Kirche Jesu Christi HLT

„Ich habe mich geschämt“: Kommentar zur Utah-Jugendfireside von Brad Wilcox (Ratgeber in der JM-Präsidentschaft der Kirche)

Von Gwen Eggers

Nunja. Das war ein reines Cringe Fest was der Bruder Wilcox da geboten hat. Aber ich denke, er hat dieses Lehrstück der Indoktrination leider vollkommen ernst gemeint. Man erlebt mich selten sprachlos, es braucht einiges um mich aus der Fassung zu bringen und mich zu erschüttern. Aber selbst mir passiert es. Und hier war es soweit. Vor zwei Wochen dachte ich noch, das Europa Devotional von den Nelsons wäre schon ein Maßstab für ‚cringe‘, aber Brad Wilcox hat die Messlatte hier richtig hoch gezogen und ist aufrecht und mit stolz erhobenen Haupt unter der von den Nelson’s durchmarschiert. Hat dabei gelacht und fröhlich gewunken.

Um den Cringe-, Indoktrinations- und Fremdschamfaktor zu bestärken hat er die Jugendlichen jedesmal die einzelne Punkte rezitieren lassen und war auch sonst nicht geizig mit despektierlichen Gesten, Mimiken und Intonationen, wenn es um anders gläubige oder anders denkende Menschen ging.

Ich habe die Fireside mit einem Freund, Seb, geschaut und wie gesagt, ich bin hart im Nehmen, mir ist nicht vieles peinlich, aber ich habe mich tatsächlich geschämt. Seb ist gläubiger Christ und Mitglied einer Pfingstgemeinde. Ich habe mich so sehr für diese Aussagen geschämt, dass ich gesagt habe, Sebastian es tut mir so leid, dass dieser Mensch deinen Glauben im und unter dem Deckmantel seiner Religion so sehr ins lächerliche zieht und deine Gefühle verletzt.

Ich bin an einem Punkt, wo ich nichts dagegen hätte, wenn es den Herren so richtig auf die Füße fallen würde

Beim Buchstaben P (P is for Priesthood) seiner Ansprache, die dadurch wie ein Ranking der Fremdscham wirkte, war für mich ein absoluter Tiefpunkt erreicht, der seines Gleichen sucht. Und nein, das ist nichts, absolut nichts, was ich noch schön reden kann oder will. Das ist unentschuldbar und ich bin gerade echt an einem Punkt, wo ich nichts dagegen hätte, wenn es den Herren so richtig auf die Füße fallen würde.

Nicht nur, dass er sich dazu herabgelassen hat, jeden anderen Glauben als Unsinn und Spielerei zu diffamieren, nein er hat auch den Rassismusjoker auf ekelhafte Weise gespielt. Letzteres ist eine Sache, die dazu führen muss, dass die Angestellten im Headoffice in ihrem Schweiß schwimmen, um das wieder zu glätten. Und ich bin froh, dass es Menschen gibt, die diese Fireside konserviert haben und es auf den Plattformen und sozialen Medien bereits seine Runde macht.

Aber der Reihe nach. Zuerst sagte er (zusammengefasst):
Meine Kinder haben Kirche gespielt, so wie andere Kinder Schule spielen. Ich wurde ein wenig nervös als meine Tochter anfing das Abendmahl zu segnen. Die Menschen [in anderen Kirchen] spielen Kirche. Sie haben nicht die Autorität. Sie wirken ernsthaft, und würden gerne Bedeutung haben aber sie haben die Autorität nicht. Sie haben nicht Gottes Erlaubnis. Zählen ihre Bemühungen auf der Erde oder in der Ewigkeit? Ich will etwas tun, was zählt. Und um das zu können brauchen wir das Priestertum. Wir spielen nicht Kirche…wir haben die Autorität.“

Er bringt eine Story in der eine Frau kirchlich heiraten wollte, und es missfiel ihr das „Bis dass der Tod euch scheidet“ und er erzählt ihr von der Siegelung.

Ich kenne genug Christen verschiedenster Denominationen und ihren Glauben mit einem Kinderspiel gleichzusetzen ist einfach respektlos.

Gegen eine extra Gebühr (selbstverständlich, weil du kannst ja bekanntlich alles für Geld kaufen, gerade bei den falschen Priestern, das haben wir ja schließlich so gelernt…) konnte sie dann beim protestantischen Pastor ihre eigenen Worte einbringen und wählte „gesiegelt für Zeit und alle Ewigkeit“ und das empfand Wilcox als so falsch, denn dazu fehle ihnen ja schließlich die Autorität. Nur wir sind die einzig wahre Kirche, die von Gott anerkannt wird. Alle anderen spielen nur Kirche. Amen. Wow. Einfach nur wow.

