Mormonismus

Korihor: Harmlose Geschichte oder gewaltsame mentale Einflussnahme auf Kinder?

Guido Müller

Vielleicht ist es sonst noch jemandem aufgefallen: Ein Forenteilnehmer in der OF Facebook Gruppe hat seit ein paar Tagen begonnen, Menschen die die Kirche anzweifeln in Verbindung mit Korihor zu bringen. Darüber wollte ich zunächst einfach schmunzelnd hinweggehen. Nun wurde ich seit ich offen hinterfrage aber bereits mehrfach auch von anderen Menschen mit Korihor verglichen, z.B. von meinem kirchentreuen Bruder, der in Berlin Bischof ist. Somit denke ich, man kann es nicht einfach so abtun als nicht ernst zu nehmendes Troll-Verhalten oder eine Art Randerscheinung.

Diejenigen die in der Kirche aufgewachsen sind, erleben die Geschichte von Korihor ja bereits als Lektion in der PV oder sogar als Gute Nacht Geschichte. (Hier komplett nachzulesen in „Geschichten aus dem Buch Mormon“)

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„Die offensichtliche Irreführung der Mitglieder überstieg unsere Schmerzgrenze“: 13 Thesen von François Radzik

Guido Müller

Martin Luther hat am 31. Oktober 1517 ein Dokument mit 95 Thesen zur Kritik an den Praktiken der damaligen katholischen Kirche an die große Eichentür der Schlosskirche in Wittenberg genagelt. Unser lieber Bruder und Ex-Pfahlpräsident François Radzik, hat geschmunzelt als ich ihn grad am Telefon fragte, ob er seine Thesen an die Tempeltür in Zollikofen nageln wird. Eigentlich sind sie primär dafür vorgesehen sie weiterzugeben wenn jemand nachfragt, warum er ausgetreten ist.

Nach langer Überlegung haben seine Frau und er ja vor kurzem doch die Kirche verlassen. Vor kurzem formulierte er die Gründe so:

Doch ausgetreten. Nun sind wir, Vreni und ich, also doch aus der Organisation „Kirche“ ausgetreten. Ja, anfangs – als wir begannen, uns von den Lehren und von den Verpflichtungen in der Kirche zu lösen – dachten wir noch, wir könnten eine Art Doppelleben führen, um unsere Nähe zu den Mitgliedern nicht aufgeben zu müssen. Aber wir hatten den Punkt erreicht, der uns von anderer Seite angedacht worden war: dass wir eine gewisse Unehrlichkeit an den Tag legten, auch uns selbst gegenüber. Tatsächlich empfanden wir zusehends – unter der Last der multiplen Informationen, die uns immer wieder erreichen – die völlige Entfremdung von vermeintlichen Glaubensinhalten und die Abstossung durch die unqualifizierten Belehrungen der Kirchenführer. Die offensichtliche Irreführung der Mitglieder überstieg unsere Schmerzgrenze. Wir mussten uns völlig loslösen.

Dies ist unser Weg, so wie jeder seinen Weg hat, der einer spirituellen Stufe seiner Seele entspricht. Wir haben das Struktur-gebende Narrativ der Kirchenlogik verlassen. Jetzt empfinden wir, dass wir zu neuen Horizonten geführt werden, denen wir bisher wenig Beachtung geschenkt haben. Die göttliche Dimension des Lebens ist für uns viel befreiender geworden. Unsere Beziehung zu unseren Mitmenschen und Freunden und zur materiellen Schöpfung ist gehaltvoller geworden. Die allumfassende Liebe des Schöpfers manifestiert sich uns auch in den scheinbar unbedeutendsten Momenten und Dingen unseres täglichen Lebens. Und wir erkennen die tiefgreifende Wahrheit eines John Milton, dem erblindeten Dichter aus dem 17. Jahrhundert: They also serve, who only stand and wait. Deutsch: Auch jene dienen, die nur dastehen und warten.

Unseres Erachtens spricht John Milton das wahre und eigentliche Priestertum des Menschen an, eine Dienstbereitschaft, die jedem Vernunft-begabten Wesen zukommt – ohne intermediäre Bevollmächtigung. Wir haben es gefunden.“

Nun hat François 13 Thesen zur Irreführung durch die Kirchenorganisation erstellt. Hier zum Lesen und Herunterladen:

„Eine innerlich gespaltene Organisation, die sich in einem harten Schutzpanzer versteckt“

Guido Müller

Ganz oft, wenn ich in den letzten Jahren mit der HLT-Kirche in Berührung kam, fühlte sich das an, als ob ich eigentlich mit „zwei Kirchen“ zu tun hatte. Auch in den Diskussionen hier habe ich oft das Gefühl, unterschiedliche Menschen reden über unterschiedliche Kirchen. Kann es sein, dass es nicht zwei Kirchen sind, sondern eine, die tief in sich selbst gespalten ist bzw. zwei völlig unterschiedliche Gesichter zeigt?

