Gedanken zu „Sei lieb – bete und gehorche“ auf Netflix

Von Guido Müller

War heute auf der Suche nach ner neuen Serie auf Netflix, um diese mit Iris oder meinem Sohn zu schauen. Nun ja, die Nr. 5 in den Netflix-Charts war heute „Sei lieb – bete und gehorche“, der neue Doku-Film über die FLDS.

Quelle: netflix.com

20 Minuten konnte ich mir das antun, dann musste ich erstmal pausieren.

Nun ja, zum Glück hat sich die heutige HLT-Kultur ja völlig und gänzlich vom zugrundeliegenden Gedankengut verabschiedet und ist voll auf gesunde Selbstbestimmung aus, auch für Frauen.

Zum Glück werden die Emotionen Wut und Ärger nicht wie dort unterdrückt – insbesondere bei Frauen, sondern willkommen geheißen, wie alle anderen Emotionen, und dann dürfen alle schauen, was für eine Bedeutung oder Botschaft sie für die Seele haben.

Zum Glück ist das der FLDS-Kontrollideologie zugrundeliegende Hauptkapitel 132 aus Lehre und Bündnissen entfernt worden.

Zum Glück brauchen wir uns keine Sorgen mehr machen, dass es Menschen beeinflussen könnte.

Zum Glück leben ja auch Apostel unserer Kirche keinerlei Polygamie-Ansätze mehr, indem sie nach dem Tod einer Frau eine weitere an sich siegeln lassen.

Und zum Glück gibt es ja auch keine Crazy-HLT-Männer, die immer noch von Polygamie im Himmel träumen, und glauben, dass sie mit vielen Frauen belohnt werden für Rechtschaffenheit.

Zum Glück höre ich ja auch nicht gefühlt alle zwei Monate eine neue Story, wo eine Frau Probleme hat, eine Tempel-Siegelung mit einem Ex-Mann aufzuheben.

Zum Glück haben wir das ja auch in den Essays der Kirche soweit aufgearbeitet, dass wir Sätze von Joseph Smith nicht mehr verharmlosen, Sätze wie „Wenn Du mich nicht im Geheimen heiratest, kommt ein Engel mit Feuerschwert zu mir und killt mich“. Zum Glück betrachten wir das nicht mehr als Entschuldigung für die Polygamie, sondern wir sehen, was so eine Aussage wirklich ist: Psychopathologisches Kontrollgehabe mit religiösem Anstrich.

Zum Glück!!!

Oh sh**! Ich merke grad, das ist ja alles doch noch nicht passiert…! Nun ja, geben wir ihnen noch 50 Jahre. Sie müssten selbst drauf kommen, damit ihre Autorität und unser „Glaube“ intakt bleibt. Bis dahin gilt also: „Sei lieb – bete und gehorche“. Sie kommen dann mit neuen Offenbarungen wenn die Heiligen „bereit“ sind. Hooray!

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M.K.
M.K.
1 Jahr her

Hab es mir angeschaut. Sehr interessant. War sehr aufgewühlt und schockiert. Hab den Vergleich zu Joseph Smith gezogen und kann nicht fassen, dass die jetzigen Mormonen im Grunde ähnlich sind.

Guido
Guido
1 Jahr her
Reply to  M.K.

M.K. als ich’s vorhin geschaut habe, habe ich danach im Garten meinen beiden Töchtern (1 und 3 Jahre jung) in die Augen geschaut und eine unfassbar tiefe Zufriedenheit in Bezug auf meine Entscheidung gespürt, die Kirche verlassen zu haben. Mir tun die vielen tollen Mitglieder leid, die ich kenne und die eigentlich mit dem sh** nichts zu tun haben wollen. Die gibt es zuhauf..ich war auch so jmd.

F.L.
F.L.
1 Jahr her
Reply to  Guido

Guido Müller: Gratulation. Ihr müsst euch somit eines Tages keine Vorwürfe machen bzw. anhören, dass ihr zu schwach oder zu blöd gewesen seid, eure Kinder vor den sozialen, religiösen und mentalen Fesseln der Kirche zu schützen.