Ich kenne genug Christen verschiedenster Denominationen und ihren Glauben mit einem Kinderspiel gleichzusetzen ist einfach respektlos. Ein Schlag ins Gesicht vieler und ein ganz klares Zeichen dafür, wie Dialog nicht funktionieren kann.

Geht es schlimmer? Natürlich – es fehlt ja noch die Rassisten Karte. Er merkt an, dass es heutzutage viele gäbe, die Probleme mit dem Priestertum hätten. Sie fragen: Warum wurde den Schwarzen das Priestertum bis 1978 verweigert? Aber vielleicht stellen sie einfach die falsche Frage. Vielleicht sollten sie lieber Fragen warum wurde es der weißen Rasse bis 1829 vorenthalten? Und warum mussten die Heiden bis nach den Juden warten? Anstatt Gottes Timeline zu hinterfragen, sollten wir doch dankbar sein, dass sie Schwarzen es 1978 haben konnten. Wenn du jetzt denkst: Das hat er nicht gesagt … Doch das hat er. Die Tatsache, dass Joseph Smith keine Problem damit hatte, people of color zu ordinieren und erst Brigham Young diesen Bann und Sklaverei hochgehalten hat, erwähnt er selbstverständlich nicht.Ich weiß auch gar nicht mehr, was ich dazu sagen sollte, denn alles was ich dazu sagen möchte, wäre nichts nettes und Respektlos denen gegenüber, die Wilcox noch hochhalten und schätzen. Aber ich bitte people of color um Entschuldigung, dass ein Mann, der im Namen seiner Religion Rassismus betreibt, sich so verhalten hat. Ich stehe nicht dahinter und es ist nicht meine Sichtweise.

Warum Frauen das Priestertum nicht haben

Und nicht die Sichtweisen des Gottes an den ich glaube. Es tut mir leid. Und zu guter Letzt erklärt er uns noch warum Frauen das Priestertum nicht haben – aber nichts kann das zuvor gesagte noch schlimmer machen. Auch hier sind wir natürlich falsch davor. Wir Frauen haben natürlich die Autorität im Priestertum zu dienen. Wir werden ja durch das Priestertum berufen und im Tempel ja sogar in Roben des Priestertums gekleidet. Unser Leben ist umgeben von Priestertum, wir haben halt nur zwei Dinge nicht. Die Schlüssel des Priestertums, die haben ja eh nur wenige wie der Bischof oder der Ältestenkollegiumspräsident, und die Ordination und wieder stellen wir die falsche Frage, warum brauchen wir das nicht? Wir sind schließlich bevorzugt und können ohne Ordination in den Tempel Männer können das nicht. Also was bringen wir natürlicher Weise als Frauen mit, was Männer durch die Ordination lernen müssen? Das wäre die richtige Frage. Eine Antwort bleibt er dennoch schuldig.

Ist das ein Mindset, mit dem ich anderen Menschen begegnen möchte?

Ich will hier niemandem sagen, dass und das sind deine Rückschlüsse, die du daraus ziehen musst. Das sind ganz persönliche Dinge und Antworten, die jeder für sich selbst finden muss. Aber ich möchte dir raten, es nicht einfach auf dein Regal der Dinge, die dich ins Grübeln bringen zu stellen, irgendwo in die Ecke, damit du es nicht siehst und es von Staub bedeckt werden kann.

Ich möchte dir raten, es ganz genau anzuschauen und es auf dich wirken zu lassen – sind das Worte, die ich in meinem Herzen spüre, sind das Werte, die ich mit meinem Verständnis von Christus und seinem Leben vereinbaren kann? Sind das die Fundamente, auf die ich bauen kann? Ist das ein Mindset, mit dem ich anderen Menschen begegnen möchte? Denn auch das sollte klar sein, aller guten PR zum und auch aller Hochglanzreden zum Trotz – das ist orthodoxes Mormonentum und das ist auch, was die Kirche lehrt. Man darf Dinge kritisch sehen und hinterfragen und kann dennoch ein Mitglied ‚im guten Stand‘ sein.

Ich habe einen eingebauten Kompass, sozusagen meinen eigenen Liahona, wenn etwas nicht stimmt, wenn ich mit einem schlechten vibe, oder wie man so nett sagt schlechten Geistern konfrontiert bin, dann brennt es unangenehm im Bereich meines Solar Plexus. Das hab ich schon von Kindheit an und kann und konnte deswegen auch immer gut unterscheiden ob es jemand gut mit mir meint. oder nicht. Das soll jetzt nicht pathetisch klingen, aber gestern hat es richtig heftig weh getan.

