Gemeindehaus Kassel (Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, Spitzname: Mormonen)
Ich dachte lange Zeit ich müsste still sein, denn sonst würde dieser Bruder, der damals mein Bischof und später Jugendleiter war, in Frage stehen, seine Position in der Kirche und somit auch die Kirche selbst. Uns HLT-Mädchen wurde früh beigebracht, dass wir dazu da sind, Kinder zu bekommen, uns um Familie und Haushalt zu kümmern und dem Mann zu folgen. Auch dies führte dazu, dass ich nicht das nötige Selbstbewusstsein für einen offenen Umgang fand und verschloss das Geschehene in mir. Aber die letzten Monate reifte in mir der Entschluss, dass ich doch darüber reden will. Und zwar um auf ein Problem in dieser Kirchenorganisation hinzuweisen, dass nicht nur im deutschsprachigen Raum viele weitere (stille) Opfer gefordert hat und weiter andauert.
Viele Menschen, die in einer kontrollierenden Gruppierungen wie dem Mormonismus aufwachsen, werden zu „People Pleasern“ um zu vermeiden, dass sie von den Erwachsenen in ihrem Leben verurteilt, beschämt oder zurückgewiesen werden.
So zeigen sich Aspekte von People-Pleasing:
Ich zeige nur Teile von mir, von denen ich glaube, dass sie anderen gefallen werden. Ich weiß oft nicht, was ich will. Es fällt mir extrem schwer, nein zu sagen. Ich vermeide es zu sagen, was ich denke, weil ich keinen Konflikt riskieren will. Ich arbeite hart daran, die Erwartungen aller anderen zu erfüllen, damit ich sicherstellen kann, dass niemand jemals von mir enttäuscht wird. Ich analysiere Dinge, die ich gesagt habe, übermäßig, weil ich immer besorgt bin, dass ich jemanden irgendwie beleidigt haben könnte. Ich empfinde regelmäßig Groll gegenüber anderen, wenn sie nicht zu schätzen wissen, was ich opfere. Ich bin schnell dabei, mich zu entschuldigen, auch wenn ich nichts falsch gemacht habe. Es fällt mir schwer, Entscheidungen für mich selbst zu treffen, ohne andere zu fragen, was ich ihrer Meinung nach tun sollte.
Der Mormonismus hat dir möglicherweise die Illusion vermittelt, du könntest die Zustimmung anderer Leute zu dir kontrollieren.
Wenn du die „richtige“ Antwort gibst, bekommst du Zustimmung. Wenn du dein Zeugnis gibst, bekommst du Zustimmung. Wenn du ja zu einer Berufung sagst, bekommst du Anerkennung.
Jedes. Einzige. Mal.
Wenn Du dann die Kirche verlässt, könntest Du…
einen Entzug an „Anerkennung“ durchmachen auf der Suche nach der „richtigen“ Antwort sein denken, dass Du die Meinung anderer Leute hören musst, bevor Du eine Entscheidung für sich selbst treffen kannst
Das bedeutet nicht, dass mit Dir etwas nicht stimmt. Du warst sehr lange Zeit in einer „angepassten“ Umgebung! Außerhalb der Kirche gibt es viel mehr Unsicherheit. Verschiedene Menschen haben unterschiedliche Meinungen und Vorlieben.
Es ist in Ordnung, wenn deine Gedanken nicht die gleichen sind wie die anderer Menschen UND es ist in Ordnung, wenn du noch nicht herausgefunden hast, was du denkst. Du kannst eine Meinung „anprobieren“ und sehen, wie sie sich anfühlt. Wenn du merkst, dass du sie nicht magst, kannst du deine Meinung ändern.
kurz zu mir: Ich bin 18 Jahre alt und seit einem Jahr ein „Investigator“ in der Kirche. Ich habe bereits Teile des CES Letters gelesen und mir die Videos von Alyssa Grenfell angesehen. Die darin geäußerte Kritik konnte ich entweder mit dem Faithful Reply to the CES Letter oder durch eigenes Nachdenken klären.