Einmal das Gesicht einer recht inklusiven, liebevollen und sogar stellenweise demütig wirkenden Organisation. Dieses Gesicht zeigte sich für mich in zahlreichen Sonntagsgottesdiensten, tollen Mitgliedern mit denen ich in Kontakt kam, an vielen Stellen im Buch Mormon und in zahlreichen sozialen Anlässen, in denen die Kirche Menschen zusammenbringt.

Auf der anderen Seite das Gesicht einer kontrollierenden und autoritären Persönlichkeit, die sich im Tempelendowment, Missionsregeln, Würdigkeitsinterviews und besonders in diversen Stellen des Buches Lehre und Bündnisse zeigt. Bestes Beispiel wäre hier Lehre und Bündnisse 132. Das wirkt so völlig aus dem Rahmen gefallen, dass einem ja beim Lesen die Kinnlade runterfällt.

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„Einer meiner wichtigsten Entwicklungsschritte war, die Situation anzunehmen“

Guido Müller

Ich muss mal ein Geständnis ablegen: Von den 117 Mio. Aufrufen, die dieses Musikvideo auf Youtube bereits hat, war ich gefühlt für 500 verantwortlich. Dieses Lied hat mich auf meinem abenteuerlichen Exit aus der Institution heraus emotional immer wieder aus der Talsohle gezogen. Mittlerweile kann ich besonders folgende Zeilen des Liedes bestätigen:

„Running is a victory
Beauty lays behind the hills
This ride is a journey to
The secret inside of you“

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„In einem Standard-System wird einem gesagt, was getan werden soll, und man wird weniger gefragt, ob es OK für einen ist“

Guido Müller

Ich habe mich manchmal nach meinem Austritt gefragt, warum ich zuweilen ein Problem zu haben schien, die Grenzen anderer Leute zu respektieren. Während das anderen – besonders in meinem nichtmormonischen Umfeld – anscheinend viel leichter von der Hand ging. Irgendwann fiel mir auf, dass ich mich hier nicht besonders schuldig oder schlecht fühlen muss. Denn wie bitte soll man dieses Verhalten lernen, wenn der moralische Leuchtturm und die dazugehörige Kirchenkultur, gar keinen Fokus auf den Respekt persönlicher Grenzen setzt? Erkenntnis ist immer der erste Schritt zur Besserung. Und ja, ich glaube ich habe gute Fortschritte gemacht…dennoch….

Claudine Foudray (Post Mormon Coaching)

+++BEGINN ZITAT VON CLAUDINE FOUDRAY+++

  • Als ich Mitglied der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage war, hörte ich oft das Wort “ Standards “ von der Kanzel herab.
  • Auch das Wort „Gehorsam“ habe ich öfter gehört, als ich zählen kann.
  • Ich kann mich nicht daran erinnern, dass irgendjemand über „persönliche Grenzen“ oder „Zustimmung“ gesprochen hätte.
  • Mir wurde sogar gesagt, dass die LDS-Kirche eine Kirche der „Aufgaben“ und nicht der „Freiwilligen“ sei.

Jetzt weiß ich, dass diese Kirche sich auf das Setzen von „Standards“ und „Vorgaben“ fokussiert, anstatt persönliche Grenzen zu respektieren.

👉️ In einem „Standardsystem“ wird einem gesagt, was getan werden soll, und man wird weniger gefragt, ob es OK für einen ist.

Claudine Foudray (Post Mormon Coaching)

+++ZITAT ENDE+++

„Ich wusste damals nicht dass ich Mitglied der vermutlich reichsten Kirche der Welt war“

Guido Müller

Auf einer spontanen Mini-Tempelführung, die ich als junger Erwachsener im Rahmen irgendeiner Tempelfahrt mitmachte, betonte mal einer der Tempelarbeiter, dass alles was im Tempel aussehe wie Gold, auch echtes Gold sei…nur eben ein goldener Überzug. Aber ja, auf jeden Fall echtes Gold! Boah…dachten sich die JAEs….cool….anfassen….!