Und ich möchte mit den Worten meines Freundes Seb schließen:
„Wenn du dich fragst, warum wir (in dem Fall der Bund der Pfingstgemeinden und die Evangelische Allianz) ein Problem damit haben, die Mormonenkirche als christliche Kirche anzuerkennen, dann weil dieser Mann gerade bewiesen hat, dass sie keine christliche Kirche ist, sondern unter dem Namen Jesus spaltet und Elitarismus betreibt. Das ist nicht christlich. Und es ist nicht wahr, dass junge Menschen sich von Gott abwenden, das dem nicht so ist, sehen wir Woche für Woche, wo Menschen im Gottesdienst Jesus ihr Leben geben. Aber es ist wohl wahr, dass junge Menschen sich von Dingen abwenden, die ihnen schaden können. Sei es nun physisch, psychisch oder spirituell. Wenn das, also diese Predigt, ein verzweifelter Versuch war, sie daran zu hindern, dann ist der kläglich gescheitert. Und es tut mir nicht einmal leid.“

Die Himmlische Mutter und HLT-Perspektiven auf Frauen

Live-Gespräch mit Margaret Toscano (Moderation: Guido Müller)

KAPITEL

0:00​ Einführung & Margarets Hintergrund
21:00​ Vision von Joseph Smith über die Himmlische Mutter
37:10​ Himmlische Mutter & heutige Mainstream-Kirchenkultur
47:00​ Priestertum und Frauen in der Kirche
1:00:00​ Anwendung göttlicher Macht durch Frauen in der Kirche
1:26:00​ Warum wird nicht mehr über die Mutter im Himmel gesprochen?
1:34:00​ Teilnehmerfrage: Individuen mit schlechter Beziehung zur eigenen Mutter
1:40:15​ Teilnehmerfrage: Frauen-Sexualität & Kirche
1:50:00​ Weitere Teilnehmerfragen & Schlussworte

HINTERGRUND

Margaret Toscano ist aktuell Professorin für Sprache und Literatur an der University of Utah. Sie ist als Teil einer großen HLT-Familie in Arizona aufgewachsen. Ein paar ihrer Vorfahren haben sich 1830 in Nauvoo der Kirche angeschlossen und sind als Pioniere in den Westen gezogen. Ihre Urgrossmutter, so ist sie überzeugt, war eine der Frauen von Joseph Smith und an ihn gesiegelt. Sie hat sich in Artikeln und Veröffentlichungen eingehend mit Fragen bzgl. der Himmlischen Mutter, Frauen in den Schriften und feministischer Theologie befasst. Im Jahr 1993 wurde ihr von ihrem Pfahlpräsidenten untersagt, weitere Veröffentlichungen zu diesen Dingen zu machen, was letztlich auch zu ihrer Exkommunikation im Jahr 2000 führte. Sie sieht sich weiterhin als „Mormonin“ und Christin „mit Zweifeln“ und sagt: Ich glaube nicht mehr so an kirchliche Wahrheitsbehauptungen wie früher. Das kann ich mit Sicherheit sagen. Ich kann auch sagen, dass ich ein Mensch bin, der eine Menge Zweifel hat. Der intellektuelle Teil von mir will nicht wirklich ein Gläubiger sein. Aber ich würde sagen, dass ich, wenn ich ganz ehrlich bin, glaube, ich bin ein Mensch, der an die Seele und an Gott glaubt und an Spiritualität und denkt, dass das ein sehr wichtiger Teil unseres Menschseins ist. Und … soweit irgendeine Religion wahr ist, denke ich, dass das Mormonentum eine Menge Wahrheit in sich hat. … Es gibt vieles, was ich nicht mag, aber ich denke, dass es auch viel Gutes darin gibt. (Übersetzt aus https://www.pbs.org/wgbh/americanexpe…​ )

Themen & Fragen die vorkommen:

– Wie Margaret aufgewachsen ist und warum das zu ihrem literatischen und intellektuellen Wirken bzgl. Frauenthemen in der Kirche führte
– Joseph Smiths berichtete Vision der Himmlischen Mutter und was man darin über die Mutter erfährt
– Ihre Deutung der Tatsache, dass in der Kirche nicht mehr über die Mutter im Himmel gesprochen wird
– Wie das Paradox, dass Frauen durch Tempelverordnungen das Priestertum erhalten, aber es in der Kirche nicht sichtbar nutzen u. A. auch daher kommt, dass wir als HLTs nicht erkennen, WENN es tatsächlich genutzt wird, sie erwähnt folgende Beispiele aus verschiedenen Evangeliumszeiten: Sarah die Friedensfürstin, die Prophetin Hulda, Hohepriesterin Eliza R. Snow , Cheiko Okazaki die Heilerin.
– auf welche Weise Joseph Smith Frauen das Priestertum gab bzw was darüber bekannt ist und ihre sehr differenzierte und interessante Perspektive auf Joseph Smith
– Frauen-Sexualität & Kirche