Ich habe viel im Buch Mormon gelesen und mehrmals darüber gebetet. Ich denke, dass die Kirche wahr ist.
Was sollte ich noch beachten, bevor ich mich taufen lasse? (Antworten der OF-Community in den Kommentaren)
In diesem kurzen Brief geht es nicht um Kirchen-Lehre, -Politik oder -Geschichte. Wir haben eine Botschaft, die uns aus dem Herzen kommt und die wir gerne teilen möchten. Wir wissen, dass viele von euch über unsere Entscheidung, die Kirche zu verlassen, verwirrt sein könnten. Wir nehmen es euch nicht übel, wenn ihr das so empfindet. Es gab eine Zeit, in der wir nicht verstanden haben, warum jemand aus der Kirche austreten würde. Vor 2016 konnten wir uns nicht vorstellen, an dem Ort zu sein, an dem wir jetzt sind.
Aber wir möchten, dass ihr Folgendes wisst: Niemand hat uns beleidigt. Wir lieben Euch genauso sehr, wie wir es immer getan haben! Wir glauben nicht mehr an die Wahrheitsansprüche der Kirche und wir vertrauen der Kirche als Institution nicht mehr; wir sehen jedoch immer noch viel Gutes im Mormonentum. Wenn ihr die Kirche liebt und das Gefühl habt, dass sie euch hilft, ein besserer Mensch zu werden, respektieren wir eure Entscheidung, aktiv zu bleiben.
Es gab Aspekte unseres Glaubenswechsels, die sehr schmerzhaft waren
Es ist nicht unsere Absicht, euch dazu zu bringen, eure Meinung zu ändern. Wir haben es nicht nötig, von Euch „gerettet“ zu werden. Es gab Aspekte unseres Glaubenswechsels, die sehr schmerzhaft waren, aber wir haben sie verarbeitet. Wir haben Frieden. Wenn ihr Fragen an uns habt, sind wir offen dafür, über alles zu reden. Wenn ihr jemanden kennt, der aus der Kirche ausgetreten ist, und ihr wissen wollt, wie ihr auf ihn zugehen könnt, sind wir vielleicht eine gute Anlaufstelle für euch. Wir hoffen, dass ihr einen Weg findet, um zu verstehen, dass die Kirche nicht für jeden ein sicherer Ort ist und dass manche Menschen die Kirche verlassen, weil sie ihrem Gewissen folgen. Wir wissen, dass wir die Entscheidung getroffen haben, die für uns richtig ist und im besten Interesse unserer geistigen Gesundheit liegt. […] Wir werden für immer dankbar sein für unsere Reise durch das Mormonentum und für all die guten Dinge, die wir als aktive Mitglieder gelernt haben. An dem Ort, an dem wir jetzt sind, glauben wir mehr denn je an die Macht der Liebe.
…lernte ich in der „Kirche“, dass die wichtigsten Lösungswege, wenn ich mich schlecht fühlte, in etwa folgende seien:
Gehorsamer gegenüber Gottes Geboten sein (kongruent mit den Geboten und Richtlinien der Kirche Jesu Christi HLT)
Mehr anderen Dienen
Mehr in den Heiligen Schriften lesen
Mehr beten
Weniger an mich selbst denken
Mehr in den Tempel gehen
etc. etc. etc.
Bildquelle: churchofjesuschrist.org
HEUTE…
…spüre ich mehr und mehr, dass die oben beschriebenen Lösungswege, die tausendfach in Sonntagsschul- und PV Klassen wiedergekäut werden, nicht nur zu kurz greifen und sondern sogar gefährlich irreführend sein können.
Wir leben in einer Welt, wo das Bewusstsein gewachsen ist, dass Ungerechtigkeit und Leid, das durch unregulierte religiöse Machtausübung passiert, durch freie Rede und angebrachte Kritik eingedämmt werden kann. Hier sind insbesondere Menschen gefragt, die mit den jeweiligen Religionen direkt zu tun hatten oder ein Teil davon sind.