Als ich im Rahmen eines Interviews zu meinem Ausstieg mal Wikipedia anschaute, staunte ich nicht schlecht. Wikipedia schätzte das Vermögen der HLT-Organisation noch höher ein als das der weltweiten katholischen Kirche. Bis dato wusste ich gar nicht, dass ich ein Mitglied der vermutlich reichsten Kirche der Welt war! 🤑

Tempel Taufbecken Mormonen (Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage)
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„Auf einem Haufen von Milliarden Dollar zu sitzen und trotzdem nach mehr zu streben, ist keine gute Treuhänderschaft. Es ist Gier.“

Community-Beitrag von Gwen

Behalte immer die richtige Einstellung. Immer. Niemand wurde jemals arm, weil er den Armen und Bedürftigen half. Auf einem Haufen von Hunderten von Milliarden zu sitzen und den Bedürftigen nur Krümel zu geben, ist eine verwerfliche Charaktereigenschaft. Im Namen Christi mit der eigenen Abscheulichkeit zu prahlen ist genau das: abscheulich.

Vergiss nie, was Jesus tun würde, und bedenke, dass es im Bereich der Möglichkeiten liegt, die Peitsche im Tempel zu schwingen und ein paar Tische umzutreten.

Vielmehr liegt es nicht nur im Bereich des Möglichen, sondern ist sogar Pflicht alles zu Geben, was wir können. Ein Geben ohne Erwartungen, Geben ohne gebeten zu werden, alles zu geben, was man kann, ein absolut bedingungsloses Geben. Wenn es uns aufs Herz gelegt wird und wir können.

Denn genau das würde Jesus tun. Gnade, nach allem, was wir tun können ist nicht Gnade, sondern Werkegerechtigkeit. Sinnlos und nutzlos. Vergeudetes Talent. Es ist bedingte Liebe.

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„Von den früheren Kirchensonntagen vermisse ich vor allem eines: Diese wöchentliche Bestätigung, dieses Auf-die-Schulter-Klopfen“

Kommentar von Guido Müller

Letztens sagte mir jemand aus dieser Community etwas, das sich unendlich ehrlich und authentisch für mich anfühlte… Zu seinem Hintergrund: Er ist ebenfalls aus der Kirche ausgetreten. Ich sehe ihn leider überhaupt nicht oft, aber immer wenn ich das tue, fühlt es sich wie mit einem vertrauten Freund und Bruder an…

Er sagte sinngemäß:
„Von den früheren Kirchensonntagen vermisse ich vor allem eines: Diese wöchentliche Bestätigung, dieses Auf-die-Schulter-Klopfen: Das hast Du aber gut gemacht!“

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„Verurteile nicht diejenigen, die es schaffen, das hinter sich zu lassen und sich auch ohne Kirche ein erfülltes Leben gestalten“

Community-Beitrag von Sam

Heute Morgen an diesem Sonntag, kurz nach dem Aufstehen, bin ich mit meinem Sohn (1 ½ Jahre) mit der Straßenbahn in die Stadt gefahren und wir haben dort ein leckeres Frühstück und eine schöne Zeit genossen. Warum war es denn so schön? Was veranlasste mich überhaupt dazu dies mit meinem Sohn zu unternehmen?

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Meine leicht veränderte Sicht auf die „netten Männer in Anzügen“

Kommentar von Guido Müller

In diesen Jahren habe ich gelernt, dass es Liebe ist, wenn man hinter jemandem steht, der sich grad zum Übergeben über die Toilettenbrille lehnt. Und dieser Person gut zuredet und wieder Mut macht.

Eigentlich habe ich gedacht, bei mir wäre mittlerweile „alles raus“ und ich will mich bei allen bedanken, die sich im Bad bei meinen kleinen Kotzanfällen hinter mir versammelt haben und diese „ertragen“ haben.

Heute muss ich jedoch noch einmal was ablassen liebe Leute. Wer das nicht so gut verträgt, bitte einfach nicht weiterlesen.

Bildquelle: Pressefoto lds.org

Habe jetzt jahrelang immer von den „netten Männern in Anzügen“ gesprochen, die durch ein druckvoll-autoritäres System hin und wieder zu kleinen (entschuldigt mein Deutsch) Arschlöchern im Namen des Herrn werden. Aber dass man es ihnen nachsehen sollte…dass sie eigentlich super nette Typen sind und dass sie ja nicht so ganz für das System verantwortlich gemacht werden können. (Mit den „Männern“ sind lokale Kirchen-Autoritäten gemeint.)

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