ist auch, was die Kirche lehrt. Man darf Dinge kritisch sehen und hinterfragen und kann dennoch ein Mitglied ‚im guten Stand‘ sein.

Ich habe einen eingebauten Kompass, sozusagen meinen eigenen Liahona, wenn etwas nicht stimmt, wenn ich mit einem schlechten vibe, oder wie man so nett sagt schlechten Geistern konfrontiert bin, dann brennt es unangenehm im Bereich meines Solar Plexus. Das hab ich schon von Kindheit an und kann und konnte deswegen auch immer gut unterscheiden ob es jemand gut mit mir meint. oder nicht. Das soll jetzt nicht pathetisch klingen, aber gestern hat es richtig heftig weh getan.

Und ich möchte mit den Worten meines Freundes Seb schließen:
„Wenn du dich fragst, warum wir (in dem Fall der Bund der Pfingstgemeinden und die Evangelische Allianz) ein Problem damit haben, die Mormonenkirche als christliche Kirche anzuerkennen, dann weil dieser Mann gerade bewiesen hat, dass sie keine christliche Kirche ist, sondern unter dem Namen Jesus spaltet und Elitarismus betreibt. Das ist nicht christlich. Und es ist nicht wahr, dass junge Menschen sich von Gott abwenden, das dem nicht so ist, sehen wir Woche für Woche, wo Menschen im Gottesdienst Jesus ihr Leben geben. Aber es ist wohl wahr, dass junge Menschen sich von Dingen abwenden, die ihnen schaden können. Sei es nun physisch, psychisch oder spirituell. Wenn das, also diese Predigt, ein verzweifelter Versuch war, sie daran zu hindern, dann ist der kläglich gescheitert. Und es tut mir nicht einmal leid.“

„Kirche sollte kein Ort der Religion sein, sondern ein Ort an dem Jesus präsent ist und wirken kann“

Von Gwen Eggers

Bildquelle: unsplash.com

Ich möchte darüber schreiben was „Kirche“ für mich persönlich bedeutet. Dass ich Kirche so in Anführungszeichen setze, ist kein Zufall. Ich verstehe Kirche nicht unbedingt als eine Organisation, so wie wir es von der HLT-Kirche her kennen. Kein Ort, an dem alles durchdekliniert ist und der auf einem starren Regelkonstrukt gebaut wurde. Wo es kein „Handbuch“ geben muss, in dem jedes Jota und Dota vorgegeben ist und bei dem man den Eindruck gewinnen könnte, dass ein vergessenes Wort beim Abendmahl dazu führt, dass es nicht annehmbar wird. Kirche ist für mich jeder einzelne, der in Christus geboren ist, der ihn als seinen Herrn und Retter angenommen hat, und gerade durch seine Individualität einen Leib kreiert, der lebendig und in Bewegung ist.

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