Während religiöse Führungspersonen zahlreicher Religionen sich in Richtung eines gesünderen, gemäßigten Umgang mit Kritik bewegen, bleiben unzählige HLTs mehr oder weniger auf dem Stand von Oaks. Stimmt es, dass sie im Tempelendowment weiterhin versprechen müssen, „evil speaking of the Lords anointed“ zu unterlassen…? Oder wurde das kürzlich entfernt? Das ist ein Freibrief dafür, jegliche auch sinnhafte Kritik am Verhalten von Kirchenführern im Keim zu ersticken und direkt das Verhalten eines Kritikers als „sündhaft“ einzustufen.
Viele Menschen würden lieber sterben, als in ihrer Gemeinschaft Scham zu erleben
Die Psychologie sagt: Viele Menschen würden lieber sterben als innerhalb ihrer Gemeinschaft „Scham“ zu erleben und Gefahr zu laufen, am Rande oder „draußen“ zu stehen. Das macht evolutionstechnisch gesehen auch Sinn, finde ich: Vom Stamm verstoßen zu werden und ganz allein gegen den Säbelzahntiger kämpfen „is no fun“. Damit wird das Tempelversprechen ein nicht zu unterschätzender unterbewusster Maulkorb für alle Mitglieder.
Hi liebe Leute, ich vermisse hier seit einiger Zeit bestimmte Argumente, die trotz allem FÜR die Kirche Jesu Christi HLT sprechen.
Selbst viele Ex-HLTs hier betonen regelmäßig die zahlreichen positiven Erfahrungen mit Mitgliedern, Gemeinschaft, etc. ….Ich kenne nicht so viele Organisationen, wo das der Fall ist. Ich für meinen Fall kann sagen, dass es sich immer noch buchstäblich so anfühlt, eine Familie verloren zu haben. Es gibt Zeiten, da fühle ich mich innerlich zerrissen und traurig über das Ganze. Menschen und Gemeinschaft, die bestimmte Werte leben wollen, das hat einen Zauber und Reiz, egal was „die da oben“ anstellen. Menschen haben einen göttlichen Kern – und sie sind der Grund, warum diese Kirche wertvolle Gemeinschaft bietet. Immer wieder hört man, dass das System ohne Fehler sei, und die Menschen vor Ort Mist bauen, ich persönlich sehe es auch ein wenig andersrum: Wir haben zahlreiche Menschen, die erstmal allesamt von Natur aus auf eine gewisse Weise „wunderbar und göttlich“ sind, in einem System, das zahlreiche Schwächen besitzt und oft dafür sorgt, dass gute Menschen anderen guten Menschen und sich selbst schaden.
Seit sieben Jahren gibt es hier jetzt den Dialog zwischen HLTs jeder Couleur, egal ob noch Mitglied der Kirche, ausgetreten oder etwas „dazwischen“ – ausgestattet mit einem breiten Spektrum an Erfahrungen und Sichtweisen. Hier gibt es einige HLTs, die sich regelmäßig damit auseinandersetzen und anhören, was ausgetretene HLTs zu sagen haben. Aber eben auch umgekehrt. Was hier kommuniziert wird, hat sicher auch einen Einfluss darauf, wie man mit den Liebsten spricht. Dabei gilt wie überall: Der Ton macht die Musik. In diesem Forum ging es häufig darum, wie ehemalige HLT nicht behandelt werden wollen. Nun mal zum Thema, wie man als ehemaliger HLT diejenigen im eigenen Kreise behandelt, die noch hingehen.
Die Anregungen von Dr. Julie Hanks: (ich bin mir sicher, sie meint die Liste wirklich als Anregung und nicht als „Vorschrift“.)