Guido
Guido
1 Jahr her
Reply to  F.L.

F.L. danke, ich denke, ich weiss wie du es meinst ..nun ja dennoch: ich find’s etwas schwierig, die in der Kirche Verbleibenden mit solchen Begriffen zu „taggen“..war ich die letzten 6 Jahre wo ich noch drin war zu schwach oder zu blöd? Sind es die anderen die noch drin sind alle?

F.L.
F.L.
1 Jahr her
Reply to  Guido

Guido Müller: Eine rethorische Fragcomment image

Netflix Miniseries
Wer kennt nicht das Leitmotiv von abgrenzenden Parallelgesellschaften: „Nicht zweifeln, zweifeln bringt nichts“. Heute können wir es ersetzen durch den noch zutreffenderen Satz:
Keep Sweet: Pray and Obey
Vielleicht wurde der Fundamentalisten-Prophet Warren Jeffs im Gefängnis nun selbst Opfer von sexuellen Übergriffen.
Nach wie vor halten die meisten Fundamentalisten an der FLDS Church fest. Sie glauben nach wie vor in der einzigen richtigen und wahren Kirche zu sein und dass ihr Prophet direkte Offenbarungen von Gott erhält. Das ist nicht weiter erstaunlich. Die Gründe sind auf eine psychisch krankhafte Persönlichkeitsentwicklung durch Indoktrination zurückzuführen, die zu einer themenbezogenen Urteilsunfähigkeit führt.
Es ist somit die Relativität dieser Urteilsunfähigkeit zu beachten, weil die Urteilsfähigkeit zumeist nur im Bereich der einschlägigen Kirchendogmen fehlt.
Es ist klar, dass die Anhänger die psychische Störung nicht als solche wahrnehmen. Auch Zureden oder Appellieren an den Verstand bringt rein gar nichts.

S.B.
S.B.
1 Jahr her

Das war schon harter Tobak. Mit jeder Folge unfassbarer. Aber wie ich aus USA höre, haben viele Mitglieder kein Problem damit, es sich anzuschauen. Wahrscheinlich liegt es daran, dass die Geschichte so extrem ist, dass man Reflexion ausblenden kann.

F.
F.
1 Jahr her
Reply to  S.B.

Kommentar

Joseph Smith.jpg
H.S.
H.S.
1 Jahr her

Ich hatte mal eine Diskussion nach meinem Ausstieg, mit einem Bekannten, der meinte, dass die ganze patriachale Polygamie von JS, BY & Co. damals OK war, weil es von Gott geboten war – Punkt. So einfach für ihn und so klar für mich! Selbstbestimmungsrechte etc. spielten für ihn null Rolle und für mich spielte die Devine Command Theory (etwas ist richtig weil es angeblich von Gott kommt) null Rolle!

D.
D.
1 Jahr her

Boah, bin jetzt auch durch!
2 Gedanken:
1. Mit etwas kritischer Selbstreflexion kommt man nicht umhin, dieselben Muster zu Gehorsam, Beten und Propheten in der LDS Kirche wahrzunehmen (zum Glück nicht mit derart Auswüchsen, aber die Grundidee ist identische: folg dem Propheten, er kennt den Weg)
2. Der Gedanke drängte sich auf (oder war es eine Bestätigung des Geistescomment image), dass dies nur eine moderne Verfilmung von Joseph Smith ist. Wissend, mit welchen Mitteln er Minderjährige in eine Ehe gebracht hat, waren da viele Parallelen, wenn man die Berichte von Betroffenen von damals liest. Welche, die sich abgewandt haben und andere, die umso mehr an den Propheten glauben wollten.
Diese Doku wird noch ein bisschen in mir arbeitencomment image

O.K.
O.K.
1 Jahr her
Reply to  D.

Wird die Doku mit deutschen Untertiteln gezeigt oder gibt es deutsche Sprecher?

D.
D.
1 Jahr her
Reply to  O.K.

O.K.: ist deutsch synchronisiert. Ganz gut gelungen. Und auch die Übersetzung recht authentisch, so dass man das Kirchendeutsch wiederfindet.