Thema: Das Problem mit den äusseren Glaubensidealen


„Du sollst dir kein Gottesbild anfertigen. Mach Dir überhaupt kein Abbild von irgendwas im Himmel, auf der Erde oder im Meer.“
2. Mose 20:4

Dieser Vers wurde für mich die letzten Wochen auf vielfache Weise mit neuem Leben und Bedeutung befüllt, während ich bis dato nie besonders viel darüber nachgedacht hatte.

MIR WURDE AUCH DEUTLICHER, WIE WICHTIG DIESE WEISUNG IST und warum ihre weitverbreitete Missachtung zu unzähligen Problemen führt – aus meiner Sicht sogar eine Ursache fast aller Probleme ist, die Menschen in religiösen Institutionen erleben…

Wenn ich den Vers anders formulieren sollte in moderner Sprache, würde ich sagen, dass weder Gott noch Glaubensideale veräußerlicht werden sollen…

Heutzutage machen die meisten von uns weder Ölmalereien noch Schnitzbilder von Gott, aber was tun wir statt dessen?

Statt ein inneres Ideal zu predigen, kommen wir immer wieder auf den fatalen Gedanken, Ideale zu veräußerlichen, völlig egal ob es sich dabei um die hier kürzlich diskutierte IDEALE MUTTER, eine IDEALE FAMILIE, die IDEALE KIRCHE, IDEALE HEILIGE, das IDEALE KIND, IDEALE SEXUALITÄT, IDEALE GEISTIGKEIT oder IDEALE SABATTHEILIGUNG handelt, etc. etc…..diese Liste liesse sich beliebig lang fortführen.

IDEALE MUTTER
Anstatt ein inneres Ideal zu predigen, nämlich dass eine Mutter eine positive, vertrauensvolle, tiefe und nährende Beziehung zu ihrem Kind anstreben sollte….und unsere Lehre darauf zu fokussieren, wie JEDE MUTTER das erreichen kann, machen wir den fatalen Fehler und schreiben den Müttern vor, sie müssten um gute Heilige zu sein ihren berufsbezogenen Talenten und jeglichen Karriereambitionen adé sagen und rund um die Uhr für ihr Kind da sein.
Manche reden ihnen vielleicht sogar noch ein, dass sie selbst für das Kind kochen müssen…auch wenn sie weder Talent noch Lust dazu haben mögen und der Mann oder die Oma viel lieber kochen würden oder sogar gerne auf das Kind aufpassen würden, während die Mutter einen Teil ihrer Zeit dem Beruf widmet, etc. etc.
Mütter, die sowohl Karriere als auch eine positive Beziehung zum Kind auf konstruktive Weise vereinen, reden wir dafür häufig genug noch Schuldgefühle ein…selbstverständlich ändern sich die Zeiten auch da ein wenig und das kann nur gut sein, aber leider findet man doch immer wieder noch genug treue „Soldaten“, die ihr Gefühl der Selbstrechtschaffenheit darüber beziehen, anderen ihre äußeren Ideale aufzuschwatzen.

IDEALE FAMILIE
Statt zu predigen, wie eine Familie innerlich verbunden sein kann und wie vertrauensvolle, enge Beziehungen erreicht und erhalten werden können, verfallen wir auch hier allzu häufig in die Veräußerlichung von Idealen und legen das Idealbild der christlichen Familie als hetero mit möglichst vielen Kindern fest.
Somit fallen schon mal sooooo unfassbar viele Individuen in unseren Reihen raus und bleiben aussen vor. (Frauen, die keine Kinder bekommen können, LGBTs, Menschen die nie einen Partner finden)
Wir sagen ihnen dann, dass sie im Jenseits diesem ideal entsprechen können und in diesem Leben eine „Prüfung“ durchzustehen haben…
Dass ALLE Menschen „Familie“ bzgl. der INNEREN FORM auch in diesem Leben haben können und unsere Lehre darauf zu fokussieren, WIE wir das erreichen, verstärken wir die Not und das Schuldgefühl derer, die unserem eigenen äußeren Ideal nicht entsprechen können.
Plötzlich versteht man, warum der Bibel so sehr daran liegt, den Gedanken einer INNEREN KIRCHE zu propagieren und JEGLICHE BILDNISSE UND VERÄUSSERLICHUNGEN zu unterlassen. Diese nähren Vorurteile und Verurteilungen, schaffen Mauern und behindern unser Wachstum.

IDEALE KIRCHE
Statt zu predigen, wie die Kirche IN UNS aussehen kann und mit welchen reichen Segnungen sie einhergeht, verbringen wir als HLTs gefühlt 40 % unserer Zeit damit, uns und anderen ein veräußerlichtes Kirchenideal, nämlich die KJCdHdLT nahezubringen. Wir missionieren viel zu viel für eine äußerliche Art von Bekehrung und riskieren dabei, die VIEL WICHTIGERE INNNERE Bekehrung und Hingabe zu Gott aussen vor zu lassen.
Wir realisieren nicht: Gottes Kirche wie sie massgeblich in den Schriften gepredigt wird kennt keine künstlichen äußeren Grenzen. Um zu SEINER KIRCHE zu gehören braucht man keine bestimmte Kirchenmitgliedschaft in einer irdischen Organisation.