Wenn ich heute über meine Mitgliedschaft bei den Mormonen nachdenke, erfüllt mich dies mit Unverständnis und Betroffenheit. Ich frage mich, wie ich diese Organisation über so lange Zeit zum Mittelpunkt meines Lebens machen konnte. Heute, nachdem ich im Zug meiner Nachforschungen dutzende von Büchern und tausende von Seiten gelesen und auch die unerfreulichen Aspekte dort erlebt habe, halte ich diese Organisation nicht nur für unehrlich und unchristlich, sondern für durchweg korrupt und betrügerisch. Ich bereue, dass ich so viel Zeit und Energie in diese Organisation gesteckt habe. Und ja, es reut mich auch das viele Geld, das ich gespendet habe. Erklären kann ich mir das nur mit einer gewissen Blindheit, die dort verordnet wird und die man sich in gewissem Maß auch selbst verordnet. Wer in so einem System aufwächst und erzogen wird, hat es besonders schwer, sich von dieser Blindheit frei zu machen. Alle Sekten machen abhängig, sie wollen und müssen dies um ihre Ziele zu erreichen, auch wenn sie, wie die Mormonenkirche, verbal die Entscheidungsfreiheit propagieren. Sie arbeiten über unser Unterbewusstsein: Schuld und Angst sind ihre wichtigsten Mittel um Gehorsam und Abhängigkeit zu erreichen. Eine Programmierung, von der sich ein Mitglied mit zunehmender Dauer immer schwerer lösen kann.
Bildquelle: Pressefoto der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Spitzname: Mormonen)
Vor 20 Jahren bin ich aus der Mormonenkirche ausgetreten. Ich möchte hier mit euch teilen, mit welcher Frage alles bei mir angefangen hat:
Ich stieß auf ein Problem, das die Authentizität des Buches Mormon in Frage stellt
Im Laufe meines Germanistik-Studiums lernte ich irgendwann, wie Texte vor der Erfindung des Buchdruckes handschriftlich überliefert wurden, welche Fehler dabei auftraten und wie man nach den Methoden der heutigen Textkritik die ursprünglichen Texte zu rekonstruieren versucht. Als ich diese Erkenntnisse auf den Jesaja-Text im Buch Mormon anwandte, stieß ich zum ersten Mal durch eigene Nachforschungen auf ein Problem, das die Authentizität des Buches Mormon in Frage stellt. Obwohl das in der Kürze nicht ganz leicht zu erklären ist, versuche ich es hier dennoch: Generell ist bei handgeschriebenen Texten – was alle Texte bis ins 15. Jhd. waren – eine Kopie dem Original umso ähnlicher, je älter sie ist. Je mehr Abschriften von Abschriften, desto mehr Fehler treten auf – verständlicherweise. Nun lebte Jesaja ca. 700 v. Chr., unsere älteste Kopie dieses Buches stammte für lange Zeit aus dem 10. Jhd. n. Chr. Da Lehi Jerusalem 600 v. Chr. verlies, musste sein Jesaja-Text auf dem Messingplatten der orginalgetreueste sein, vermutlich hat damals das Original sogar noch existiert. Das könnte erklären, wie die vielen Veränderungen im Jesaja des BM gegenüber der Bibel zustande kamen: der Text wurde in über eineinhalb Jahrtausenden so stark abgeändert, dass vieles einen völlig anderen Sinn erhielt. Soweit so gut. Die Sache wird aber problematisch, wenn man nun die Schriftrollen vom Toten Meer in Betracht zieht. Die nämlich enthielten eine vollständige Jesaja-Rolle – datiert auf das 1. Jhd. v. Chr. Nach allen Regeln der Textüberlieferung müsste dieser Text vom Toten Meer am meisten mit dem Text des BM übereinstimmen. Tut er aber nicht – ganz im Gegenteil. Von den vielen Änderungen im BM gegenüber der Bibel enthält der Jesaja-Text vom Qumran nicht eine einzige! Dagegen stimmen Bibel-Jesaja und Tote-Meer-Jesaja zu 99,9 Prozent überein. Und was das Ganze noch problematischer macht: An einigen wenigen Stellen konnte der Text der Bibel durch die Jesaja-Rolle vom Toten Meer verbessert werden – eben Überlieferungsfehler. Diese Fehler wiederum sind im BM alle vorhanden – ausnahmslos.