IDEALE HEILIGE
Das ideale „Kirchenmitglied“ gemäß heiliger Schrift befindet sich auf dem Weg zu Gott bzw zu einem Zustand höherer Liebe. Es bemüht sich von ganzem Herzen, vergebungsbereit, liebevoll und hilfsbereit zu sein. Es bemüht sich um nährende Verbindung zu anderen Menschen. Es kümmert sich um diejenigen, die der Hilfe bedürfen, insbesondere diejenigen, die ohne Familie sind, die allein sind, die krank sind und anderweitig Not leiden.
Man könnte es dabei belassen, aber was machen die religiösen Institutionen? Sie erfinden weitere äußere Ideale, wie z.B. dass das ideale Kirchenmitglied einen Tempelschein haben muss, jeden Sonntag eine Kirche besucht, eine Gemeindeberufung ausübt, keinen Kaffee trinkt und sich im Haus Tempelbilder aufhängt….sooooooo schade!
Das ideale männliche Mitglied trägt dazu noch ein weisses Hemd mit Krawatte, kurze Haare und keinen Bart. Es behält Gedanken die vom Standard-Denken abweichen für sich.
So viel Veräußerlichung! Mit fatalen Folgen für alle Kinder Gottes, die hier „aus dem Raster fallen“, weil Gott noch nie an der Gleichförmigkeit noch am gleichgeschaltetem Denken seiner Kinder gelegen war.

IDEALE EHE
Es gibt so viel, was über eine ideale Ehe gesagt werden könnte und wie diese gemäß inneren Kriterien aufgebaut werden kann. Aber worauf versteifen wir uns häufig? Genau, dass die einzig ideale Ehe im HLT-Tempel geschlossen werden kann. Dass beide Partner Kirchenmitglieder sein sollen. Dass sie zwischen Mann und Frau geschlossen werden muss… Dass beide in der Kirche aktiv sein sollten und dies ein wichtiger Erfolgsfaktor für ihr Glücklichsein ist.
Nach mehreren „Misserfolgen“ haben Iris und ich für uns beschlossen uns auf die INNEREN Eheideale zu fokussieren und die Veräusserlichungen von Idealen in dieser Hinsicht zu vermeiden.

IDEALE SEXUALITÄT
Statt einzugestehen, dass positive Sexualität so vielfältig wie das Farbspektrum hinter der Konferenzzentrum-Kirchenorgel im openfaith-Hintergrundbild sein kann, nehmen sich religiöse Menschen heraus, gottgewollte Sexualität äusserlich zu definieren und alle anderen Formen von Sexualität als schlecht, unanständig und teuflisch zu bezeichnen.
Statt über Verantwortung gegenüber dem ungeborenen Leben, einem Kind, dem Partner und sich selbst ggü. zu sprechen, woraus sich die Betreffenden ableiten können, was sinnvoll und fördernd ist, gehen wir her und definieren Tabu-Körperzonen und äußere „Anfass“-Regeln. Wir bringen mit dieser Kultur sogar gewissenhafte Bischöfe in die äußerst unglückliche Situation, Jugendlichen explizite Sex-Fragen zu stellen, was in so vieler Hinsicht problematisch ist. Jugendliche denken ab dann, dass es Gott die Sexualität recht ist, wenn sie nur diese eine Körperzone aussen vor lassen und veranstalten dann wie in Utah bekannt, „Make-Out“ Parties, quasi Knutschtreffs für ganze Gruppen Jugendlicher, um INNERHALB der Grenzen zu bleiben.

IDEALE KINDER
Das ideale Kind sitzt brav in seiner Kirchenbank, hört zu und hält sogar erste Ansprachen. Das Kind, das aus Instinkt GAR NICHT HIN WILL, nehmen wir allzu häufig nicht ernst und schauen uns auch nicht die möglichen tieferliegenden Gründe an.
Wir merken dann auch nicht, dass es bei einem Kind Faulheit sein mag, und beim nächsten ein verborgener Grund, z.B. dass dieses Kind bereits instinktiv spürt, dass Kirche(nkultur) oder das soziale Gefüge in der Gemeinde ihm nicht gut tut – z.B. weil es inmitten des institutionellen „Konformitätstreibens“ bereits zu anders denkt oder zu „anders“ ist.

IDEALE SPIRITUALITÄT
Als ideale Geistigkeit deklarieren wir allzu häufig tägliches Schriftstudium und tägliches Gebet. Als ob das nicht genug Veräusserlichung wäre, wird uns häufig noch angeraten, welches Buch und wie viele Kapitel wir studieren sollen. Damit konnte ich auch zu konformsten Zeiten noch nicht wirklich etwas anfangen, da ich Spiritualität als höchst individuell angesehen habe.
Dass manche Menschen wie ich manchmal mehrere Tage nicht individuell formal beten, aber dann wieder einen so intensiven Austausch mit „Gott“ erleben, dass ihnen die Spucke wegbleibt, dafür lassen wir mit diesen Vorgaben keinen Raum.
Dass manche Menschen beim Lesen der Schriften eher noch mehr Distanz zu Gott bzw. weniger Spiritualität spüren und es dann lieber lassen, dafür lassen wir ebenfalls keinen Raum. Wir versuchen, eine äußerliche Form, die für manche passt, allen überzustülpen und lassen zu wenig Raum für Individualität, die das ganze eigentlich viel spannender machen würde.

Mich würde interessieren, ob Ihr hier noch weiteres beizusteuern habt. Schreibt es gern in die Kommentare.

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